So verlief die Gscheitgut-Autorenwanderung durch Kunreuth

Autorin Susanne Reiche Foto: Corinna Brauer Gscheitgut
Autorin Susanne Reiche Foto: Corinna Brauer

Zum Tag des Bieres mit Landrat Dr. Ulm und Autorin Susanne Reiche auf Spurensuche durch Kunreuth

Wohl auf keine andere Gemeinde in der Fränkischen Schweiz trifft die Bezeichnung „Fachwerkdorf“ so treffend zu wie auf den 1.400-Seelen-Ort Kunreuth. Schon kurz nach der Ortseinfahrt begrüßt die Besucher ein kunstvolles Fachwerkensemble aus dem 16. Jh. Von den anderen bürgerlichen Fachwerkhäusern liegt eines der schönsten am westlichen Rand des idyllischen Ortes und beherbergt das „Gasthaus zum Schloss“. Dies ist das Ziel unserer heutigen Gscheitgut-Autorenwanderung.

Wanderführer Landrat Dr.Ulm Foto: Corinna Brauer Gscheitgut

Wanderführer Landrat Dr. Ulm Foto: Corinna Brauer

Am Samstag, 23.04.22 trafen sich rund 50 Wanderer in Kunreuth zur ersten Gscheitgut-Wanderung in diesem Jahr. Pünktlich um 9 Uhr begrüßte die 1.Vorsitzende des Gscheitgut-Vereins Corinna Brauer die Teilnehmer, die aus Forchheim, Erlangen und Nürnberg angereist waren, um heute mit ihr und Landrat Dr. Ulm durch Kunreuth zu wandern. Als Autorin begleitete Susanne Reiche den Tag. Sie schreibt Krimis und Kurzgeschichten, heute stellt sie uns ihr Buch „Fränkisches Pesto“ vor.

Zu den Gästen der besonderen Wanderung zählte außerdem Charlotte Kaufmann von der Sparkasse Forchheim, die seit 2020 die Gscheitgut-Wanderungen auch finanziell unterstützt. Marion Rossa-Schuster, die Leiterin der VHS resümierte: „Wir kooperieren seit 13 Jahren mit dem Gscheitgut-Verein und freuen uns, dass die Wanderungen jedes Mal so gut angenommen werden“.

Im Mittelpunkt des heutigen Tages stand die „Spurensuche Kunreuth“, ein Wanderweg, der im Jahr 2001 durch eine Kooperation mit dem Institut für Geographie an der Universität Erlangen unter der Ägide von Dr. Ulm, damals noch Bürgermeister von Kunreuth, entstanden ist. Der Rundweg zeigt, welche Vielfalt in der Geschichte eines Dorfes steckt und wie das Dorf mit seiner umgebenden Kulturlandschaft verbunden ist. So kann die Geschichte und die Gegenwart des Dorfes von seinen Anfängen bis zu den Veränderungen im 20. und 21. Jh. erlebt und erwandert werden.

„Nur was man kennt sieht man auch“, resümiert Silvia Bessler, die als VHS-Mitarbeiterin heute mit dabei ist.

Am Rathaus in Kunreuth ging es los: Wo sich heute ein schmucker Sandsteinbau befindet, stand früher das Badhaus, erklärte Landrat Dr. Ulm. Heute finden hier nicht nur die Gemeinderatssitzungen statt, das Haus ist auch ein beliebter Veranstaltungsort für Kunsthandwerkkurse und ein wichtiger Mittelpunkt des Dorfes.

