Aus der Bamberger Leserpost: „zum Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Bamberg“
Sehr geehrte Damen und Herren!
Vorbemerkungen
Aufgabe des Verkehrsentwicklungsplans ist, die Weichen für eine zukunftsfähige Mobilität in der Stadt Bamberg unter Berücksichtigung ihrer Anbindung an den Regional- und Fernverkehr zu stellen. Ganz im Sinn der seinerzeitigen Klimakonferenz, die 1992 in Rio de Janeiro stattgefunden hatte, haben auch die Kommunen ihren Beitrag zu leisten, den erforderlichen Dreiklang von ökologischer Notwendigkeit, ökonomischer Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit aktiv zu gestalten (Lokale Agenda 21).
Die aktuelle Politik folgt weitgehend noch immer der Maxime, nahezu unbegrenztes Wirtschaftswachstum erreichen zu wollen, ökologische und gesundheitliche Folgeschäden nur im Rahmen des Unabwendbaren einzudämmen und die materiellen Erträge auf wenige Nutznießer/innen zu konzentrieren. Die betroffenen Menschen mögen sich durch begrenzte, vielfach unzureichend bemessene Maßnahmen zu Immissionsbegrenzung und sozialem Ausgleich für geraume Zeit besänftigen lassen. Der Planet mit seinen endlichen Rohstoffvorräten, begrenzten Aufnahmekapazitäten für Schadstoffe und andere Abfälle sowie nicht vermehrbaren Flächen kann dies nicht. Heutige Versäumnisse werden künftige Generationen auszubaden haben. Soziale Einschnitte und Zerwürfnisse werden umso härter ausfallen, je später die unausweichlichen Schritte zur Umkehr eingeleitet werden.
Tatsächlich muß sich wirtschaftliches wie auch sonstiges Handeln künftig im Rahmen des ökologisch Vertretbaren, der natürlich gesetzten Grenzen abspielen. Die Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft ermöglichte die Schaffung einer solidarischen Gesellschaft: Der Staat setzt Rahmenbedingungen, unter denen das zuvorderst egoistische Streben Einzelner letztlich allen, der Gemeinschaft zu Gute kommt. Schonung der Rohstoffvorräte, weitestmögliche Minimierung der Schadstoff- und Lärmemissionen sowie verantwortungsvoller Umgang mit Freiflächen und (nicht nur) natürlichen Lebensräumen sind Anforderungen, denen sich auch die Ausgestaltung der Mobilität von Menschen und Gütern zu stellen hat.
Mobilität – Fußverkehr
In der Regel sind in deutschen Städten mehr Menschen zu Fuß unterwegs als zur gleichen Zeit mit jedem anderen Verkehrsmittel. Und doch wird die natürlichste Art der Mobilität in ihrer Bedeutung nahezu immer unterschätzt – nicht zuletzt, weil sie nur unzureichend erfaßt und gewichtet ist (www.fuss-ev.de/mobilitaet/starker-fussverkehr):
- Menschen neigen dazu, bei Befragungen kurze Fußwege außer acht zu lassen, sie nicht anzugeben.
- Zu Fuß zurückgelegte Wegeketten, in deren Verlauf sie mehrere Ziele ansteuern und verschiedene Angelegenheiten erledigen, sind häufig nur einfach erfaßt.
- Meist wird bei kombinierter Nutzung allein das zentrale Verkehrsmittel gezählt. Die Fußwege zwischen Start / Ziel und Haltestelle / Bahnhof / Stellplatz fallen unter den Tisch.
- Wer weite Wege, meist mit dem Kraftfahrzeug, zur Erledigung eines einzigen Zwecks zurücklegt, gilt in der Wahrnehmung als mobil. Das Erreichen vieler Ziele in kleinem Umkreis, Ausdruck intelligenter Planung und vielfach auf eigenen Füßen machbar, wird hingegen als wenig mobil gewertet.
