Erlebnisse einer Bamberger Mutter mit „homeschooling“
Tag 1
ab heute sind die Schulen wieder geschlossen und die Grundschule versucht einen Mix aus unterschiedlichen Lernplattformen, Apps und Videokonferenztools. Die Bücher und Mappen, die die Kinder in den Ferien über noch unter ihren Bänken hatten, wurden von der Lehrerin dankenswerter Weise in Tüten verpackt und standen zur Abholung im Flur der Schule bereit, mit Aufmunterungs-Schokolade.
Frisch ging man morgens ans Werk. Doch der per Mail geschickte Link führte ins Chaos. Die Software (in diesem Fall Jitsi) war morgens um 09.00 komplett überfordert, wen wundert es? Ich hatte schon vor Wochen beim Schulleiter Bedenken bezüglich der Programme angemeldet. Nacheinander flogen Lehrerin und Kinder aus der „Schulstunde“. Es war gut gemeint, nur leider sind wir digital wohl eher dürftig aufgestellt in Bayern. Mein Kind 1 (4.Klasse) war traurig, dass sie nach so langer Zeit nun doch nicht ihre Klasse wiedersah, denn der Versuch eine Konferenz herzustellen wurde nach 30 min. abgebrochen. Man hangelt sich also am Arbeitsplan entlang. Es stehen Aufgaben in Deutsch, Englisch, HSU und Mathe an. Ohje, was ist das? In Mathe wird ein neues Thema eingeführt. Also bin ich gefragt. Kind 2 „räumt“ derweil das Wohnzimmer auf. Auf der Lernplattform (dem „padlet“) lassen sich, zumindest für mich, zwei Dateien nicht öffnen. Gespräch mit befreundeter Mutter. Bis Kind 1 die Aufgaben durch hat, vergehen 2 Stunden. Gefühlt war es ein Berg Hausaufgaben.
Zwischendurch griff ich noch zum Hörer und informierte mich beim zuständigen städtischen Referenten, welche Lizenzen den Grundschulen in Bayern für den digitalen Unterricht zur Verfügung stehen. Es herrscht irgendwie Verwirrung. Mir widerstrebt es, den Frust bei den Lehrkräften abzuladen, denn mir scheint, dass sie von Regierungsseite ohne einen sinnigen und allgemeingültigen Fahrplan, ohne Handwerkszeug einfach im Regen stehen gelassen wurden. Die digital affinen LehrerInnen sind, weil sie es können, proaktiv und dabei auch kreativ, deren SchülerInnen können sich glücklich schätzen. Nicht auszudenken, was mit den anderen passiert, oder mit denen, die es durch ihre soziale Position eh schon schwerer haben. Sie werden komplett abgehängt. Ich jammere auf hohem Niveau, wenn ich daran denke, dass es Familien gibt, die nicht mal ein funktionierenden Drucker haben.
Tag 2
Ein anderes Tool soll genutzt werden, kriege wir am Abend per Mail mitgeteilt. Da bin ich gespannt. Leider stellt sich der morgens verschickte Link als ein ziemlich toter Link heraus. Wieder Überlastung der Server. Nun passieren gleich mehrere Sachen: Während ich noch denke, es liegt an unserem Rechner und ich mir einen neuen Browser runterlade, um es erneut zu versuchen, schreiben mir schon andere Mütter, dass sie es aufgegeben haben. Ein fachkundiger Vater mailt dem Rektor. Er bietet seine technische Hilfe an. Die Hilfe wird dankend angenommen und man verständigt sich auf einen erneuten Versuch mit wiederum einem anderen Tool am morgigen Tag. Kind 1 bekommt ein Video der Mathestunde, dessen Link auf die Arbeitsplattform gestellt wird. Zumindest sehen sie nun den Lehrer, wenngleich keine Interaktion möglich ist. Ein Highlight war es dann doch. Im Anschluss werden wieder die Aufgaben auf dem „padlet“ erledigt.
Später nehme ich an einer „Zoom-Konferenz“ zum Thema Schulen in Corona-Zeiten eines Grünen MdB teil. Das war wirklich sehr informativ. Es erhärtet sich für mich der Eindruck, dass wir hier auf die Schnelle nur Provisorien schaffen können. Es fehlt an grundlegenden Plänen für diese besondere Situation und auch an dem Handwerkszeug und letzten Endes am Know-How.
Tag 3
Es wird ein Tool benutzt, dass eigentlich nicht für Schulen vorgesehen ist, immerhin ist es stabil. Die Verbindung läuft störungsfrei. Die Kinder haben Spaß am Englischunterricht. 4. Klasse und alle wissen, wie man die Kamera aus und an macht, wie man sich digital meldet und sich einen schönen Hintergrund runterlädt. Ich bin begeistert. 1 Stunde relativ guter Unterricht von einer motivierten Lehrerin. Am Nachmittag dann wieder den Arbeitsplan abarbeiten, aber dann gibt es noch eine Konferenz der Klasse, von einem Elternteil eingerichtet, in der sich die Kinder einfach nur sehen und sich Quatsch erzählen können….oder was man sonst so macht als 9 Jährige. Der Tag ist halbwegs gerettet.
Es bleibt zu hoffen, dass Eltern und Lehrer an einem Strang ziehen, aber vor allem, dass auf politischer Ebene endlich eine Lösung für „Distanz-“ und „Hybridunterricht “angekurbelt wird. Es war doch eigentlich genug Zeit dafür.
Vera Mamerow
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