Kanu-Streit Wiesent: BN wünscht sich baldige Entscheidung des Bayreuther Gerichts
Mitte 2021 legte der BUND Naturschutz erneut Klage gegen die vom Landratsamt Forchheim erlassene Schifffahrtsgenehmigung auf der Wiesent beim Verwaltungsgericht Bayreuth ein. Die in der Verordnung vorgesehenen Regelungen zum Naturschutz reichen in keiner Weise aus. Nun kommt die Kanusaison näher, und es steht zu befürchten, dass das Auf-Zeit-Spielen des Landratsamtes Forchheim wieder aufgeht und es keine rechtliche Klärung gibt.
Der BN hat das Gericht deshalb gebeten, die Verhandlung anzusetzen und rasch zu einem Urteil zu kommen.
„Uns geht es darum, das das Kanufahren und der Naturgenuss auf der Wiesent naturverträglich stattfinden, dazu braucht es rasch eine gerichtliche Klärung. Hier sind wir uns mit dem Bayerischen Kanuverband völlig einig. Bei anderen bayerischen Flüssen wie der Isar gibt es dieselben Debatten – und denselben Druck zur Regelung. Vermutlich braucht es eine Art Kanuführerschein, damit alle beim Kanufahren die Regeln zum Schutz der sensiblen Lebensräume kennen und auch einhalten“, so Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BN.
„Wie in den vorherigen Jahren war auch das Jahr 2021 für das Ökosystem der Wiesent in der Fränkischen Schweiz wieder kein gutes Jahr. Ein erhöhter Freizeitdruck in Kombination mit niedrigen Pegelständen hat den Druck auf das europäischen Flora-Fauna-Habitat und das Vogelschutzgebiete der Wiesent dauerhaft verstärkt“, unterstreicht Dr. Ulrich Buchholz, 1. Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Forchheim.
„Wir sind mittlerweile zur Überzeugung gelangt, dass das Landratsamt und die gewerblichen Bootsverleiher gemeinsam auf Zeit spielen. Die aktuelle Schifffahrtsgenehmigung läuft Ende September 2022 aus. Ein Verfahren gegen eine ausgelaufene Genehmigung wäre dann ebenfalls am Ende und es hätte sich trotz unserer erheblichen Anstrengungen, auch finanziell, absolut nichts getan, um den schlechten Zustand an der Wiesent für die Flora und Fauna unserer Heimat zu verbessern“, so Christian Kiehr, Vorsitzender der Ortsgruppe Ebermannstadt-Wiesenttal.
Unterstützt wird der BUND Naturschutz in seinem Vorgehen vom Bayerischen Kanuverband (BKV) und vom Landesbund für Vogelschutz (LBV).
Hintergrund:
Nachdem das Landratsamt Forchheim im Jahr 2019 eine Schifffahrtsgenehmigung für den gewerblichen Bootsverleih ohne entsprechende Verträglichkeitsprüfung nach der europäischen Flora-Fauna Habitat-Richtline ausgestellt hatte, legte der BUND Naturschutz Klage ein. Der Naturschutzverband hatte davor mehrfach ergebnislos versucht, das Landratsamt zu mehr Schutzanstrengungen und angemessener Überwachung zu bringen.
Ein vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth geschlossener Kompromiss führte dazu, dass 2021 endlich Verträglichkeitsuntersuchungen vorgelegt wurden. Allerdings kamen die zu dem für den BN erstaunlichen Ergebnis, dass „keine erheblichen Beeinträchtigungen“ durch den gewerblichen Bootsverkehr verursacht würden. Der BUND Naturschutz hatte die Gutachten mit Hilfe von Fachleuten und der Rechtsanwältin Ursula Philipp-Gerlach geprüft und kam zu ganz anderen Ergebnissen:
- Für das FFH-Gebiet wertbestimmende Arten wie die Äsche wurden nicht betrachtet. Das gilt auch für weitere Arten.
- Ein Gutachten des Büros sje – Ecohydraulic Engineering aus Stuttgart im Auftrag der Bezirks-Fischereifachberatung Oberfranken (Titel: „Untersuchung zur Beeinträchtigung von Fischhabitaten in der Wiesent durch Bootsbefahrung“) zeigt, dass erhebliche Auswirkungen auf die Fische der Wiesent bestehen. Unterschiede gibt es z.B. in der Besiedlungsdichte wichtiger Fischarten in Strecken mit und ohne Bootsbefahrung. Das Gutachten floss kaum in die Verträglichkeitsuntersuchungen ein.
- Ein von der Firma IVL Röttenbach im Jahr 2017 erstelltes Gutachten belegt die erheblichen Auswirkungen auf die Unterwasservegetation durch v.a. ungeübte Kanufahrer*innen. Es wurde praktisch ignoriert.
- Keine Beachtung findet die Pflicht der Behörde, den Übergang der Lebensraumtypen des FFH-Gebiets vom derzeit schlechten in einen günstigen Erhaltungszustand zu fördern.
- Mit Blick auf den Eisvogel erlauben die vorliegenden Daten z. B. keinen Hinweis darauf, dass bei gewerblichem Bootsverleih der Erhaltungszustand sich bessert und nicht weiterhin konstant in der schlechtesten Stufe bleibt.
- Verschiedene Arten des Vogelschutzgebietes wurden nicht betrachtet, obwohl es Beobachtungen dazu gab, z. B. der Flussregenpfeifer und der Waldwasserläufer.
- Die vorgesehenen als „Schadensbegrenzung“ betitelte Maßnahmen wie Einbringung von Totholz, größeren Steinen, Nisthilfen für den Eisvogel oder Gehölzanpflanzungen legen bereits nahe, dass alle Akteure von Schädigungen durch den gewerblichen Bootsverkehr ausgehen.
Trotz dieser Einwendungen des BN erteilte das Landratsamt Mitte 2021 dann wieder Genehmigungen für den Bootsverleih mit nur geringen Auflagen. Dagegen klagte der BN im Juni 2021 vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth erneut. Von den in den Auflagen genannten Maßnahmen wurde 2021 keine umgesetzt.
„Die drei gewerblichen Kanuverleiher an der Wiesent haben 2021 sogar selbst Klage gegen die Schifffahrtsgenehmigung eingelegt. Sie beklagen damit ihr eigenes Kanukonzept, das vom Landratsamt aufgegriffen und der Genehmigung 2021 zugrunde gelegt worden war. Die Verleiher zeigen, dass die Belange des Naturschutzes für sie keine Rolle mehr spielen“, sagt Christian Kiehr, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Wiesenttal.
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