Stellungnahme der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner zum 3. Bevölkerungsschutzgesetz
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihr Schreiben und der Offenheit mir Ihre Bedenken mitzuteilen.
Vorab bitte ich die allgemeine Anrede zu entschuldigen. Da mich aber zu den Corona-Maßnahmen und speziell zu dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz schon jetzt weit über 3.500 Schreiben aus ganz Deutschland per Mail oder auch per Post erreicht haben, kann ich es mit meinen Mitarbeiterinnen und den Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, nicht bewerkstelligen, jeden Absender persönlich anzuschreiben. Dafür bitte ich um Verständnis. Da ich als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete die Bedenken aber sehr ernstnehme, die an mich herangetragen werden, möchte ich dennoch versuchen jedem zu antworten, der mich angeschrieben hat. Ich werde daher auf die Punkte eingehen, die am häufigsten vorgebracht wurden und hoffe Ihnen damit einige Bedenken nehmen und die oftmals auch unrichtigen Vorwürfe, die derzeit im Umlauf sind, entkräften zu können.
Viele Schreiben erheben gleich zu Beginn den Vorwurf, dass die Bundesregierung und auch die Parlamentarier sich einer Debatte nicht stellen oder keine andere Meinung hören wollen. Das ist nachweislich nicht richtig. Denn auch Sie wurden und werden gehört! Und ich glaube, dass sich dieser Einsatz lohnt, weil unsere Demokratie genau davon lebt, dass sich jeder beteiligen kann und berechtigte Interessen auch vorgebracht werden können. Genau davon haben Sie Gebrauch gemacht. Sie haben sich an mich und viele meiner Kolleginnen und Kollegen gewandt und Ihre Bedenken und Sorgen geäußert. Und Ihre Meinung wurde gehört. Die angeprangerte Veränderung des Infektionsschutzgesetzes in Form des § 28 a IfSG, der der größte „Stein des Anstoßes“ war, wurde vollständig überarbeitet und die Bedenken, die auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages und die Experten in den Anhörungen vorgebracht haben, sind in die Neuerungen eingeflossen. Leider beziehen sich viele der Nachrichten, die mich erreichen, noch immer auf die veraltete Version, die – und da bin ich völlig an Ihrer Seite – unzureichend war. Daher fanden in der letzten Woche und auch an dem vergangenen Wochenende mehrere Sitzungen statt, um mit dem Bundesgesundheitsministerium zu besprechen, wo wir als Parlamentarier Nachbesserungsbedarf sehen. Ich freue mich, dass viele Punkte aufgenommen wurden. Gerne gehe ich auf die einzelnen Neuerungen des Gesetzes ein.
Um es auch einmal so klar zu sagen: wenn ich dem Gesetz wirklich nicht zustimmen würde – wie es ja die Forderung in den Nachrichten ist – dann würde das bedeuten, dass der Status quo erhalten bleibt. Und das kann meiner Meinung nach nicht in unserem Sinne sein. Denn dann dürften die Länder ihre Maßnahmen weiter nur auf dem sehr unspezifischen § 28 IfSG gründen. Dort ist lediglich davon die Rede, dass „notwendige Schutzmaßnahmen“ getroffen werden können, die Grundrechte einschränken können. Derzeit können die Länder also die Verordnungen erlassen – ohne Begründung und zeitliche Begrenzung. Das Gesetz ist ein deutlicher Mehrwert dazu! Die letzten Monate haben gezeigt, dass die derzeitige rechtliche Lange, wenn die Pandemie länger andauert, gerade nicht ausreichend als Grundlage sein kann. Wir als Parlamentarier nehmen den Parlamentsvorbehalt sehr ernst und haben deswegen eine Präzisierung gefordert, die die Bedeutung unserer Grundrechte hervorhebt. Denn nicht ohne Grund wurden einige der Maßnahmen der Länder von Gerichten angegangen. Wir lernen in dieser Pandemie jeden Tag dazu und das Gesetz spiegelt wieder, wo wir noch Nachbesserungsbedarf gesehen haben. Wir haben in dem neuen § 28 a IfSG mehrere ganz entscheidende Punkte geregelt, die auch auf Ihre Bedenken eingehen, die wir aber, wenn wir das Gesetz so nicht verabschieden, nicht haben werden. Entgegen der Vorwürfe, wurden die Kompetenzen der Länder nicht etwa erweitert, sondern es wurde ihnen ein stärkerer Rahmen von unserer Seite gegeben.