Im Bamberger Fußverkehr liegt einiges im argen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Entwicklung des modal split: Zwischen 1997 und 2015 sank der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege an allen Ortsveränderungen von 24 auf 20 %, also um ein Sechstel. Eine nicht unerhebliche Ursache dürfte in der steten Verschlechterung der Nahversorgung zu finden sein, die wiederum ihre Ursache nicht zuletzt im zunehmenden Zwang zur motorisierten Mobilität in Kombination mit erleichterten Einkaufsmöglichkeiten „auf der grünen Wiese“ hat.
Historisch bedingt, weist eine Vielzahl an Gehwegen zu geringe Querschnitte auf, welche gefahrloses, ungehindertes Fortkommen erschweren und die Aufenthaltsqualität merklich mindern. Doch auch breitere Wege sind oft durch Fremdnutzung beeinträchtigt.
- Die verkehrsrechtlichen Mindestanforderungen sind unbedingt zu beachten: Benutzungspflichtige Radwege und auf Gehwegen liegende Kfz-Stellplätze dürfen nur angeordnet werden, wenn der verbleibende Gehsteig ungehinderten Begegnungsverkehr auch mit Rollstuhl oder Kinderwagen ermöglicht und hierzu einen durchgehenden Regelquerschnitt von mindestens 2,50 m aufweist (VwV-StVO – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung, RASt 06 – Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen).
- Jegliche Gehwegmöblierung (Werbeständer, Blumenkübel, Schaltkästen, Freischankflächen, ausgewiesene Fahrradstellplätze, …) ist an dieser Anforderung zu messen.
- Zwingt die Gestaltung des Gehwegs zu bordsteinnahem Gehen, muß die Einhaltung des erforderlichen (und gemäß Straßenverkehrs-Ordnung vorgeschriebenen) Passierabstands durch Kraftfahrzeuge durch entsprechende Fahrbahngestaltung sichergestellt sein. Ist das nicht möglich, kommen Geschwindigkeitsbegrenzungen in Betracht. Zeigen sich rechtliche Hindernisse, soll die Stadt Bamberg im Rahmen ihrer Möglichkeiten, beispielsweise über die kommunalen Spitzenverbände, auf eine Änderung des Rechtsrahmens hinwirken.
- Wo immer möglich, sind anstehende Tiefbauarbeiten zu nutzen, zu schmale Gehwege anzupassen.
Mobilität – Barrierefreiheit
Barrierefreiheit betrifft nicht allein den Zugang zu Gebäuden und Einrichtungen, sondern natürlich auch die Wege in der Stadt selbst:
- Selbstredend bedingt Barrierefreiheit eine ausreichende Dimensionierung der Verkehrs- und Aufenthaltsflächen, wie sie bereits vorstehend erläutert wurde. Die Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen H BVA (W 1), Ausgabe 2011, sehen einen Regelquerschnitt von 2,70 m vor (www.geh-recht.de/fussverkehrsanlagen/42-fussverkehrsanlagen/fussverkehrsanlagen/139-fa-gehwege-gehwegbreiten-).
- Kopfsteinpflaster ist für die Nutzerinnen und Nutzer von Rollstühlen, Rollatoren, Kinderwagen etc. ein äußerst unangenehmer Belag. Die teilweise angelegten Pfade geglätteten Pflasters genügen dem Bedarf in der Regel nicht. Teils bleibt die nutzbare Fläche für die Betroffenen unzumutbar eingeschränkt, teils sind sie – und wenn nur durch stehende, vielleicht sich in Gruppen unterhaltende Menschen – blockiert. Meist reicht ihre Breite für Begegnungsverkehr nicht aus. Etwaigem Denkmalschutz steht mitnichten entgegen, diese Glättung auszuweiten, gegebenenfalls auch über die gesamte Fläche.
