Rede zur Eröffnung der Ausstellung „unendlich still…“ am 1. Mai 2022 auf dem Stadtfriedhof Bayreuth von Regionalbischöfin Dorothea Greiner

Symbolbild Religion

Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 1. Mai 2022 auf dem Stadtfriedhof Bayreuth

Es ist mir eine Freude, die Ausstellung „unendlich still…“ zu eröffnen. Ich gehe in meiner kurzen Eröffnungsrede drei Schritte: Kunst – Friedhöfe – Kunst auf Friedhöfen

Kunst

Kunst öffnet. Jede gute Kunst öffnet uns. Sie führt uns zu unseren eigenen Empfindungen und Gedanken – und sie übersteigt sie doch. Denn Kunst ist eine Brücke zu einer Wirklichkeit, die wir rational nicht erfassen können. Das muss nicht aber kann auch die Wirklichkeit Gottes sein.
Ob die Kunst eine Brücke wird zur Wirklichkeit Gottes, hängt nicht nur von der Kunst ab, sondern auch vom Ort – und auch von uns selbst und wohin wir uns öffnen lassen. Bewusst religiöse Kunst gibt es natürlich auch – in der Musik, in der Lyrik – und eben auch in der sichtbaren Kunst. Religiöse Kunst verkündigt auf eigene Weise – und dann oft so, dass sie unsere Seele berührt, weil sie aus der Seele kommt.

Friedhöfe

Friedhöfe sind Lebensorte. Als Kind wurde ich fast wöchentlich von meiner Patentante auf den Friedhof mitgenommen, weil dort die schönste Vogelmiere wuchs. Sie hatte Wellensittiche. Der Friedhof war Nahrungsquelle für ihre Vögel. Nie, wenn mein Mann und ich in Urlaub fahren und Orte durchwandern, lassen wir den Friedhof aus. Hochinteressant, was wir dort über das Dorf erfahren und seine Kultur des Sterbens und Lebens. Die letzte Beerdigung, die ich besuchte, war zugleich ein Wiedersehen mit allen Bekannten – und so erscholl nach der Trauerfeier fröhliches Lachen mitten auf dem Friedhof. Die Witwe hat das gefreut.

Friedhöfe sind Lebensorte. Wenn Trauernde dort immer wieder hingehen werden sie zu Begegnungsorten mit anderen Trauernden; manches Gespräch entsteht. Selbst Beerdigungen sind voll Leben: voll Tränen, voll Gefühl, voll Trauer, die auch zum Leben gehört, wie der Tod. Gewiss, Friedhöfe sind Lebensorte mit Totenruhe. Und doch wird die Totenruhe nicht gestört durch lautes Singen. „Christ ist erstanden von der Marter alle“ – ich vergesse nie, wie das 150 Menschen trotzig schmetterten, als der jugendliche Sohn des Pfarrers Gottfried Egg hier auf diesem Friedhof bestattet wurde. Und das half allen Anwesenden zum Leben. Friedhöfe sind Lebensorte, voll Lebenskultur, gerade weil sie dem Tod und der Hoffnung auf ewiges Leben Raum geben. Darin sind sie heilsam für eine Gesellschaft, die beides verdrängt.

Kunst auf Friedhöfen

Kunstwerke verwandeln unsere Friedhöfe. Eine Kirche wird damit nicht zur Ausstellungshalle, sie bleibt Kirche; ebenso wie der Friedhof Friedhof bleibt. Und doch wird der Charakter als Lebensort verstärkt. Kunst öffnet, denn sie ist bedeutungsoffen. Ich will Sie alle ermutigen Ihren eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen, wenn ich Ihnen meine Gedanken zu den beiden Kunstwerken sage, die diesem Ort am nächsten sind:

Marie Jaksch – Hit me baby, on more time, so der Titel des Kunstwerks, zugleich Titel eines Liedes von Britney Spears. Ein Mädchen will ihren Freund zurück. Transparent dieser Titel für den Tod – wie diese Gesichter auch. Aus ihnen kommt ein Grundrauschen – ob wir es deuten als Grundrauschen des Sterbens oder Lebens, ist offen.

Unwillkürlich hat mich die wächserne Farbe der Köpfe an gerade Verstorbene erinnert. Dankbar war ich, wenn Menschen mich ans Totenbett eines gerade Verstorbenen riefen. Wir beteten den Psalm 23, manchmal sang ich: „Jesus lebt, mit ihm auch ich.“ Immer berührte ich den Toten, zeichnete ihm ein Kreuz auf die Stirn und sagte: „Du gehörst Christus dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn.“ Wie sehr dies den Raum verwandelte! Wie sehr dies den Verstorbenen verwandelte! Er gehörte nicht mehr dem Tod. Sein vergängliches Gesicht war glaubend überkleidet mit ewigen Leben. Christliche Lebenskunst verwandelt.

Meide Büdel, Schwebend, so der Titel ihres Kunstwerks

Meide Büdels Kunst ist tief, auch wenn sie in lichte Höhen führt, wie die Stelen. Drei kurze Assoziationen zu ihnen – Die eine: Die Vertikale ist eins der ältesten Symbole für die Gottesbeziehung, die Horizontale für das zwischenmenschliche, irdische Miteinander. Beide Grundlinien bilden durch die starke Vertikale und die beiden Horizontalen ein Tau-Kreuz, eine alte Form des Kreuzes. Dort, wo sie sich berühren, entsteht Halt fürs Gleichgewicht im Schweben.

Eine weitere Assoziation: Die Stäbe sind im Gleichgewicht und schwingen doch. Wer einen Menschen verliert, muss sein Gleichgewicht erst wieder finden. „Die ihr schwebt in großem Leide, seht, hier ist die Tür zu der wahren Freude; fasst ihn wohl, er wird euch führen an den Ort, da hinfort euch kein Kreuz wird rühren.“

Die dritte Assoziation: Dort an jenem Ort, zu dem Christus uns führt, wo uns kein Kreuz, kein Leid mehr rührt, dort wird unser Auferstehungsleib leicht sein – ohne Schwere schweben. Paul Gerhardts Lied, aus dem ich gerade zitiert habe, endet mit den Worten: „mit dir will ich endlich schweben voller Freud ohne Zeit dort im andern Leben.“

Kunst öffnet

Hier an diesem Ort eines evangelischen Friedhofs öffnet zeitgenössische Kunst für die Ewigkeit und der Friedhof wird zum Raum, der vom Tod und vom andern Leben spricht. Die Ausstellung ist hiermit eröffnet.

Wir hören Paul Gerhardt Lied „Fröhlich soll mein Herze springen“ im Vortrag der Bläser.