IHK Oberfranken im Gespräch mit Monika Hohlmeier: „Update Europa“
In Brüssel werden immer mehr EU-weite Entscheidungen getroffen, die auch auf die oberfränkischen Unternehmen unmittelbare Auswirkungen haben. Die IHK für Oberfranken Bayreuth hat das zum Anlass genommen, um unter dem Motto „Update Europa“ aktuelle Europathemen an die Politik zu adressieren. Ansprechpartnerin der virtuellen Sitzung war die oberfränkische Europaabgeordnete Monika Hohlmeier. „Durch die Corona-Pandemie und die in diesem Zusammenhang diskutierten Themen, wie etwa die Beschaffung der Impfstoffe oder die faktischen Grenzschließungen des Binnenmarktes, sind andere Themen in den Hintergrund gerückt , obwohl sie von großer Bedeutung für unsere Unternehmen sind“, betonte IHK-Präsidentin Sonja Weigand in ihrer Begrüßung. Die Europaabgeordnete versprach, bei allen Entscheidungen auf europäischer Ebene die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Auge zu behalten. Drei Themenbereiche hatte die IHK vorbereitet, die durch Experten aus dem IHK-Ehrenamt quasi als „Paten“ eingeführt wurden.
IHK-Vizepräsident Dr. Heinrich Strunz ging zunächst auf die anstehende neue EU-Förderperiode 2022-2028 ein, in der Deutschland deutlich weniger EU-Fördermittel erhalten soll als bisher. In der Folge droht nach seinen Worten ein Fördergefälle von 40 Prozent zwischen Oberfranken und Höchstfördergebieten in der Tschechischen Republik. Das werde insbesondere in den Grenzregionen zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen und im schlechtesten Fall zu einem Rückgang von Investitionen oder gar zu Betriebsverlagerungen. „Wir fordern die deutsche Politik in Land, Bund und EU auf, drohende Nachteile für die oberfränkische Wirtschaft durch Wettbewerbsverzerrungen über Nachverhandlungen zu verhindern. Zudem muss der Freistaat Bayern einen größeren eigenen finanziellen Handlungsspielraum bekommen, um einzelbetriebliche Investitionen in Oberfranken auch künftig fördern zu können“, so Dr. Strunz.
„Es ist völlig inakzeptabel, dass ein Höchstfördergebiet der EU an eine Region grenzt, die ohne Förderung auskommen muss“, kritisierte Monika Hohlmeier den von der EU-Kommission vorgelegten Entwurf für die Neuordnung der EU-Förderung. Die Abgeordnete will sich gegenüber der Kommission dafür einsetzen, die Deutschland zustehenden Förderanteile zu erhöhen. So gewinne der Bund zusätzlichen Spielraum, um zusätzliche Fördergebiete in den Grenzregionen ausweisen zu können. Ziel müsse es sein, das Fördergefälle zur Tschechischen Republik auf maximal 15 Prozent zu begrenzen.
Brexit führt zu Beeinträchtigungen
Einen Impuls zum Brexit und seinen Auswirkungen auf die oberfränkische Wirtschaft gab Stefan Trassl, Geschäftsführer der Sigmund Lindner GmbH in Warmensteinach. Er berichtete von erheblichen Beeinträchtigungen der Handelsbeziehungen seines Unternehmens mit dem Vereinigten Königreich. „Die Probleme betreffen nicht nur unser Unternehmen, denn rund 190 Unternehmen in Oberfranken haben wirtschaftliche Beziehungen nach Großbritannien“ betonte Trassl. Die bayerischen Exporte nach Großbritannien sind 2020 um 18 Prozent eingebrochen, wodurch das Vereinigte Königreich von Platz 5 der bayerischen Handelspartner auf Platz 8 zurückgefallen sei. Konkret leide man derzeit unter erheblich verlängerten Lieferzeiten, deutlich höheren Frachtkosten und erheblichen Problemen mit unerfahrenen britischen Zollbehörden. Insgesamt beeinträchtige die Situation die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen erheblich.