- An Fahrbahnübergängen stoßen zwei gegenläufige Bedürfnisse aneinander. Während für Rollstühle, Geh- und Kinderwagen die Nullabsenkung der Bordsteine wünschenswert ist, benötigen Menschen mit beeinträchtigter Sehkraft ertastbare Begrenzungen. Indes ist dieser Interessenskonflikt leicht aufzulösen. Zwei Möglichkeiten bieten sich an: getrennte Bereiche oder Vollabsenkung mit taktil erfaßbarem Relief (Beispiel Kasseler Rollbord): Hessische Straßen- und Verkehrsverwaltung – Leitfaden Unbehinderte Mobilität, 2006; www.nullbarriere.de/profilbeton-querungsbord.htm.
Mobilität – Radverkehr
Mit Wirkung ab Oktober 1997 war die generelle Radwegbenutzungspflicht aus der StVO gestrichen worden. Einer der wesentlichen Gründe war das hohe Unfallrisiko auf diesen Sonderwegen: Im Streckenverlauf gab es – bei jeweils vergleichbarem Verkehrsaufkommen – die fünffache Zahl an Kollisionen zwischen Fußgänger/inne/n und Radfahrer/inne/n gegenüber Straßen ohne Radweg. An Knotenpunkten (Kreuzungen, Einmündungen, Zufahrten) lag die Zahl der Kollisionen Fahrrad / Kraftfahrzeug um rund 50 % höher – bei im Schnitt schwereren Verletzungen.
Inzwischen hat sich herausgestellt, daß das erhöhte Knotenpunktrisiko, wenn auch etwas geringer, bei Radfahr- und sogenannten „Schutzstreifen” ebenfalls besteht. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund anzunehmen, die „protected bike lanes”, baulich getrennte Radfahrstreifen, erbrächten grundsätzlich andere Ergebnisse.
Radfahr- und „Schutzstreifen” bergen wie viele bauliche Radwege zudem das Risiko, daß die Radler/innen mit achtlos geöffneten Autotüren kollidieren. Denn die notwendigen – und eigentlich vorgeschriebenen – seitlichen Sicherheitsräume fehlen meist oder sind deutlich zu klein dimensioniert. Dabei genügen schon die vorgesehenen Breiten nicht den tatsächlichen Anforderungen.
Auch zum fließenden Kfz-Verkehr fehlen Sicherheitsräume. Zwar sind sie – mit Ausnahme von Radfahrstreifen an stark befahrenen Straßen und von baulich getrennten Radwegen – nicht explizit vorgeschrieben. Doch ein Großteil der Kraftfahrer/innen orientiert sich bei der Vorbeifahrt an der Markierungslinie bzw. am Bordstein, passiert unter Mißachtung der rechtlichen Vorgabe manchmal hauteng.
„Beim Überholen von Radfahrern auf den Streifen unterschreitet fast jedes zweite Kraftfahrzeug einen Seitenabstand von 150 cm. Die überholenden Kraftfahrzeuge orientieren sich dabei vor allem an den Markierungen auf der Fahrbahn und reagieren nur unzureichend auf die Position der Radfahrer. … Obwohl die Mehrheit der Unfälle an den Knotenpunkten geschehen, finden sich auf den Streckenabschnitten auch viele Unfälle im ruhenden Verkehr. Viele davon stehen im Zusammenhang mit geöffneten Fahrzeugtüren. Hohe Unfalldichten und Unfallraten zeigten sich insbesondere für schmale Radfahr- und Schutzstreifen sowie für solche, neben denen geparkt wird” („Sicherheit von Radfahrstreifen und Schutzstreifen”, Unfallforschung der Versicherer, April 2019).
Fahren die Radler/innen auf der Fahrbahn und, wie von der Rechtsprechung, sind keine benutzungspflichtigen Radwege oder Radfahrstreifen vorhanden, vorgegeben und gestattet, mit ausreichendem Abstand zum rechten Fahrbahnrand (ca. 0,8 bis 1,0 m), müssen Kraftfahrer/innen also ohnehin die Fahrlinie wechseln, weichen diese in aller Regel auch ausreichend weit aus. Andernfalls haben die Radfahrer/innen nach rechts noch einen „Fluchtraum” zur Verfügung, der ihnen, scharf rechts fahrend, fehlt.