1. Die Verordnungen müssen begründen und zeitlich befristet werden!
Oftmals wurden mir in den Schreiben Maßnahmen aus den Länderverordnungen vorgeworfen und mit der Forderung verbunden, diese abzuändern. Aufgrund des Föderalismus, liegen diese aber in Länderverantwortlichkeit. Doch selbstverständlich nehmen wir auch hier den Parlamentsvorbehalt sehr ernst und haben deswegen ganz klare Rahmen und Grenzen für die Verordnungen festgelegt. Die Verordnungen der Länder müssen nun begründet und zeitlich befristet werden. Das war bisher nicht der Fall und hat auch mir als Abgeordnete nicht ausgereicht. Die Menschen vor Ort müssen wissen, welche Grundgedanken eine Verordnung in ihrem Land zugrunde liegen und wie lange diese Maßnahmen gelten.
2. Der Deutsche Bundestag kann die Lage jederzeit beenden.
Dabei gilt immer: sobald die pandemische Lage von nationaler Tragweite beendet wird (auch das geht von uns Parlamentariern aus), enden sämtliche Maßnahmen, die auf dieser Grundlage getroffen wurden. Sie gelten also entgegen der Vorwürfe nicht „für immer“. Das ist nicht in unserem Sinne und wir alle sind froh, wenn wir die Pandemie gemeinsam überstanden haben und wieder zu einer Normalität übergehen können.
3. Die epidemische Lage wird rechtssicher definiert.
In diesem Zusammenhang wurde auch in der Anhörung – zu Recht – eine Rechtsunsicherheit bemängelt, da im Infektionsschutzgesetz die epidemische Lage nicht definiert ist. Auch das ändern wir und verankern in § 5 eine gesetzliche Definition. Hier schaffen wir mehr Klarheit und Rechtssicherheit und lassen hier keine Ungewissheit.
4. Keine unbegrenzte Handlungsvollmacht für die Länder oder die Bundesregierung und keine Abschaffung der Grundrechte!
Auch der Vorwurf, dass die Maßnahmen keine Begrenzung hätten und die Neuerungen eine „unbegrenzte Handlungsvollmacht“ geben, ist falsch. Zu keiner Zeit war auch nur im Entferntesten angedacht, unserer Grundrechte abzuschaffen. Diese sind die Grundlage unserer Demokratie und ich achte diese sehr hoch. Ganz im Gegenteil: Die Befugnisse werden klarer präzisiert und begrenzt und die Grundrechte werden durch die neuen Regelungen im Vergleich zum Status quo gestärkt. Das Parlament wird weiterhin zu jeder Zeit zu Entscheidungen befugt sein. Alle Ländermaßnahmen sind – wie schon erwähnt – zeitlich begrenzt und zu begründen. Ein für mich entscheidender Punkt war es, dass wir den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ganz gezielt adressieren, wenn wir Einschränkungen der Grundrechte andenken. Wir geben den Ländern mit dem neuen Gesetz als Parlament ganz klar vor: Jede Maßnahme muss verhältnismäßig sein und sich daran messen lassen, ob nicht ein milderes Mittel, also eine weniger einschneidende Maßnahme, auch ausreicht, um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Das heißt, dass, wenn es die pandemische Lage zulässt, immer Hygiene- und Schutzkonzepte Vorrang vor einer Schließung der Betriebe haben müssen. Wichtig war mir als Gesundheitspolitikerin, dass das explizit auch im Rahmen der Maßnahmen zur Gesunderhaltung festgeschrieben ist, das heißt u.a. bei Logo-, Ergo-, und Physiotherapiepraxen, ein strenges Hygiene- und Schutzkonzept immer vorzugswürdig zu einer Schließung sein muss. Das führt die Gesetzesbegründung explizit auf.
