Forscher aus Bayreuth und Erlangen veröffentlichen neue Studie – Abkühlungsperioden bewirkten Evolutionsschub
Die Temperaturen auf der Erde hatten einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der Evolution. Eine besonders hohe Zahl neuer Arten von Meerestieren entstand nach erdgeschichtlich kurzen Abkühlungsperioden, denen bereits eine weitaus längere Abkühlungsperiode vorangegangen war. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Universitäten Bayreuth und Erlangen-Nürnberg in einer neuen Studie, die jetzt in der Zeitschrift PNAS erschienen ist. Durch Kombinationen von empirischen Daten und Computersimulationen haben sie herausgefunden, dass der Einfluss eines raschen Klimawandels auf die Biodiversität erheblich von länger währenden Klimatrends in vorhergehenden Abschnitten der Erdgeschichte mitbestimmt wird.
Aufgrund einer Fülle erdgeschichtlicher Daten ist bekannt, dass es im Verlauf der Erdgeschichte mehrere lang andauernde Eis- und Warmzeiten gegeben hat. Die Forscher in Bayreuth und Erlangen haben nun diese Perioden in Langzeit- und Kurzzeittrends unterteilt, um den Effekt der Temperaturschwankungen auf die Artenentstehung zu erforschen. Die Kurzzeittrends hatten hierbei jeweils eine Dauer von rund sechs Millionen Jahren und können auf geologischen Zeitskalen als Klimawandel beschrieben werden.
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit zeigen: Der Einfluss des jeweiligen Klimawandels auf die Artenentstehung wird erst deutlich, wenn man die langzeitlichen Temperaturtrends vor dem Klimawandel mit einbezieht. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Entstehung neuer Arten kommt, um fast 28 Prozent, wenn auf eine lange andauernde Abkühlung eine kurzzeitige Eiszeit folgt. Tritt eine kurzzeitige Eiszeit allerdings nach einer lang andauernden Erwärmung ein, steigt die Wahrscheinlichkeit nicht an.
Die durch Computersimulationen gestützten Berechnungen werden durch fossile Funde und paläoklimatische Daten bestätigt. So kam es in der Erdgeschichte immer zu einem ungewöhnlich hohen Anstieg neuer Arten von Meerestieren, wenn nach einer langzeitlichen Abkühlung eine Eiszeit eintrat. Die Autoren der Studie erklären diesen Hype der Evolution dadurch, dass die Folgen der eiszeitlichen Abkühlung durch die Nachwirkungen der vorangegangenen langen Abkühlungsperiode verstärkt wurden. „Die Kombination der gleichgerichteten Klimaentwicklungen bewirkte eine verstärkte Absenkung der Meeresspiegel. Insbesondere vor Festlandsküsten und in der Nähe von Inseln wurden die Meere so flach, dass viele der hier lebenden Meerestiere nicht oder nur selten ins offene Meer hinausschwimmen konnten. Ihre Mobilität war erheblich eingeschränkt. Infolgedessen waren weit verbreitete Populationen, die der gleichen Gattung oder Spezies angehörten, während vieler Millionen Jahre voneinander abgeschnitten und isoliert. So konnten sie sich unabhängig voneinander weiterentwickeln und ausdifferenzieren. Küstennahe Meeresbereiche mit niedriger Wassertiefe wurden so zu Hotspots der Evolution“, erklärt Gregor Mathes M.Sc., Erstautor der neuen Studie.
Die neuen Forschungsergebnisse zeigen beispielhaft, dass der Einfluss eines kurzfristigen Klimawandels auf die Biodiversität nur dann realistisch eingeschätzt werden kann, wenn auch längere erdgeschichtliche Zeiträume berücksichtigt werden. „Unsere Berechnungen haben ergeben, dass kurze Abkühlungsperioden, die auf einen langen Temperaturanstieg folgen, eine deutlich schwächere Antwort der Evolution nach sich ziehen“, sagt Mathes. Bereits im Januar 2021 hat das Team aus Bayreuth und Erlangen in einer anderen Studie nachgewiesen, dass es nicht zuletzt auch vom erd- und klimageschichtlichen Kontext abhängt, wie sich kurze Temperaturanstiege auf das Aussterberisiko von Arten auswirken.
Das Forschungsteam aus Bayreuth und Erlangen ist Teil der Forschungsgruppe TERSANE („Temperature-Related Stresses as a Unifying Principle in Ancient Extinctions“), in der Wissenschaftler*innen aus ganz Deutschland Zusammenhänge zwischen der Biodiversität und klimageschichtlichen Prozessen erforschen.
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