Grundsätzlich ist die Verdrängung der Radfahrer/innen auf fahrbahnbegleitende Radwege oder Radfahrstreifen bzw. auf (rechtlich zur Fahrbahn gehörende) „Schutzstreifen” unter Sicherheitsgesichtspunkten ein Irrweg. Denn die subjektiv vielleicht empfundene Sicherheit täuscht über die tatsächliche Gefährdung hinweg. Schon das erhöht das Risiko zusätzlich. Unterbrechungen etwa durch Bushaltestellen schaffen zusätzlich erhebliche Gefahrenquellen.
Wenn es tatsächlich unumgänglich sein sollte, die Radler/innen von der Fahrbahn zu nehmen, sind zusätzliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit nicht zu vermeiden. Dies gilt im Streckenverlauf, insbesondere aber im Bereich der Knotenpunkte, an denen sich die verschiedenen Verkehrsarten wortwörtlich in die Quere kommen. Schon die Unfallversicherer stellen Mindestanforderungen heraus („Sicherheit von Radfahrstreifen und Schutzstreifen”, Unfallforschung der Versicherer, April 2019):
- „Aufgrund der Vielzahl entsprechender Unfälle sollten, sowohl bei Rad- als auch bei Schutzstreifen, verbindlich Sicherheitstrennstreifen mit einer Breite von 0,75 m zum ruhenden Verkehr markiert werden” (Autotüren sind zwischen 0,8 und 1,5 m breit – die Stadt Bamberg hat noch in jüngerer Vergangenheit trotz rechtzeitig vorgetragener Bedenken neue Markierungen ohne jegliche Sicherheitsräume vorgenommen).
- „Zur Gewährleistung eines ausreichenden Sicherheitsabstands vor vorbeifahrenden Fahrzeugen sollten Radfahrstreifen stets einen Sicherheitstrennstreifen von 0,75 m Breite zur Kfz-Fahrbahn erhalten. …” (Autofahrer/innen müssen innerorts einen Seitenabstand von mindestens 1,5 m einhalten.)
- „Radfahr- und Schutzstreifen sollten jeweils mindestens 1,85 m breit sein” (das entspricht dem derzeit gültigen Regelmaß für Radfahrstreifen, welches in Bamberg vielfach unterschritten ist).
- „Um Radfahrern auf Radfahrstreifen ein sicheres Überholen innerhalb der Markierung zu ermöglichen, sind Breiten von mindestens 2,25 m (inklusive der linken Markierung) erforderlich, da dieser auch beim Überholen nicht verlassen werden darf” (um zum Überholten wenigstens den knappen Abstand von 25 cm einhalten zu können, muß der/die überholende Radfahrer/in selbst bei dieser Breite den Markierungsstreifen mitnutzen, ein zusätzlicher Sicherheitsraum zum Kfz-Verkehr ist demnach unverzichtbar).
- „Bei der Anlage von Schutzstreifen sollte die Breite der verbleibenden Restfahrbahn für den Kfz-Verkehr ferner mindestens 5 m betragen. Die derzeit laut Regelwerk mögliche Kernfahrbahnbreite von 4,5 m ist für das Begegnen zweier Pkw mit heutzutage gängigen Fahrzeugbreiten nicht ausreichend” (für die Einhaltung des Überholabstands zum/zur Radfahrer/in reicht das längst nicht; doch kaum ein/e Autofahrer/in wird angesichts der Markierungslinie vor dem Überholvorgang den Gegenverkehr abwarten).
- „Aufgrund der hohen Anzahl von Verstößen gegen das Park- bzw. Halteverbot auf den Streifen und den daraus resultierenden Behinderungen und Risiken für die Radfahrer müssen entsprechende Verstöße konsequent überwacht und geahndet werden” (bislang wird in Bamberg das rücksichtslose Falschparken auf Gehsteigen und Radverkehrsanlagen, wie vielfach zu beobachten, großzügig geduldet).