Weiter ging es an den Standort der alten Synagoge, an die heute nur noch ein Schild erinnert. und zum ehemaligen Schafstall, der ein wahres Schmuckstück geworden ist. „Manchmal muss einfach pelzig bleiben und keinen Abriss zulassen“, resümiert Landrat Dr. Ulm. Er erzählte, wie der alte Stall von 1850 nach und nach verfiel. Dabei hatte die Schäferei in Kunreuth vom Mittelalter bis ins 19. Jh. eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung. Die Abgaben der Schäferei überstiegen bei weitem die Abgaben selbst der größten Höfe. Die Schafzucht wurde durch die Konkurrenz der Wolle aus Neuseeland unrentabel, viele Landwirte gaben die Schafhaltung aus. Diese Veränderungen wurden auch in der Landschaft sichtbar, denn nach und nach eroberten sich Wald und Büsche die freigelegten Hangflächen zurück. Das typische der Fränkischen Schweiz wird heute durch aufwändige Hangfreilegungsmaßnahmen erhalten. „Heute würde niemand mehr die Fränkische Schweiz, Fränkische Schweiz nennen“, gibt Landrat Dr. Ulm zu bedenken, aber damals, zu Beginn des 18.Jhs, waren die Felsen so gut beweidet, dass die Berge in weiten Teilen waldfrei waren.“ Die Flurnamen „Hutweide“ oder „Hutgraben“ erinnern daran.

Unser Spaziergang führt uns weiter zum idyllischen Kirchhof. Die imposante Kirche, ein geschmückter Osterbrunnen und die alte Dorfschule geben gemeinsam mit dem Pfarrhaus ein eindrucksvolles Ensemble ab. „Ein Lehrer unterrichtete nicht nur, er war auch Ortchronist, er schloss die Kirche vor dem Gottesdienst auf, er war verantwortlich für den Orgeldienst, läutete die Glocken und nebenher war er auch noch Selbstversorger“, beschreibt Landrat Dr. Ulm das einstige Berufsbild des Lehrers. Flurnamen wie „Pfaffenleithe“ und „Kirchwiese“ erinnern daran.

Es lohnt sich, die Kirche auch von Innen anzuschauen. An der rechten Seite zeugen freigelegte Fresken von der langen Geschichte des Gotteshauses: Geweiht wurde die Kirche im Jahr 1426, vermutlich ist sie noch älter. Wir nutzen die Ruhe im Inneren für eine erste Lesung der Autorin Susanne Reiche: Auf einer Kräuterwanderung in der Fränkischen Schweiz geschieht ein Mord. Doch die »Kräuterhexe«, gibt außer ihrem Rezept für ein fränkisches Pesto nur wenig preis. Wie Kommissar Kastner den Fall im fränkischen Outback lösen wird?

Weiter geht es vorbei an Streuobstwiesen zur Weiherwiese. Der Weiher dient heute dem Wasserrückhalt, damit Kunreuth nicht von dem vorbeifließenden Troppach überflutet wird. Landrat Dr.Ulm stellt auch die Funktion der alten Obstwiesen vor: Die Hochstämme waren wichtig für die Doppelnutzung der Streuobstwiese: Oben reifte das Obst, darunter wurde der Acker bewirtschaftet. Heute bevorzugen die Landwirte niedrigstämmige Obstbäume, die einfacher zu ernten sind.

Höhepunkt der Wanderung war für viele Teilnehmer die Schlossführung mit Albrecht Graf von und zu Egloffstein. Die Herren von Egloffstein waren über Jahrhunderte prägend für den Ort Kunreuth. Ds Kunreuther Wasserschloss zählt zu den schönsten Schlössern der Fränkischen Schweiz, ist in Privatbesitz und daher leider nicht öffentlich zugänglich. Umgeben wird es von einem 2 m tiefen Burggraben. Graf von und zu Egloffstein fesselt sein Publikum mit Anekdoten aus dem gräflichen Leben: Er erinnert sich daran, dass der Besitz nach der Völkerschlacht bei Leipzig und der damit verbundenen Niederlage Napoleons im Jahr 1813 so zusammengeschrumpft war, dass man nur ein Pferd hatte, um 2.000 Hektar Land zu bestellen. „Die Damen von Egloffstein waren nach 1813 so arm, dass sie sich mit Handarbeiten Geld dazu verdienen mussten“, resümiert der Schlossbesitzer. Er führt um das Schloss herum und lässt auch einen Einblick in das Schlossarchiv zu. Stolz ist er auf seinen Treppenaufgang im Innenhof. Die mächtigen Eichen, die hier verbaut wurden, stammen größtenteils aus dem eigenen Wald.

