Blick über den Zaun: Premiere von „Der unischtbare Reaktor“ im Nürnberger Schauspielhaus

Am 21. Mai 2022 bringen Nis-Momme Stockmann und Jan-Christoph Gockel ihr Uraufführungsprojekt auf die Bühne des Nürnberger Schauspielhauses

Ursprünglich als Reisetheater geplant, entstand pandemie-bedingt und inspiriert durch Werner Herzogs Film „Family Romance, Lcc“ die Idee für Autor und Inszenierungsteam einen Stellvertreter auf Reisen zu schicken. Yuichi Ishii, Schauspieler und Geschäftsführer der Agentur „Familiy Romance Lcc“, unternahm, zehn Jahre nach der Katastrophe, die geplante Recherchereise nach Fukushima. Bereits 20212 und 2016 hat der vielfach ausgezeichnete Autor Nis-Momme Stockmann vor Ort recherchiert. Regisseur Jan-Christoph Gockel, seit letzter Spielzeit leitender Regisseur an den Münchner Kammerspielen, entwickelte politische und spielerische Theaterabende aus Reisen und Recherchen in der ganzen Welt. Die Reise des Stellvertreters nach Fukushima fragt nach der Wahrheit des Augenscheins und der Legitimation einer eurozentrischen Perspektive.

Am 3. März 2011 löste eine Naturkatastrophe den GAU im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi aus, der Deutschlands proklamierten Ausstieg aus der Atomenergie zur Folge hatte. Der renommierte Autor Nis-Momme Stockmann hat Fukushima bereits 2012 und 2016 besucht, mit Menschen vor Ort gesprochen, viele Eindrücke und Material gesammelt. Für eine theatrale Bearbeitung des Stoffes am Staatstheater Nürnberg mit Regisseur Jan-Christoph Gockel, dessen Reisetheater Erfahrungen und Begegnungen ganz direkt künstlerisch weitergibt, sollten Autor und Inszenierungsteam zum 10. Jahrestag den Ort der Katastrophe besuchen.

Die Pandemie machte 2021 Reisen nach Japan unmöglich. Der Film „Family Romance, LLC“ von Werner Herzog brachte Regisseur Jan-Christoph Gockel auf die Idee, an Stelle des Autors einen Stellvertreter reisen zu lassen. Im Dezember 2021 machte sich Yuichi Ishii, Schauspieler und Geschäftsführer der Agentur „Family
Romance“, auf den Weg nach Minamisoma, verkörperte dort den deutschen Autor und sprach mit Menschen, denen Nis-Momme Stockmann auf seinen
früheren Reisen begegnet ist.

Die Reise des Stellvertreters nimmt die Wahrheit des Augenscheins, Zeugenschaft und Welterleben in den Blick. Sie hinterfragt die eurozentrische Perspektive, das Selbstverständnis dieser Sicht und spiegelt gleichzeitig die Sehnsucht nach dem eigenen Erleben. Die entstandenen filmischen Dokumente fließen als wesentlicher Bestandteil in den Theaterabend ein, in dem auch die vier Darstellerinnen und Darsteller zu Stellvertreterinnen bzw. Stellvertretern des Autors werden. Durch den Besuch von Yuichi Ishii in Nürnberg während der Probenphase im Mai 2022 hat auch die Begegnung von Nis-Momme Stockmann, seinem japanischen Stellvertreter und den Bühnen-Alter Egos stattgefunden und die Frage aufgeworfen: Wer ist „authentischer“?

ZUR PERSON:

NIS-MOMME STOCKMANN, THEATERAUTOR, wurde 1981 in Wyk auf der nordfriesischen Insel Föhr geboren. Seine Vita führt neben einem Studium der Sprache und Kultur Tibets sowie der Medienwissenschaften in Hamburg und Odense eine Lehre als Koch auf. Zum Dramatiker bildete er sich an der Berliner Universität der Künste im Studiengang „Szenisches Schreiben“ aus. Für sein Stück „Der Mann der die Welt aß“ erhielt Stockmann den Werkauftrag des Stückemarktes des Berliner
Theatertreffens 2009 und den Preis des Heidelberger Stückemarktes 2009. Mit dem Stuttgarter Auftragswerk „Kein Schiff wird kommen“ wurde
Stockmann bereits in seiner Debütsaison zu den Mülheimer Tagen 2010 eingeladen, in deren Vorfeld er auf nachtkritik-stuecke2010.de einen Text gegen die Bewertungsmacht der Kritik und für eine Dramaturgie der Zukunft veröffentlichte. Im Mai 2010 war Stockmann außerdem Mitglied der Jury des Heidelberger Stückemarktes, die mit ihrer Entscheidung, die zu vergebende Preissumme zwischen allen Autoren zu teilen, für Aufsehen sorgte. Im Jahr 2014 erhielt er den mit 10.000 Euro dotierten Dramatikerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. 2016 veröffentlichte er seinen ersten Roman „Der Fuchs“, mit dem er für den
Preis der Leipziger Buchmesse nominiert wurde.