Wenig Sicherheit bringt auch die Kreuzungsgestaltung (sogenannte holländische Kreuzung) mit in die Seitenstraße verschwenkten Radwegfurten. Diese war über viele Jahre von den Radfahrverbänden bekämpft worden, da sie aus verschiedenen Gründen das Unfallrisiko spürbar erhöht. Doch auch Fußgänger/innen sehen sie kritisch, da sie u. a. ihren Zeitaufwand für die Straßenquerung vergrößert und zusätzliche Risiken heraufbeschwört (www.fuss-ev.de, www.mobilogisch.de/archiv/archiv-ausgaben/41-ml/artikel/265-niederlaendische-kreuzungen-rechtsabbieger.html): „Interessanterweise wird dieser Lösungsansatz hierzulande v.a. von verkehrsplanerischen Laiinnen und Laien in Initiativen, Blogs, Leserbriefen etc. eingefordert, während die einschlägig ausgebildeten Fachleute ganz überwiegend zurückhaltend bis ablehnend sind. … Der Mischverkehr auf der Fahrbahn war übrigens bei Knotenpunkten ohne LSA besonders sicher. Bei dieser Führungsform verunglückten bei den … untersuchten Unfällen keine Radfahrer/innen auf der Fahrbahn, sondern nur diejenigen, die unrechtmäßig auf dem vermeintlich sicheren Gehweg Rad fuhren (Diskrepanz von subjektiver und objektiver Sicherheit) … zumindest ist das Sicherheitsniveau in den Niederlanden nicht so gut wie oft behauptet” (LSA: Lichtsignalanlage).
Unschwer ist vorstehenden Ausführungen zu entnehmen, daß in Bamberg weitgehend kein ausreichender Raum zur Verfügung steht, die geforderten Querschnitte der Radverkehrsanlagen auch nur annähernd zu realisieren. Geschlossene Netze bleiben jedenfalls Illusion. Eine verantwortbare Verkehrspolitik wird somit nicht umhinkommen, Sicherheit für alle im vorhandenen Straßennetz zu gewährleisten – durch Lenkung und (hier sind auch Polizei und Justiz gefordert, die sich dieser Aufgabe bislang weitgehend entziehen) Überwachung einschließlich Ahndung gefährdenden Verhaltens nicht zuletzt des motorisierten Verkehrs.
Die Ausweisung von Fahrradstraßen kann ein zukunftsweisendes Symbol sein, wenn sie eine fahrradfreundliche Politik unterstreicht. Faktische Unterschiede zu Tempo-30-Zonen bieten Fahrradstraßen allerdings nicht (www.mobilogisch.de/41-ml/artikel/244-fahrradstrassen-neustart.html). Als inhaltsleeres Placebo, welches eine verfehlte Politik kaschiert und schönfärbt, schadet sie mehr als sie nützt. Denn dann entwertet sie die Maßnahme und führt letztlich zu großer Enttäuschung.
Der Grünpfeil für Radfahrer/innen bringt nur wenige Sekunden. Sein Hauptzweck ist dem bisherigen Anschein nach, die Radler/innen zu bewegen, Radwege, für die aus gutem Grund keine Benutzungspflicht angeordnet ist, angeordnet werden darf, doch zu befahren. Denn nur dann können sie den Grünpfeil tatsächlich nutzen. Fußgänger/inne/n beschert er hingegen mehr Unsicherheit (www.mobilogisch.de/41-ml/artikel/274-gruenpfeil-falsches-signal-gelbpfeil.html; www.mobilogisch.de/41-ml/artikel/222-neue-untersuchung-zum-gruenpfeil.html). Damit folgt er seinem Vorbild, dem Grünpfeil für Kraftfahrer/innen: „Sehr verwunderlich ist an dieser Neuregelung, dass zum Grünpfeil ein Verkehrsversuch der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) noch läuft, die Novelle aber beschlossen wurde, ohne auf das Ergebnis zu warten. Nach aller Erfahrung mit dem schon bestehenden Grünpfeil für alle Fahrzeuge missachten 75 Prozent der Nutzer das Gebot, vor Ampel-Überwegen bei Fahrzeug-Rot anzuhalten. Die Überwege werden damit noch unsicherer” (www.fuss-ev.de/?view=article&id=764:minister-scheuer-plant-neue-fussgaenger-schikanen&catid=87).
