Offener Brief der SPD Bayreuth an den Staatsminister des Innern, Herrn Joachim Herrmann

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Betreff: Ihre Äußerungen bezüglich der angestrebten europäischen Asylpolitik durch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser

Sehr geehrter Herr Staatsminister,

mit Entsetzen haben wir Ihre Äußerungen bezüglich der Absicht der neuen Bundesinnenministerin, Nancy Faeser, eine Koalition von EU-Staaten zur Aufnahme Geflüchteter zu schmieden, zur Kenntnis genommen. Zitat: „Jedes Signal, noch mehr unqualifizierte Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen zu wollen, ist fatal. Es wird die Sozialkassen belasten und zugleich das Erreichen der Klimaziele erschweren.“

Als CSU-Mitglied können und müssen Sie in der Opposition die Arbeit der neuen Bundesregierung kritisieren – das ist uns bewusst. Allerdings ist die Art und Weise, wie Sie das tun, für uns vollkommen inakzeptabel. Nicht nur dass Sie Flüchtlinge per se als unqualifiziert darstellen, Sie ziehen auch noch als Begründung die Belastung der Sozialkassen heran. Sie stellen heraus, dass die Aufnahme Geflüchteter dazu führen kann, dass die Sozialkassen weniger Geld zur Verfügung hätten und in der Folge weniger Geld für Sozialleistungen an deutsche Bürger*innen zur Verfügung stünde. Damit lenken Sie in der Folge Ablehnung deutscher Bürger*innen, die Gelder aus den Sozialkassen erhalten, auf Geflüchtete und fördern Rassismus. Wir fordern Sie auf, zukünftig von einer derartigen Wortwahl Abstand zu nehmen.

„Die Reduzierung komplexer politischer Sachverhalte auf ein einziges Thema, in der Regel bezogen auf eine Minderheit im Land, ist ein tradiertes Mittel des Faschismus.“, sagte einmal der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz. In der Regel ist das auch jedem bekannt. Was Sie allerdings mit Ihrer Wortwahl tun, ist komplexe politische Themen (Belastung der Sozialkassen & Erreichen der Klimaziele) auf eine Minderheit (Geflüchtete) zu beziehen. Wir fordern Sie auf, sich für Ihre Wortwahl bei allen in Bayern lebenden Geflüchteten öffentlich zu entschuldigen. Sollten wir Sie missverstanden haben, fordern wir Sie auf, sich zu korrigieren und zu erklären.

Von einem Staatsminister erwarten wir, sich seiner Verantwortung jederzeit bewusst zu sein, auch was die Wahl seiner Worte angeht. Wir erinnern uns: Sie haben Roberto Blanco bezogen auf seine dunkle Hautfarbe einmal einen „… netten N****!“ genannt. Wir hatten gehofft, dass sich bei Ihnen durch den darauffolgenden öffentlichen Aufschrei Besserung eingestellt hat – offensichtlich haben wir uns geirrt. Sie scheinen sich bei der Wahl Ihrer Worte immer noch gern am äußerst rechten Rand zu bewegen.

Wir möchten weiterhin auch noch einmal an die CSU-Kampagne im Landtagswahlkampf 2018 erinnern. Die Partei hatte damals versucht, durch kopieren bestimmter AfD-Verhaltensweisen (wie etwa das o. g. Beziehen komplexer Themen auf Minderheiten im Land durch Wortneuschöpfungen wie etwa „Asyltourismus“) höhere Umfragewerte zu erzielen – und fuhr in der Folge eines der schlechtesten Wahlergebnisse in ihrer Geschichte ein. Es folgte die Einsicht, dass diese Art und Weise falsch war und man zukünftig so nicht mehr argumentieren wolle. Nun ist die CSU wieder an einem Punkt mit schlechten Umfragewerten und versucht augenscheinlich wieder, durch kopieren der AfD andere Wähler*innenschichten zu erreichen. Sie haben als Partei komplexe Sachverhalte auf eine Minderheit bezogen und tun es heute schon wieder. Wir fordern Sie auf, hiervon zukünftig Abstand zu nehmen.

Abgesehen davon bewegen sich Ihre Worte nicht nur am rechten Rand, sie sind noch dazu äußerst unchristlich. Papst Franziskus selbst hat die Länder zur Aufnahme Geflüchteter aufgefordert. Insofern widersprechen Sie als bekennender Katholik Ihrem eigenen Kirchenoberhaupt. Es ist nicht unbegründet, wenn die CSU, die eine christliche Partei sein will, immer mehr als unchristlich wegen fehlender Nächstenliebe wahrgenommen wird – sei es bei der Aufnahme Geflüchteter oder der Argumentation, dass die Bibel nur die Ehe zwischen Mann und Frau akzeptiere. Vielen Geflüchteten wird, auch in Bayern, das Kirchenasyl gewährt. Eine breite Mehrheit bayerischer Pfarrer*innen und Priester*innen leben und befürworten die Nächstenliebe in ihren Predigten – und viele Angehörige christlicher Gemeinden sind CSU-Mitglieder. Sie bringen mit so unchristlichen Ansichten demnach viele CSU-Mitglieder in einen Konflikt mit ihrer Parteimitgliedschaft und ihrer Gemeinde und schaden damit letztlich vor allem sich selbst.

Wir hoffen, dass Sie sich der Wahl Ihrer Worte zukünftig etwas bewusster sein werden und verbleiben

mit freundlichen Grüßen
Roland Keil, Vorsitzender SPD-Stadtverband Bayreuth
Sebastian Kropp, stellv. Vorsitzender SPD-Stadtverband Bayreuth