Bayreuths Straßenkataster soll weiblicher werden

Personen auf dem Foto von links nach rechts: Valentina-Amalia Dumitru (Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen - AsF Unterbezirk Bayreuth), Anette Kramme (Mitglied des Bundestages und parlamentarische Staatssekretärin), Sebastian Kropp (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung- AG SPDqueer Oberfranken)

Personen auf dem Foto von links nach rechts: Valentina-Amalia Dumitru (Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen – AsF Unterbezirk Bayreuth), Anette Kramme (Mitglied des Bundestages und parlamentarische Staatssekretärin), Sebastian Kropp (Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung- AG SPDqueer Oberfranken)

Bayreuth hat sich über Jahrzehnte zu einer weltoffenen, bunten Stadt entwickelt. Wer jedoch einen aufmerksamen Blick auf den Stadtplan wirft oder mit offenen Augen durch die Stadt geht, könnte glatt zu einer anderen Meinung gelangen. Dass nämlich die Herrschaft des Patriarchats immer noch andauert. Zumindest wirkt sie noch immer deutlich und weit überproportional nach. Denn bei der letzten Zählung der über 700 Straßen der Stadt im Jahr 2019 wiesen nur rund drei Prozent entweder
eine weibliche Namensgeberin aus oder enthielten zumindest einen Bezug zu Frauen. Dabei ist der weibliche Anteil an der Wohnbevölkerung allerorts höher als der männliche. Speziell in der Stadt Bayreuth liegt er sogar noch über den Durchschnittswerten des gleichnamigen Landkreises, des Bezirks Oberfranken und auch über dem des Freistaats. Außerdem ist die Stadt recht jung.

Denn umgekehrt liegt das Bayreuther Durchschnittsalter deutlich unter den Vergleichswerten von Landkreis, Bezirk und Freistaat. Die Ursache dürfte im Status des zweifachen Hochschulstandorts liegen. Um dieses außerordentliche Defizit nach und nach zu verringern, erhält die Bayreuther SPD-Stadtratsfraktion dazu aktuell einen innerparteilichen Antrag. Den stellen gemeinsam die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) des SPD-Unterbezirks Bayreuth und die Arbeitsgemeinschaft für Akzeptanz und Gleichstellung (AGqueer) des SPD-Bezirks Oberfranken. Konkret wird die Fraktion aufgefordert, für die nächste Straßennamenvergabe die Hilde-Marx-Straße vorzuschlagen. Zur Ehre und Erinnerung an die deutsch-amerikanische Schriftstellerin und Lyrikerin Hilde Marx. Geboren am 1. November 1911 in Bayreuth, besuchte sie ab 1925 das damalige Humanistische Gymnasium in der Friedrichstraße. Entgegen bereits vorhandener antijüdischer Tendenzen erhielt sie 1929 den Jean-Paul-Preis, mit dem die Stadt Schüler*innen für besondere Leistungen in deutscher Sprache und Literatur auszeichnete.

Nach Zwangsexmatrikulation von ihrer Berliner Universität, ständig zunehmender Drangsalierung und Entzug der Bürgerrechte aller Deutschen jüdischen Glaubens sowie persönlich existentieller Drohung der „Geheimen Staatspolizei“ (Gestapo) mit KZ-Haft emigrierte sie im Winter 1937/1938 in die Tschechoslowakische Republik. Im November 1938 übersiedelte sie schließlich nach New York. Im Jahr 1986 kam Hilde Marx auf Einladung der Israelitischen Kultusgemeinde, der Stadtverwaltung
sowie weiterer Institutionen und Persönlichkeiten nach Bayreuth. Im Christian-Ernestinum hielt sie am 16. Juni einen Vortrag und las zwei Tage später eigene und fremde Werke. Bereits wenige Monate später verstarb Hilde Marx am 4. Oktober 1986 in New York. Der Vorschlag für die Hilde-Marx-Straße würde auch einen lokalen Bezug setzen zum derzeitigen Festjahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Eng mit einbezogen in die innerparteiliche Vorstellung des Antrags wurde die SPD-Unterbezirksvorsitzende Anette Kramme, MdB. Verbunden war dies mit einem Rundgang durch den mittelalterlichen Stadtkern.

Ausgehend vom Marktplatz ging es über die Sophienstraße, die Frauengasse und die Brautgasse zum Ausgangsort zurück. An drei Stationen verwiesen Teilnehmerinnen an Ort und Stelle auf Herkunft beziehungsweise Anlass der Namensbezeichnungen im städtischen Straßenverzeichnis. Ebenso wurden mit Anette Kramme eine Vielzahl von Fragen rund um die Namensgebung erörtert. Dazu zählten unter anderem der rechtliche Hintergrund, notwendige Voraussetzungen an geschichtlichen wie verdienstvollen Bezügen sowie Gleichstellung. Ein gemeinsamer Umtrunk mit Anette Kramme bot endlich wieder einmal die Gelegenheit zu weiteren Gesprächen in geselliger Atmosphäre. Gleichzeitig setzte es einen gemeinsamen gelungenen Schlusspunkt unter das Treffen nach einer langen Pandemie-bedingten Pause.