Mobilität – ruhender Radverkehr
Die letzte Neufassung der Bamberger Stellplatzsatzung hatte bezüglich des Fahrrads lediglich die Mindestanforderungen aufgenommen, die für die Genehmigungsfähigkeit unvermeidbar waren. Eine in die Zukunft gerichtete Perspektive ist ihr nicht zu entnehmen, eine Nachjustierung zwingend vonnöten. Sowohl die Zahl der zu errichtenden Stellplätze an Start und Ziel als auch Anforderungen für Sonderbauformen und Zubehör sind zu ergänzen.
Die weitaus meisten öffentlich zugänglichen Fahrradstellplätze, soweit sie sicheres Anstellen und Anschließen ermöglichen, sind auf Fahrräder der Standardbauform ausgerichtet. Weder für breitere (mehrspurig, Lastenrad) noch für längere (Tandem, Liegerad, Lastenrad, Anhängergespann) Varianten bieten sie ausreichenden Raum. Dem ist bei der ohnehin notwendigen Ausweitung des Angebots ebenso Rechnung zu tragen wie der Überdachung, die an entsprechenden Standorten ein witterungsgeschütztes Beladen ermöglicht.
Mobilität – Finanzmittel für den Radverkehr
Über Jahre war es ein gern genutztes – und richtiges – Argument, Radverkehrsförderung spare Geld: geringere Ausgaben für den sinkenden Kraftfahrzeugverkehr, weniger Bauwerksschäden durch Streusalz und Abgase, vermiedene Gesundheitsschäden in Folge verminderter Schadstoffbelastung, abnehmender Unfallzahlen und vermehrter Bewegung und anderes mehr.
Seit einigen Jahren jedoch fordern Radaktivist/inn/en einigermaßen undifferenziert mehr Mittel für das Fahrrad. Wenngleich dieses Begehren berechtigt ist und – unter dem Strich – noch immer eine deutliche Ersparnis verbleiben kann, ist die Kehrseite der veränderten Gewichtung zu vermerken: Kaum jemand fragt, ob die finanziellen Ressourcen sinnvoll und zielführend eingesetzt werden. Bamberg hat in den letzten Jahren eine Reihe sinnfreier und auch kontraproduktiver Maßnahmen durchgeführt: markierte Einfahrschleusen, die in (besetzten) Parkbuchten enden, schmale Fahrspuren, die für Radfahrer Unfallrisiken heraufbeschwören und gleichzeitig den Autoverkehr beschleunigen, und weiteres.
Künftig ist streng darauf zu achten, daß der Fahrradförderung zugedachte Mittel tatsächlich den Fahrradverkehr fördern, dabei aber nicht zu Lasten der Partner im Umweltverbund (Gehen, öffentlicher Personenverkehr) wirken.
Mobilität – öffentlicher Personennahverkehr
Die vielen seit Jahren bekannten, wiederholt in die Debatte eingebrachten Mängel des Bamberger Busangebots harren dringendst auf Abhilfe:
- zahlreiche zeitliche und örtliche Angebotslücken;
- miteinander unverträgliche Fahrplantakte;
- Brechung nahezu aller Linien am ZOB mit dadurch bedingten, vermeidbaren Umsteigezwängen;
- fehlende Netzbildung mangels verbindender Querverbindungen abseits der Innenstadt;
- unzureichende Haltestellenausstattung und Fahrgastinformation;
- fehlende Vorverkaufsangebote;
- ausbaufähiges Angebot an Kombitickets (Fahr- + Eintrittskarte)
- ansprechendes Marketing mit dem Ziel weiterer Fahrgastgewinnung;
- schwer durchschaubares Tarifsystem (VGN);
- mangelhafte Vernetzung mit der Landkreiserschließung (auch bezüglich der Fahrgastinformation).
