Bamberger Stadtjugendring und Jugendliche fühlen jugendpolitischen Sprechern auf den Zahn

PoliTalk 2021 – Jugendpolitsche Sprecher:innen der Parteien vor der Bundestagswahl zu Besuch

Der Stadtjugendring Bamberg lud am Donnerstag, 15. Juli hochkarätige jugendpolitische Vertreter:innen der Parteien zum PoliTalk auf das Gelände der Auferstehungskirche ein. Im Vorfeld der Bundestagswahlen und angesichts der dramatischen Herausforderungen unserer Zeit war es das Ziel, zusammen mit den beteiligten Jugendverbänden Evangelische Jugend, Bund der Katholischen Jugend, DGB-Jugend, Christliche Arbeiterjugend, dem Jugendkulturtreff Immer Hin und Vertreterinnen des Bamberger Klimaschutzbündnisses über Gestaltungsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen von Jugendarbeit und vor allem über die wichtigsten zukünftigen Aufgaben von Politik und Gesellschaft zu diskutieren.

Der erfahrene Moderator Sven Stumpf (Bayerischer Jugendring) versuchte es, den jungen Politiker:innen eine klare Position zu den Themenschwerpunkten Soziales (Wohnen, Jugendarbeit, Demokratie) sowie Klima und Umwelt abzuverlangen. Nach einem kurzen Abtasten darüber, welchen persönlichen Bezug die Jungpolitiker:innen zur Jugendarbeit haben und was sie aktuell selbst für Jugendliche tun, mussten Annamarie Bauer (CSU), Arif Tasdelen (SPD), Jessica Klug (FW), Andreas Eichenseher (Bündnis 90 / Die Grünen) , Marco Strube (FDP) und Felix Heinrich (DIE LINKE) schon sehr schnell Farbe bekennen.

Denn Benjamin Lulla (Evangelische Jugend) machte klar, dass zwar dringend Geld für die Jugendarbeit benötigt werde, allerdings müsse das auch von guten Bedingungen begleitet werden. Wenn junge Menschen auch weiterhin befähigt werden sollen, ihre Lebensumstände selbstbestimmt mitzugestalten, dann müssen auch weiterhin Zeiträume in gleichberechtigter Form neben der Schule bleiben. Arif Tasdelen (SPD) bestätigte, dass junge Menschen mehr als nur Schüler seien und lobte die phantastische aktuelle Stunde mit Jugendverbänden im Parlament, Annamarie Bauer (CSU) warnte davor, dass mit 2026 diese Räume durch die Einführung von Ganztagsangeboten der Schulen noch mehr eingeschränkt werden. Marco Strube (FDP) befand, dass vergleichbare Veranstaltungen wie diese auch an Schulen angeboten werden sollten, Felix Heinrich (DIE LINKE) sieht hier den Bedarf von zusätzlichen Freiräumen und einem Jugendparlament. Für Jessica Klug (FW) gab es für die Post-Corona-Zeit drei wichtige Aufgabenfelder: Den Lernrückstand aufholen, Zeit für die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen schaffen und die Zeit nach der Schule sinnvoll zu gestalten. Moderator Sven Stumpf (Bayerischer Jugendring – BJR) betonte, dass die Angebote der Jugendverbände im Kultusministerium in die Überlegungen der Ganztagsangebote mit einfließen müssen.

Stefan Hofknecht (BDKJ) forderte dabei das Subsidiaritätsprinzip ein. Dem stimmten Annamarie Bauer und Arif Tasdelen uneingeschränkt zu. Sie lobten die Vielfalt der Verbände und bestätigten, dass eine größere Wertschätzung und auch finanzielle Unterstützung dauerhaft und nicht projektgebunden gewährleistet sein muss. Dass zukünftig nicht mehr alle Angebote der verbandlichen Jugendarbeit von Ehrenamtlichen geleistet werden können, stellte Jessica Klug fest. Sie fordert zusätzliche Mittel für den Einsatz von Hauptamtlichem Personal, um die immer umfangreicheren Aufgaben abdecken zu können. Hier räumte Bernd Schmitt (AK Jugendarbeitslosigkeit) ein, dass die Hauptamtlichen aber immer den ehrenamtlich Tätigen unterstellt sein müssen, um die selbstbestimmte Jugendarbeit zu gewährleisten.

Bei der Forderung nach einer Herabsenkung des Wahlalters von Dominik Schrepfer (Christliche Arbeiterjugend) ergab sich überraschenderweise ein ziemlich einheitliches Bild, bei dem sich die anwesenden Jungpolitiker:innen zum Teil über ihre Parteiprogramme hinwegsetzten. Unisono war die Meinung, dass eine Herabsetzung auf 16 Jahre nur folgerichtig für eine Einbeziehung von jungen Menschen in die Entscheidungsprozesse für eine lebenswerte Zukunft sei. Warum dies dann nicht umgesetzt werde, hinterfragte Arif Tasdelen mit der Aufforderung, dies doch einfach zum Beispiel auch im Bayerischen Landtag so durch die Regierungsparteien zu beschließen. Dominik Schrepfer untermauerte dies mit der Frage, wieso man Schüler:innen zuerst detailliert auf ihre Aufgaben innerhalb unserer sozialen Gesellschaft vorbereite, sie dann aber so lange auf eine Mitwirkung warten lasse, bis sie dies alles wieder vergessen haben.