REGISSEUR JAN-CHRISTOPH GOCKEL studierte Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Frankfurt und Regie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Er inszeniert dichte Collagen aus Text, Musik, Film und Puppenspiel. Dazu entstehen zahlreiche Stückentwicklungen mit politischem Interesse, wie „Ramstein Airbase: Game of Drones“ (2015), oder Reiseprojekte, wie „Die Revolution frisst ihre Kinder!“ (2018), das in Burkina Faso als Theaterprojekt und Kinofilm entstand und 2019 mit dem Nestroy-Preis ausgezeichnet wurde. Nach sechs Jahren als Hausregisseur am Staatstheater Mainz ist Jan-Christoph Gockel seit der Spielzeit 2020/21 Teil des Künstlerischen Leitungsteams der Münchner Kammerspiele. „Der unsichtbare Reaktor (UA)“ ist seine erste Inszenierung am Staatstheater Nürnberg.

BÜHNEN- UND KOSTÜMBILDNERIN JULIA KURZWEG, geboren in Leipzig und aufgewachsen in Potsdam, studierte nach einer Ausbildung zur Kostümschneiderin in den Filmstudios Potsdam Babelsberg Bühnen- und Kostümbild an der Kunstuniversität Mozarteum Salzburg und der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Drei Jahre war sie als Bühnen- und Kostümbildassistentin am Deutschen Theater Berlin engagiert, wo sie ebenfalls eigene Bühnen- und Kostümbilder entwarf. Sie arbeitete als
Bühnen- und Kostümbildnerin u.a. an folgenden Theatern: Münchner Kammerspiele, Schauspiel Frankfurt, Staatsschauspiel Dresden, Théâtre National Wallonie-Bruxelles, Schauspiel Stuttgart, Schauspielhaus Bochum, Theater Bonn, Schauspielhaus Graz, Nationaltheater Mannheim, Schauspielhaus Wien, Volksbühne Berlin, Staatstheater Mainz, Konzert Theater Bern, Schaubühne Berlin. Sie arbeitete u.a. mit den Regisseurinnen und Regisseuren Volker Lösch, Maria Victoria Linke, Cordula Däuper, Christoph Mehler, Sabine Auf der Heyde, Andreas Kriegenburg. Eine besonders intensive Zusammenarbeit verbindet sie mit dem Regisseur Jan-Christoph Gockel. Neben ihrer Arbeit am Theater gestaltete sie das Set- und Kostümdesign für verschiedene Filmproduktionen.

DER UNSICHTBARE REAKTOR (UA)

Projekt von Nis-Momme Stockmann und Jan-Christoph Gockel

PREMIERE: SA., 21. MAI UM 19.30 UHR, SCHAUSPIELHAUS

REGIE: Jan-Christoph Gockel

BÜHNE UND KOSTÜME: Julia Kurzweg

MUSIK: Arne Zank
VIDEOEDITOR (DEUTSCHLAND): Mario Hirasaka
KAMERA (DEUTSCHLAND): Lion Bischof

LICHT: Tobias Krauß

DRAMATURGIE: Brigitte Ostermann

DRAMATURGISCHE BERATUNG (JAPAN): Tatsuki Hayashi

KÜNSTLERISCHE PRODUKTIONSLEITUNG: Greta Călinescu
KÜNSTLERISCHE PRODUKTIONSLEITUNG UND REISELEITUNG (JAPAN): Ayumi Seki, Hiroko Tanabe

ES SPIELEN:

Julia Bartolome, Llewellyn Reichman, Moritz Grove,
Raphael Rubino

Im Video:

Yuichi Ishii

Weitere geplante Vorstellungen in der Spielzeit 2021/22:

Fr., 27.05.2022, 19.30 Uhr, Di., 31.05.2022, 19.30 Uhr, Do., 02.06.2022,
19.30 Uhr, So., 19.06.2022, 19 Uhr, Mi., 22.06.2022, 19.30 Uhr, So.,
26.06.2022, 19 Uhr, Mi., 29.06.2022, 19.30 Uhr, Sa., 02.07.2022, 19.30
Uhr, Sa., 09.07.2022, 19.30 Uhr

Änderungen vorbehalten

WEITERE PROGRAMMINFORMATIONEN UND TICKETS:

www.staatstheater-nuernberg.de

Tel.: 0180-1-344-276 (Festnetz 3,9 Ct./Min., Mobil bis zu 42 Ct./Min.)