Ein Problem der wirtschaftlichen Betriebsführung ist das „tote Ende” vieler Linien ohne Netzbindung. Ringbildung oder Weiterführung bis zu einer möglichen Anschlußhaltestelle bieten Verbesserungsmöglichkeiten, erfordern jedoch wohl auch Anstrengungen, zusätzliche Fahrgäste zu gewinnen, und langen Atem. Denn Mobilitätsgewohnheiten nachhaltig zu ändern, benötigt in der Regel bis zu drei Jahre Zeit.
Die Einführung des 365-€-Tickets oder vergleichbarer Angebote zäumt das Pferd von hinten auf. Die es in Anspruch nehmen können, sind in der Regel schon heute Stammkund/inn/en, benötigen es oft nicht (Schüler/innen, die bereits eine Fahrkarte für den Schulweg besitzen) oder kommen in den Genuß einer weiteren, meist nicht erforderlichen Rabattierung ihrer bisherigen Zeitkarte. Die Gewinnung zusätzlicher Kund/inn/en kann nur gelingen, wenn ein attraktives Linienangebot bereitgestellt wird, das auch bekannt ist. An beidem, dem Angebot und dem Marketing, hapert es derzeit.
Mobilität – Umweltverbund
Der Umweltverbund, die intelligente Vernetzung der menschen-, stadt- und umweltverträglichen Verkehrsarten Gehen, Radfahren, Bahn und Bus, ist bislang ein blinder Fleck in der kommunalpolitischen Wahrnehmung Bambergs. Sichere und attraktive Wege zu allen, nutzer/innen/gerechte Radstellplätze an wichtigen Haltestellen, kalkulierbare Fahrradmitnahme im Bus (vom abweisend-aggressiven Verhalten mancher Busfahrer/innen ganz abgesehen) sowie eine (bis zum Abschluß des Bahnausbaus vielleicht auch provisorische) Lösung des Fahrradabstellens auf der innenstadtzugewandten Seite des Bahnhofs sind alsbald anzugehende Defizite.
Keinesfalls darf Park & Ride am Stadtrand ausgeweitet werden.
„Daß … Park & Ride so überbewertet wird, ist nur erklärbar aus der generellen Autoorientierung, zu deren Fortsetzung Park & Ride auf vielfältige Weise beiträgt:
- Durch Monopolisierung anderswo viel dringlicherer Investitionen für den öffentlichen Verkehr. Denn Park & Ride wird aus ÖPNV-Mitteln finanziert.
- Durch neue Tätigkeitsfelder für den Straßenbau, der die großen Parkplätze, Parkhäuser und die vielfältigen Straßeninfrastrukturen für Park & Ride-Anlagen errichtet. Deutlich wird diese Verzerrung an der Behauptung der Deutschen Straßenliga, für jeden neuen ICE-Bahnhof müßten insgesamt 500 km Straße gebaut werden, damit die Verknüpfung zum Auto gewährleistet werde.
- Durch einen ‚Imagegewinn’ für den Autoverkehr, der durch Park & Ride ‚ein grünes Mäntelchen umgehängt bekommt’.
Das psychologisch Verheerende an Park & Ride und seiner vielfach begeisterten Unterstützung durch Vertreter des öffentlichen Verkehrs ist das indirekt mit dem Konzept verbundene Eingeständnis, daß öffentlicher Verkehr ‚untauglich’ für die Flächenerschließung sei und nur als Rumpf- und Korridorsystem auf hochverdichteten Achsen attraktiv und wirtschaftlich betrieben werden könne. So verschenkt der öffentliche Verkehr wichtige Teilmärkte, ‚amputiert’ seine eigene Bedeutung, liefert wohlfeile Ausreden für eine notwendig autofreundliche Verkehrspolitik und -planung ‚in der Fläche’” (Heiner Monheim: Integration der Verkehrsträger).
