Flexibel, effizient, sozial: Bayreuther Forscher*innen untersuchen die Vorzüge von Coworking Spaces
„Coworking Spaces“ sind offen gestaltete Büros, in denen Teams von Unternehmen oder Angehörige freier Berufe zeitlich flexibel, weitgehend selbstbestimmt und oft im wechselseitigen Austausch ihrer Arbeit nachgehen. Im Projekt „Humanisierung digitaler Arbeit durch Cowork-Spaces (Hierda)“ haben Wissenschaftler*innen an der Universität Bayreuth verschiedene Formen der Ausgestaltung und Nutzung von Coworking Spaces untersucht. Die Forschungsarbeiten unter der Leitung von Prof. Dr. Ricarda Bouncken wurden über einen Zeitraum von fast vier Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) mit insgesamt 1,4 Millionen Euro gefördert.
„Auch wenn die Covid-19-Pandemie die Nutzung von Coworking Spaces derzeit weitgehend verhindert, handelt es sich um ein zukunftsweisendes Modell für die Gestaltung von Arbeitswelten, die zunehmend von der Digitalisierung geprägt sind. Coworking Spaces machen es möglich, das berufliche Arbeitsumfeld optimal auf die konkreten Bedürfnisse und Aufgaben von Team-Mitgliedern zuzuschneiden. Damit können sie einen wichtigen Beitrag zur Humanisierung der Arbeit leisten“, sagt Projektleiterin Prof. Dr. Ricarda Bouncken, die an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Strategisches Management und Organisation innehat.
Wie das Projekt gezeigt hat, hängt ein erfolgreiches Arbeiten in Coworking Spaces wesentlich davon ab, dass alle Beteiligten eine Balance zwischen Kooperation, Dialog, individueller Arbeit und vertrauensvoller Distanz finden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Durchlässigkeit (Permeabilität), die von der räumlichen und innenarchitektonischen Ausgestaltung abhängt. Ist sie zu gering, wird der Wissens- und Erfahrungsaustausch unnötig eingeschränkt, und die Vorteile der flexiblen Arbeitswelt bleiben ungenutzt. „Die Durchlässigkeit darf aber auch nicht zu groß sein, andernfalls leidet das Vertrauen der Nutzenden untereinander, weil der Eindruck wechselseitiger Kontrolle entsteht“, sagt Bouncken.
Im Einzelnen lassen sich drei Gruppen von Nutzer*innen unterscheiden: „Utilizer“ nutzen Coworking Spaces hauptsächlich deshalb, weil sie hier bestmögliche Voraussetzungen für die Erreichung eigener beruflicher Ziele vorfinden. Für die „Learner“ hingegen stehen der Wissenszuwachs und die Horizonterweiterung im Vordergrund, die sich aus dem Austausch mit den Mitgliedern anderer Arbeitsgruppen ergeben. „Socializer“ bevorzugen Coworking Spaces vor allem deshalb, weil sie der Vereinsamung entgehen und die eigene Arbeit mit sozialen Kontakten verbinden wollen.
Charakteristisch für Coworking Spaces ist das Prinzip der „Soziomaterialität“: Soziale Faktoren wie Vertrauen und Teambewusstsein und materielle Elemente – beispielsweise Gemeinschaftsküchen, Telefonboxen, Stillarbeitsräume oder Entspannungsecken – sind in vieler Hinsicht aufeinander bezogen und können in dieser Wechselwirkung das Wohlbefinden und die Motivation der Nutzer*innen steigern. Das Projekt kommt zu dem Ergebnis, dass sich verschiedene Arten von Coworking-Spaces herausgebildet haben: „Corporate Coworking-Spaces“ sind Einrichtungen etablierter Unternehmen, die entweder nur der eigenen Belegschaft zur Verfügung stehen oder darüber hinaus gegen Bezahlung auch von externen Teams genutzt werden können. „Consultancy Coworking-Spaces“ sind gebührenpflichtige Arbeitsumgebungen, die Beratungsfirmen ihren Kunden anbieten. „Independent Coworking-Spaces“ zeichnen sich wiederum dadurch aus, dass sie beliebigen Nutzer*innen offenstehen, die einen Mitgliedsbeitrag an die Betreiberfirma entrichten.
Kooperationen und Forschungsförderung
Das Projekt Hierda startete im April 2017 und konnte Ende 2020 mit einer Reihe von Veröffentlichungen in Fachzeitschriften abgeschlossen werden. Beteiligt waren die Lehrstühle für Strategisches Management und Organisation sowie für Marketing und Innovation an der Universität Bayreuth sowie die Witeno GmbH mit Sitz in Greifswald. Organisatorisch begleitet wurden die Forschungsarbeiten vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Demnächst steht der Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis an: Hierfür werden künftig das Modell eines Coworking Space an der Universität Bayreuth, der „Mini-Digital Dialogue Hub“, genutzt und ebenso ein rund 8.000 Quadratmeter großer Coworking-Space in Greifswald, der sich zurzeit noch im Aufbau befindet.
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