Sonntagsgedanken: „Ich kenne Dich“

Symbolbild Religion

„Dich kenne ich ganz genau, du brauchst mir überhaupt nichts zu erzählen. Ich weiß genau Bescheid; auch über dich!“

Diese Worte kennen wir alle. Mit solchen Worten beginnt ein Gespräch, das eigentlich schon zu Ende ist, obwohl es gerade angefangen hat.

„Ich kenne dich, du brauchst mir gar nichts zu sagen!“,

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel ...

Pfarrer Klaus Weigand (rechts) mit Urmel …

liebe Freude, nichts ist für ein Gespräch tödlicher als die Tatsache, dass es nichts mehr zu sagen gibt, weil das Gegenüber offenbar schon alles weiß. Man braucht ja nichts mehr zu sagen, auch über sich selbst nicht, weil es wohl offenkundig ist: Ich kenne die oder den ja ganz genau.

Gut, es mag sein, dass es Menschen gibt, die sich wirklich so gut kennen, dass sie sich ohne Worte verstehen können, wie z.B. ein älteres Ehepaar, das sich blind vertrauen kann.

Aber in der Regel kennen wir einander eben nicht durch und durch. Und doch kommt uns dieser Satz immer und immer wieder zu leicht über die Lippen. Mit der Behauptung „Ich kenne dich, du brauchst gar nichts zu sagen!“ stecken wir einen anderen in eine Schublade hinein, aus der er so gut wie nicht mehr herauskommen kann. Wir haben unsere vorgefertigte Meinung über den anderen und geben ihm in der Regel gar keine Chance mehr. Mit Sätzen wie „Mit dem ist eh nichts anzufangen!“ oder „Der hat doch noch nie etwas geschafft!“ urteilen wir über andere, ohne sie wirklich zu kennen.

Oder haben wir in deren Inneres geschaut?

Ablehnung zu erfahren, das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass man nicht erwünscht sei oder eh immer alles nur falsch mache, das gab es leider schon und wird es auch immer geben. Selbst Jesus wurde in seiner Heimat ablehnt. Er konnten vielen Menschen seiner Heimat keine frohe Botschaft verkünden, weil er eben nur der Sohn des Zimmermanns war. Man kannte ihn schon. Was sollte der schon Neues verkünden?

Und wo Menschen heute auf Rollen fixiert und in Schubladen gesteckt werden, dort ist im gleichen Zuge auch immer etwas am Sterben: die Freundschaft, die Partnerschaft, die Beziehung zu den betreffenden Menschen.

Wenn unser Leben miteinander gelingen soll, dann muss ich den anderen so nehmen wie er ist.

Unser Miteinander kann nur gelingen, wenn ich den anderen und die Begegnung mit ihm als das erfahre, was es wirklich ist: nämlich immer wieder als eine neue Herausforderung, ein Wagnis, ein Abenteuer, etwas, das sich nie ganz planen lässt, etwas, das immer offen ist für Überraschungen und für etwas Neues, für den anderen eben.

Das macht unser Leben zugegebenermaßen nicht einfacher, das macht es weniger kalkulierbar. Das macht es mit Sicherheit anstrengender; und zwar anstrengender, eine Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen. Ich muss dann ja in dem Bewusstsein leben, dass ich mit dem anderen nie zu einem gefestigten und fertigen Ende komme, dass ich ihn im Grunde jeden Tag erst wieder ganz neu entdecken muss.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen: Menschen, die Sie so annehmen können, wie Sie sind!

Einen gesegneten Sonntag Ihnen.

Klaus Weigand


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Infos zu Pfarrer Klaus Weigand

  • Geboren 1966 in Erlenbach am Main (Unterfranken)
  • Abitur am Theresianum in Bamberg 1989
  • Studium der Kath. Theologie in Bamberg und Wien
  • Priesterweihe 1998
  • Tätigkeiten:
  • Fürth, Christkönig von 1997 – 2010
  • Buckenhofen als Pfarradministrator 2010 – 2015
  • seit 2015 in Heroldbach und Hausen