„Alles ist jetzt teurer und umständlicher“, so das Resümee Hohlmeiers zum Brexit. Die britische Regierung unter Premier Boris Johnson habe sich nicht auf den EU-Austritt vorbereitet und so treffe man nun völlig unvorbereitete britische Beamte vor allem bei der Zollabwicklung. Das mache Just-in-time-Lieferungen nahezu unmöglich und führe zu langen Transport- und Standzeiten. Den oberfränkischen Unternehmern machte die Abgeordnete allerdings wegen der unberechenbaren Haltung der britischen Regierung wenig Hoffnung auf schnelle Besserung und faire Wettbewerbsbedingungen. Schon jetzt verstoße das Vereinigte Königreich gegen zentrale Punkte des ratifizierten Übergangsvertrages und nutze die Sonderrolle Nordirlands zum eigenen Vorteil. „Wir müssen hart verhandeln, denn die Briten vertreten die Position ‚Wir profitieren, aber die EU zahlt‘ „, so Hohlmeier.
„Green Deal“ darf kein „Green Kill“ werden
Als dritten Themenkomplex führte Bernd Hörauf, Geschäftsführer der Gerresheimer Tettau GmbH aus Tettau in die Folgen des „Green Deal“ für oberfränkische Unternehmen ein. Mit dem Green Deal verfolge die Europäische Union das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein und das Wirtschaftswachstum in der EU von der Ressourcennutzung abzukoppeln. Das führe zu enormen Herausforderungen für die Wirtschaft, insbesondere für die industrielle Produktion. „Wir müssen aufpassen, dass aus dem ‚Green Deal‘ kein ‚Green Kill‘ wird“, mahnte Hörauf. Schließlich müsse man auf der einen Seite die erneuerbare Stromerzeugung, die Stromnetze und die Forschung in innovativen Zukunftstechnologien, wie der Wasserstofftechnik, massiv ausbauen, zugleich aber auf der anderen Seite den betroffenen Unternehmen im Übergang beistehen. „Eine neue Glaswanne mit Umfeld kann bis zu 30 Millionen Euro kosten und hat eine Laufzeit von 15 Jahren. Betreibt man diese Anlage mit regenerativ erzeugtem Strom und grünem Wasserstoff, bringt das erhebliche Mehrkosten mit sich“, so Hörauf. Die Politik müsse deshalb einen Mehrkostenausgleich bei Schlüsseltechnologien einführen, um das Abwandern der Produktion und damit die Verlagerung der CO2-Belastung zu verhindern.
Die Umsetzung des „Green Deal“ nannte auch Monika Hohlmeier eine Herkulesaufgabe. Die EU-Kommission habe 50 Maßnahmen definiert, um die Klimaziele zu erreichen. Der Umstieg dürfe vor allem im Bereich der Wirtschaft nicht nur ideologisch motiviert sein, sondern müsse verträglich erfolgen. „Wir müssen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Volkswirtschaften im Auge behalten, sonst kommt es zu Verlagerungen, die unserer Wirtschaft schaden, und dabei dem Weltklima auch nicht helfen“, so die Abgeordnete, die sich vor allem für Investitionsprogramme zur Förderung neuer Zukunftstechnologien aussprach. Bisher allerdings sei der Green Deal lediglich ein reines Ideenwerk, das über konkrete Kommissionsentscheidungen erst zu einem Regelwerk heranwachsen müsse. „Alleine einen fairen Emissionszertifikatehandel zu implementieren ist extrem aufwendig, vor allem wenn man die unterschiedlichen Akteure in den EU-Mitgliedsstaaten betrachtet“, erläuterte Monika Hohlmeier.
In ihrem Schlusswort kritisierte IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner die Kurzfristigkeit, mit der manche Entscheidungen von erheblicher Tragweite für die Wirtschaft oft angegangen und umgesetzt werden. „Viele Themen werden lange aufgeschoben und dann zur Unzeit mit äußerst knappen Umsetzungsfristen entschieden“, so Hohenner.
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