Nach so viel Geschichte und einem gräflichen Crashkurs in Denkmalschutz kehren wir ein im Gasthaus zum Schloss. Hier erwartet uns eine bodenständige Landküche von Heidi Derbfuß:

  • Tagliatelle mit gebratenem Spargel Foto: Corinna Brauer Gscheitgut

    Tagliatelle mit gebratenem Spargel Foto: Corinna Brauer

    Hirschkalbsragout mit hausgemachten Spätzle,

  • Frische Tagliatelle mit gebratenem Spargel, Kirschtomate und Bärlauch
  • Knusprig gebratener Schweinsbauch mit Kloß und Salat

Heidi Derbfuß führt den traditionsreichen Gasthof bereits in 5.Generation. Typisch regionale Gerichte wie das Schäufele werden bei ihr nach wie vor im Holzofen zubereitet. „Das ist ehrliche Handarbeit, braucht seine Zeit und funktioniert nicht auf Knopfdruck,“erzählt die Gastgeberin. Sie legt Wert auf heimische Küche, der Apfelsaft, den sie heute ausschenkt, stammt beispielsweise von den eigenen Apfelbäumen.

Zum Nachtisch serviert uns die Wirtin einen frisch gebackenen Rhabarberkuchen und die Nürnberger Autorin Susanne Reiche entführt uns weiter in die spannende Welt des „Fränkischen Pestos“.

Wie es weitergeht? Das werden wir an dieser Stelle nicht verraten, doch nach dem Mittagessen begeben auch wir uns auf eine Kräuterexpedition: Annette Gutensohn-Dokupiel stellt uns die ersten Frühjahrskräuter vor. Ihre Apotheke ist die Kräuterwiese, wo Wilder Schnittlauch, Labkraut, Wiesenschaumkraut und Gundermann wachsen.

Vorbei an blühenden Obstbäumen geht es zurück in die Dorfmitte zum Kommunbrauhaus Kunreuth, das im Jahr 2020 durch viel ehrenamtliches Engagement entstanden ist. Bürgermeister Ernst Strian und sein Vereinskollege Horst Franke haben den einstigen Leerstand wiederbelebt und einen Ort geschaffen, der die Dorfmitte von Kunreuth wiederbelebt. Bürgermeister Strian verspricht, dass in zwei Monaten die ersten Brauseminare stattfinden werden. Eine kleine Führung durch die Brauanlage und eine Kostprobe des Bieres runden diesen Genusswandertag ab.

Die Gscheitgut-Wanderungen sind eine Kooperation der VHS Forchheim mit dem Gscheitgut-Verein. Finanziell unterstützt werden sie seit dem Jahr 2020 durch die Sparkasse Forchheim. Ziel ist die Schaffung von „Genusserlebnissen“ durch die Verbindung traditioneller Gerichte aus Regionalprodukten mit fränkischer Kultur. Vier Mal pro Jahr finden die Wanderungen im Gebiet der Fränkischen Schweiz statt. Mit dabei ist immer ein Gscheitgut-Gasthof, der regional und saisonal kocht.

Hier noch drei Veranstaltungshinweise

Die nächste Gscheitgut-Wanderung findet am Samstag, 30.04.22 statt und führt durchs Wiesenttal. Anmeldungen sind möglich bis zum Donnerstag, 28.04.22. Weitere Infos gibt es unter https://www.gscheitgut.de/news/autorenwanderung-durchs-wiesenttal.html

Am Wochenende 21./22.05.22 findet der Scheunenfrühling in Kunreuth statt. Mit Livemusik, Kinderprogramm und einem Feuerwerk.

Wer beim Kräuterspaziergang Lust bekommen hat, mit Kräutern zu kochen, der meldet sich am Besten am 28.05.22 zum Kräuterkochkurs im Obstinformationszentrum Hiltpoltstein an. Buchbar über die VHS Forchheim.

Weitere Infos zum Verein Gscheitgut gibt es unter https://www.gscheitgut.de/.