HC Erlangen heimste Anerkennung vor einem Millionenpublikum ein

Symbolbild Handball

Am Tag danach erwachte Hamburg, als wäre nichts gewesen. Die Sonnenstrahlen, die der Himmel aus einem klaren, knallblauen Himmel schickte, wuschen das letzte Grau der Nacht aus den Straßen. Geblieben war kaum mehr etwas von der Trauer, von der Enttäuschung – auch kein Kater hatte sich breit gemacht. „Klar tut es weh, wir hätten gern mehr gezeigt, Magdeburg am liebsten in die Knie gezwungen“, hatte Raul Alonso, der Trainer und Sportdirektor am Vorabend noch in die Mikrofone gesagt. Es wirkte fast ein wenig so, als würde der HC Erlangen nach dem 22:30 (13:17) im Halbfinale des REWE Pokal-FinalFour nun in eine kleine Depression stürzen. „Mir tut es vor allem für die wunderbaren Fans leid“, verriet Martin Ziemer, der famose Torhüter, direkt nach dem Spiel. Hinter ihm, da feierte der tosend laute Magdeburger Anhang gerade zum gefühlt x-ten Mal in dieser Saison seine Mannschaft überschwänglich, vorn, da tropfte Ziemer unaufhörlich der Schweiß vom Kinn. Sie hatten alles gegeben, „alles rausgehauen“, wie Ziemer fand, „vieles auch sehr gut gemacht“ – aber sie alle mussten schlichtweg akzeptieren, dass der Bundesliga-Tabellenführer an diesem atemberaubenden Samstagabend vor 13.000 Zuschauern in der brüllend lauten Hamburger Arena nicht vorgehabt hatte, den HC Erlangen auch nur ansatzweise zu unterschätzen.

Doch statt Niedergeschlagenheit gab es Anerkennung, Stolz wich bald der Trauer: Alles gegeben, sich toll präsentiert – das hörte man an allen Ecken dieser Arena über den HC Erlangen, der sich Dank der Live-Übertragung in der ARD einem Millionenpublikum präsentiert hatte. „Wir haben ihnen schon Aufgaben gestellt“, entschlüsselte später Raul Alonso sein Spiel, immer wieder schaltete der HCE wie auf Knopfdruck seine Deckungsformationen um, mal störten gleich zwei Spieler den Magdeburger Spielfluss nur wenige Meter hinter der Mittellinie. Doch die Schrauben, den Sand, die Alonso damit in den geschmierten Angriffsmotor des Kontrahenten kippte, führten nur zu kurzem Stocken – anstatt heiß zu laufen, zu qualmen und zu versagen, überfuhr Magdeburg mit seinem wendigen, biegsamen Hochgeschwindigkeits-Handball einfach alle Gräben und Mauer – wie hoch, wie scharfkantig und wie tief Erlangen sie auch geschaufelt hatte. „Beeindruckend“ fand hernach auch Rene Selke, der Sportdirektor, den fehlerlosen Auftritt des Tabellenführers, „anerkennen“ müsse man die herausragende Klasse des Gegners und „akzeptieren“ nun eine Pokalniederlage, „in der unsere Mannschaft alles gegeben hat, eindrucksvoll kämpfte, sich aber geschlagen geben musste“.

Bis zum 5:5, dem letzten Gleichstand in diesem Spiel, war der HCE noch im Gleichschritt mitmarschiert. Angetrieben von über 1000 mitgereisten Erlangern, von denen die allermeisten hernach gar keine Stimme mehr hatten, so sehr hatten auch sie sich gegen die Übermacht auf der anderen Seite gestemmt. Diese war zugegeben auf den Rängen noch lauter und auf dem Feld schier unbezwingbar aufgetreten – Alonso und Selke sprachen später von einer der besten Mannschaften der Welt –, optisch jedoch sorgte der einzige bayerische Bundesligist bei seinem allerersten Auftritt auf so einer großen, schrillen, grellen Bühne für einen absoluten Höhepunkt des Abends: Als die Mannschaft das Feld betrat, glitzerten und tanzten 800 rote und blaue Fähnchen in den Fanblöcken, die Fans, sie lieferten das prunkvolle Geschenkpapier für „einen historischen Abend für unseren Verein“, wie Rene Selke bewegt von so viel Zuneigung zu Protokoll gab. Auch der Veranstalter, die Handball-Bundesliga, ja sogar das so unaufgeregte Magdeburg, das wie die übrigen Finalturnier-Teilnehmer eine ganze Handvoll solcher Alles-oder-Nichts-Spiele in ähnlichen Atmosphären jede Saison erleben darf, lobten Erlangen „als absolute Bereicherung fürs FinalFour“.

Rein sportlich bekam der große Favorit erst nach dem 8:7 Zugriff auf den tapfer kämpfenden Gast, dem sichtlich beeindruckt von Kulisse und Klasse ein paar technische Fehler zuviel passierten. Rasend schnell ging es auf 9:13, 12:17 davon, obwohl bis zur Pause die Torhüter beider Teams kaum ins Spiel gefunden hatten. Das änderte sich nach Wiederanpfiff, sowohl Jannick Green wie auch Thomas Ziemer bekamen immer häufiger Hände und Füße an den Ball, die Probleme. Kraftvoll, energisch und mit emsiger Beinarbeit schloss der Underdog defensiv nun seine Lücken, zeitweise verhalf Ziemer das zu einer Quote von über 35 Prozent gehaltener Würfe. „Die Energie hinten sorgte dafür, dass sie vorne etwas verloren ging“, sagte Raul Alonso. Vergebene Torchancen bestrafte Magdeburg eiskalt. So durfte der Favorit ohne großes Zittern der Schlusssirene entgegenrennen, „ich bin überaus erleichtert, Erlangen hat uns vor allem in der ersten Hälfte alles abverlangt“, verriet Bennet Wiegert, Magdeburgs Trainer, nach der Partie. Auch wenn die erträumte sportliche Sensation damit ausblieb: Auch Erlangen durfte so am nächsten Morgen stolz und voller Glück erwachen. Die Sonne über Hamburg, sie strahlte auch für den HCE.

HC Erlangen: Ferlin, Ziemer
Sellin 2, Jaeger, Overby, Fäth 3, Firnhaber 1, Büdel, Bissel, Metzner 5, Link, Jeppsson 6/2, Steinert 1, Leban, Olsson 1, Zechel 3.

SC Magdeburg: Green, Jensen
Chrapkowski, Musche 2, Kristjansson 5, Pettersson, Magnusson 6/3, Hornke 1, Weber 2, Gullerud 1, Mertens 4, Saugstrup 2, O’Sullivan 3, Bezjak, Smits 3, Damgaard 1.

Schiedsrichter: Grobe, Kinzel; Zuschauer: 13.000; Zeitstrafen: 6 – 5; Siebenmeter: 2/3 – 3/4 .