Auch die Bedenken von Annamarie Bauer wurden entkräftet, Jugendliche müssten zuerst ausreichend politisch gebildet werden. Denn, so Zwischenrufe aus dem Publikum, dann müssten ja auch Demenzkranke, Coronaleugner oder Reichsbürger nach ihrer Entscheidungsfähigkeit überprüft werden.

Lotta Fröhlich (Bamberger Klimaschutzbündnis) brachte es schließlich auf den Punkt: Es wäre ein ermutigender Schritt für junge Menschen und das Interesse an Politik würde deutlich steigen!
Marco Strube kritisierte hier auch die Konformität der Parteien. Sie sei eines der größten Hindernisse, warum Parteien keine jungen Leute beitreten. Bei der FDP wäre das Wahlalter 16 Beschlusslage, bei den Julis deckt es sich sogar mit den Forderungen des Bayerischen Jugendrings von 14 Jahren.

Paul Hummer von der DGB-Jugend wollte von den Politiker:innen wissen, wie hoch deren Meinung nach der Mindestlohn in der Ausbildung angesetzt werden soll, er forderte als Voraussetzung für die Partizipation von jungen Menschen, dass dieser deutlich höher liegen muss als die aktuellen 550 €.
Arif Tasdelen legte sich hier auf einen Stundenlohn von mindestens 12 € fest, Jessica Kluge plädierte dagegen eher in Richtung bedingungsloses Grundeinkommen, um gerade Familien mit Kindern – die sich generell weniger leisten können – besser mit einzubeziehen. Marco Strube sah eine gerechte Lösung nur dann gewährleistet, wenn ein Mindestlohn orts- und altersabhängig gestaltet würde. Für Felix Heinrich war klar, dass über viele Ausnahmeregelungen nur Mogelpackungen verkauft würden und der Mindestlohn klar bei 13 € die Stunde liegen müsste.

Julia Dada (Landesvorstand Jugend im Bund Naturschutz) wollte wissen, warum in der Umweltpolitik nicht passiert, was wissenschaftlich nötig ist. Sie fragte, inwiefern Lobbyisten bei den Gesetzesentwürfen mit am Tisch sitzen und was eine gute oder schlechte Lobby ausmacht. Marco Strube verwies auf seine eigenen Erfahrungen mit dem Bundestag und auf die entsprechenden Lobbyregister. Andreas Eichenseher forderte einen noch klareren legislativen Fußabdruck, der die Nachverfolgung von Gesetzesvorlagen erleichtert. Was eine schlechte Lobby für ihn ist, stellte Arif Tasdelen mit der „Tandler-Affäre“ mit dem 50-Mio-Euro-Maskendeal klar. Jessica Kluge sah sich bestätigt, dass die Freien Wähler keine Großspenden annehmen und damit ebenso wie Felix Heinrich von den Linken weniger finanzielle Abhängigkeiten schaffen.

Bei dieser Diskussion platzte dann aber Edna Lappen (Bamberger Klimaschutzbündnis) der Kragen: Man kann das Pariser Klimaschutzabkommen nicht nur loben, sondern es ist mehr als höchste Zeit, dieses auch umzusetzen. Welche Vorschläge und Konzepte können die Politiker:innen vorweisen?
Andreas Eichenseher forderte die Energiewende bei Gebäuden, in der Industrie und im Fahrzeugbau ein. Marco Strube widersprach in Teilen und stellte fest, dass die Lösung nicht die Elektomobilität sei. Er wolle das CO² wieder in der Erde binden und diese neuen Techniken zu weltmarktfähigen Exportschlagen entwickeln. Für Felix Heinrich haben der Ausbau des ÖPNV und ein Tempolimit 120 Priorität. Dass vieles erst finanzierbar sein muss, betonte Annamarie Bauer, stimmte aber zu, dass der ÖPNV für jeden leistbar sein muss und aktuell die Preise dafür einfach zu hoch seien. Jessica Kluge sah im Wasserstoffzentrum Nürnberg einen wichtigen Standort, um die Forschung weiter voranzutreiben und zukunftsfähige Lösungen zu erreichen.

Am Ende fasste Benjamin Lulla (EJ) zusammen, dass uns die aktuellen Klimaereignisse zeigen, dass Schluss sein muss mit der Parteipolitik und dass es um ein sofortiges gemeinsames Handeln JETZT gehen muss.

Dem schloss sich die SJR-Vorsitzende Michaela Rügheimer an, bevor sie sich bei allen Mitwirkenden bedankte, die trotz Corona und des wechselhaften Wetters gekommen sind, ganz besonders beim Hausherrn der Auferstehungskirche Pfarrer Christoph Hensler. Sie forderte auf, zusätzliche Mittel bereitzustellen und dem unschätzbaren Wert des Ehrenamtes gerecht zu werden. Junge Menschen müssen auch künftig stärker in politische Prozesse eingebunden werden.