Park & Ride muß dezentral in der Fläche erfolgen, an Bahnhöfen und wichtigen Busstationen, die für möglichst viele Nutzer/innen auch ohne Auto, mit Fahrrad oder Pedelec erreichbar sind. Wird der überwiegende Teil des Wegs, vom Start bis zum Stadtrand, mit dem Auto zurückgelegt, bleibt der ökologische Gewinn gering, wird oft durch die negativen Begleiterscheinungen der großen Parkplätze und -häuser (über)kompensiert.
Konsequenterweise ist das Angebot, die P&R-Anlagen sowie den zugehörigen Bustransfer kostenlos (korrekt: auf Kosten der Bamberger Bürgerinnen und Bürger) nutzen zu können, schnellstmöglich zurückzunehmen.
Eine Erleichterung für den Aufenthalt und Einkauf (nicht allein) in der Innenstadt, aber auch den Besuch attraktiver Sehenswürdigkeiten können verschließbare Aufbewahrungsfächer darstellen. Das derzeitige Angebot am ZOB ist daher durch weitere geeignete Standorte zu ergänzen. Ein wichtiges Detail: Während der bezahlten Nutzungsdauer muß wiederholter Zugang ohne Verfall der bezahlten Restzeit möglich sein.
Schlußanmerkungen
Wesentliche Erkenntnis im Bemühen, den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren, ist und bleibt: push and pull – konsequente Attraktivierung des Umweltverbunds begleitet die Rückführung der Infrastruktur fürs Auto. Siedlungsplanung beinhaltet kurze Wege als Zielvorstellung, die Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr ist – anders als heute – von Beginn an mitgedacht. Mobilitätserziehung vermittelt, daß Gehen, Rad-, Bahn- und Busfahren angenehme Möglichkeiten der Fortbewegung sind, der Mensch nicht erst ab Führerscheinerwerb und Autobesitz existiert.
Kampfbegriffe, die den Vorwurf ideologischer Motivation geradezu provozieren, wie „autofreie Innnenstadt“ oder „autofreies Weltkulturerbe“, sind hingegen wenig geeignet, von der Notwendigkeit der Verkehrswende, mehr aber noch von der Attraktivität einer veränderten Mobilitätskultur zu überzeugen. Denn sie betonen selbst, wenn dies nicht beabsichtigt ist, zuvorderst den Verbotscharakter, erwecken den abschreckenden Eindruck der Bevormundung. Sollte der Begriff zudem auch nur annähernd der intendierten Realität entsprechen, träfen die hierzu notwendigen Restriktionen die besonders hart, welche auf Grund ihrer persönlichen Situation (körperliche Einschränkungen, Lage und Anbindung des Arbeitsplatzes o. a.) keine akzeptable Alternative zur Nutzung des Kraftfahrzeugs haben.
Obschon sich die vorstehenden Ausführungen auf den Personenverkehr konzentrieren, darf der Gütertransport nicht aus dem Blickfeld geraten. Einen bezeichnenden Beleg für die derzeitige Schieflage bietet der Bamberger Hafen: 80 % des dortigen Güterumschlags haben mit Schiff und Bahn, die nur eine Nebenrolle spielen, nichts zu tun. Die wiederholten Bemühungen der Stadt, flächenintensive Unternehmen der Lkw-gestützten Logistik, die nur wenige – und vielfach gering qualifizierte – Arbeitsplätze bieten, weisen nicht darauf hin, daß die Fehlentwicklung als solche erkannt ist. Überhaupt fehlt es am Bemühen, sich aus der starken Abhängigkeit von Unternehmen der automobilabhängigen Wirtschaft zu lösen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig, Bamberg-Gaustadt
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