All diese Grenzen und Vorgaben, die wir mit dem neuen Gesetz geben, sind derzeit so nicht gesetzlich festgeschrieben! Das heißt die Länder haben diesen Rahmen gerade nicht so deutlich vorgegeben. Das macht das Gesetz so wichtig.
Auch führen wir eine Berichtspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag ein und erhöhen somit die Kontrolle des Parlaments.
5. Das Gesetz ist kein Ermächtigungsgesetz für die Länder und das Bundesministerium für Gesundheit!
Die Länder sind befugt in ihrer Zuständigkeit Verordnungen zu erlassen. Dabei präzisieren wir diese Befugnisse und fassen sie – immer im Lichte der Verhältnismäßigkeit – klarer. Wir führen mit dem § 28 a IfSG einen Katalog von Beispielen für Maßnahmen auf. Dabei gehen wir auch nochmal gesondert auf die so wichtigen Grundrechte der Versammlungsfreiheit und der Freiheit der religiösen Zusammenkünfte ein. Denn diese achten wir besonders hoch und haben daher in einem eigenen Absatz 2 nochmal deutlich für die Länder festgeschrieben, dass bei einer Einschränkung in diesem Bereich besonders hohe Hürden zu erfüllen und nur unter besonderen Voraussetzungen Beschränkungen möglich sind. Auch das gab es bisher noch nicht. Ebenfalls betonen wir hier nochmal, dass Ausgangsbeschränkungen und Betretungsverbote für z.B. Altenheime diesen besonderen Voraussetzungen unterliegen.
Zusätzlich kommt es bei den Schutzmaßnahmen darauf an, wie viele Infektionsfälle pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen aufgetreten sind. Denn bei diesen Werten handelt es sich um ein Frühwarnsystem, um den Schutz von Leib und Leben und die Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitssystems weiterhin zu gewährleisten.
Auch das Bundesministerium für Gesundheit bekommt keine Blanko-Vollmacht. Die Verordnungsermächtigung bezieht sich nur auf bestimmte Bereiche und endet auch automatisch am 31.03.2021 beziehungsweise mit dem Ende der epidemischen Lage. Glauben Sie mir, ich nehme hier meine Kontrollfunktion gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium sehr ernst und hinterfrage die Erweiterung von Befugnissen sehr genau.
Ein weiterer der Hauptvorwürfe der Schreiben ist, dass sich das Parlament nicht an dem Verfahren beteilige, keine Diskussionen hierzu führe und die Verantwortung aus der Hand gebe. Das stimmt einfach nicht. Denn der Deutsche Bundestag hat sich von Beginn des Pandemiegeschehens mit der Bekämpfung des Virus und seiner Folgen beschäftigt. Insbesondere durch die Verabschiedung der ersten beiden Bevölkerungsschutzgesetze und zahlreicher Hilfspakete. Wir haben rund 30 „Corona-Gesetze“ beschlossen und rund 70 Debatten im Plenarsaal des Deutschen Bundestages geführt. Uns vorzuwerfen, wir hätten unsere Aufgabe nicht ausgefüllt und nicht gehandelt ist schlicht unredlich und falsch. Als Mitglied des Gesundheitsausschusses habe ich jede Sitzungswoche in der Arbeitsgruppe und dem Ausschuss über die Maßnahmen diskutiert und stand in regem Austausch mit den Landes- und Bundesministerien. Auch in meinem Wahlkreis habe ich mit den zuständigen Stellen, wie den Landratsämtern, den Gesundheitsämtern und auch den Hausärzten und Kliniken Gespräche geführt, um zu unterstützen, wo es möglich war und ist. Ich habe auch bereits nach der ersten Welle Fachgespräche geführt, um unter anderem die Meinung der Ärzte vor Ort zu hören, wo wir nachbessern müssen. Diese wertvollen Erkenntnisse aus der Praxis fließen dann in die Arbeit in Berlin ein. Wir sind also zu keiner Zeit untätig gewesen.
Ein für mich sehr wichtiger Punkt, der auch in vielen Schreiben vorgebracht wurde, ist die Angst vor einer Impfpflicht. Hier möchte ich ganz klar sagen: Es wird keine Impfpflicht für Corona geben!
