Fortsetzungsroman: “Mamas rosa Schlüpfer” von Joachim Kortner, Teil 33
Der Schatz im Acker
Hedwig hatte gehört, dass es im Nachbardorf Krossen jemanden geben soll, der noch Leinöl hat und es auch verkauft. Außer ihrem unantastbaren Ehering besaß sie keinerlei Wertsachen mehr. Sie musste also auf Betteltour gehen.
Gerade war sie mit Mill beim Ortsausgang angelangt, als der sich von ihrer Hand losriss. Er rannte über den steinhart gefrorenen Acker. Ein unbarmherziger Dezemberwind hatte der Wintersaat über Nacht den schützenden Schneemantel weggeweht.
„Joachim, komm her! Der Bauer wird schimpfm, wenn er dich sieht!“
„Mama, da is was. Ich tu bloß ma kuckn.“
Einen Steinwurf weit vom Feldrand sah sie jetzt auch etwas aus den dürftigen Schneeresten herausragen.
„Mama, komma. Da is ein Topf.“
Ungeübt stakste sie über die frostharten Schollen zu Mills Fundort. Ein klobiger Steinguttopf schaute ein paar Zentimeter aus der Erde hervor. Er war mit mehreren Lagen von kräftigem Pergamentpapier abgedeckt. Jemand hatte es mit vielen Knoten unterhalb des Randes an den Topf hingeschnürt. Ohne zu warten riss der Junge die Abdeckung auf. Es war ein großer Vorratstopf, den ein Unbekannter randvoll mit Schweineschmalz gefüllt und dann vergraben hatte. Die oberste Fettschicht war dunkelgrau verfärbt, aber darunter – reinstes weißes Fett. Beide ruckten jetzt den Topf vorsichtig aus dem Frostboden heraus. Sie hob ihn hoch und hielt ihn fest umklammert, wie man eine Beute hält, die man um keinen Preis mehr hergeben wird.. Sie hätte heulen können. Zum Heulen war es aber zu kalt.
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