Ich habe mich schon im Rahmen der Debatte um eine Maserimpfpflicht ganz klar gegen eine solche ausgesprochen und als eine von zwei Unionsabgeordneten auch bewusst gegen diese gestimmt. Ich bin keine Impfgegnerin, aber ich bin gegen einen solchen Zwang. Denn es muss dem Einzelnen überlassen bleiben, ob er sich impfen lässt oder nicht. Das habe ich auch im Rahmen der Vorwürfe einer Corona-Impfpflicht sehr betont und im Gegensatz zu der Masernimpfpflicht, bei der ich keine Mehrheit hinter mit versammeln konnte, stehen hier auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Bundesregierung klar an unserer Seite: Mit uns gibt es KEINE Impfpflicht. Davon war auch nie die Rede. Ich verstehe die Bedenken, die hier aufgekommen sind. Sie sind aber unbegründet.
Das Gesetz schafft lediglich die Voraussetzungen, damit der Impfstoff, wenn er verfügbar ist, all denjenigen schnellstmöglich zur Verfügung gestellt werden kann, die sich impfen lassen möchten. Zu diesem Zweck erarbeitet die Bundesregierung auch ein Impfkonzept, das Leitlinien erstellt, in welcher Priorität sich diejenigen impfen lassen können, die sich impfen lassen möchten.
Die Behauptung, man dürfe nur einreisen, wenn man geimpft sei, ist schlichtweg falsch. Keiner Bürgerin und keinem Bürger wird die Einreise nach Deutschland verweigert, weil keine Impfung gegen das Coronavirus vorliegt. Vielmehr geht es darum, dass Menschen, die geimpft sind, sich auch nach Einreise aus einem Risikogebiet nicht in Quarantäne begeben müssen. Eine Einreise an sich wird nicht eingeschränkt, nur die Quarantäne kann mit der Impfung umgangen werden.
Auch der Vorwurf die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag könnten jetzt zu jeder Zeit auf Grundlage des Gesetzes die epidemische Lage nationaler Tragweite ausrufen, wenn sie wollen auch alleine wegen eines „Schnupfens“ ist falsch und unwahr. Ein schlichter Schnupfen kommt hierfür selbstverständlich nicht in Betracht. Das Coronavirus ist aber kein „schlichter Schnupfen“. Grundsätzlich ist das Virus leicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Zwar verläuft die Erkrankung bei der überwiegenden Zahl der Fälle mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und tödliche Krankheitsverläufe nimmt aber mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu. Das individuelle Risiko kann jedoch anhand der epidemiologischen/statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu
lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, sind derzeit noch nicht abschätzbar. Gerade weil wir noch immer zu wenig über dieses neuartige Virus wissen, muss der Gesetzgeber im Sinne seines Schutzauftrages handeln. Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Unser vorrangiges Ziel ist es, zum einen Leben und Gesundheit zu schützen und zum anderen aber auch eine übermäßige Belastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Das ist selbstverständlich bei einem Schnupfen nicht der Fall.
Abschließend ist es mir wichtig, dass man natürlich als Politik auch den Weg hätte gehen können, es „einfach laufen zu lassen“. Doch wir haben uns politisch dafür entschieden, dass wir versuchen wollen, den Ausbruch des Virus zu kontrollieren, um den Schutz aller zu erhöhen. Und dabei mache ich keine Abstufung, ob es nun wichtiger ist, jungen Menschen oder älteren und vulnerablen Menschen zu helfen. Für mich als Mutter ist es genauso wichtig, dass wir unsere Kleinsten im Blick behalten und hier ganz genau darauf achten, was wir ihnen zumuten können und wie wir sie am besten in dieser Krise auffangen können. Doch auch unsere älteren Mitmenschen und vulnerablen Gruppen, brauchen unsere Unterstützung und dürfen nicht als „Kollateralschaden“ gesehen werden.
Ich kann viele Ihrer Bedenken nachvollziehen, doch ich glaube wirklich, dass das Gesetz Verbesserungen im Sinne des Grundrechtsschutzes und darüber hinaus schafft. Ich hoffe ich konnte dem ein oder anderen etwas die Sorgen nehmen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre Emmi Zeulner
(Wahlkreise Bamberg, Kulmbach und Lichtenfels)
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