Aus der Gößweinsteiner Leserpost: „Verstoßen Schulleitungen und Gesundheitsämter gegen die Bayerische Infektionsschutzverordnung?“

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Seit gut einer Woche steht im Landkreis Bayreuth die Koronaampel auf Rot. Das Gespräch mit einigen Müttern machte mich aufmerksam, welche Folgen dies vor allem für eine besonders sensible Gruppe hat, die Kinder und Jugendlichen in den Kindergärten und Schulen. Die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung (MND) ist zwischenzeitlich im gesamten Schulbereich eingekehrt und wird auch im Pausenhof fortgesetzt. Über die Aussage des Robert Koch- Instituts (RKI) vom 16.10.2020: „Übertragungen im Außenbereich kommen insgesamt selten vor“, setzen sich die Schulen und die es veranlassenden Behörden rigide weg. Eine Erholung der Schüler von dieser Einschränkung während der Pause ist nicht gegeben – auch dort muss der MND getragen werden. Die Fragwürdigkeit der Maßnahme, die, so die Studienlage, bei 25 bis 31% der Fälle eine Infektion vermeidet, also als Maßnahme  die Ausbreitung der Infektion nicht verhindern, sondern nur verlangsamen kann, wird nicht wahrgenommen.

In manchen Schulen wird dennoch der MND allein als Schutz vor einer Infektion gesehen, nicht aber, dass damit für die Kinder – je jünger, umso mehr – verschiedenste seelische und gesundheitliche Belastungen verbunden sind. Nicht zufällig gibt es deswegen Landräte wie in Erding oder Stadtoberhäupter wie in München, die Grundschüler vom Tragen der MND befreit haben. Mir sind Fälle bekannt, wo ärztliche Atteste, die die Kinder schützen sollen, grundsätzlich (!) von den Schulen nicht akzeptiert werden oder entgegen aller Grundsätze der ärztlichen Schweigepflicht mit einer Diagnose versehen werden müssen. Hier haben sich die Schulleitungen (und Gesundheitsämter ?) eine Hoheit über ärztlichen Verordnungen und über Rechtsgrundsätze genommen, die für mich als Arzt untragbar ist! Gleichzeitig verstoßen sie gegen die Bayerische Infektionsschutzverordnung §1 Abs.1, wonach bei glaubhafter Versicherung – also sogar ohne ärztliches Attest -, dass „aus gesundheitlichen Gründen“ das Tragen einer MND „nicht möglich oder unzumutbar ist“, diese Personen „von der Trageverpflichtung befreit“ sind. Bitter ist es, wie Lehrer, die auf der Seite der Kinder ihnen seelische Unterstützung geben sollten, sie stattdessen beängstigen und sich sogar gegen sie stellen. Beeinträchtigt  die fehlende Gesichtswahrnehmung die Kommunikation im Unterricht, so verschärft sich dieses im Kindergarten, wo die Kleinen den Gefühlsausdruck der Erzieherinnen notwendig für ihr stark emotional ausgerichtetes Miteinander brauchen.

Kinder und Jugendliche werden noch immer als Infektionsgefährder wahrgenommen, statt endlich zu begreifen, dass sich „bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen meist eine geringere Empfänglichkeit“ (RKI) für Infektiosität zeigt, die noch weniger bei Kindern im Kindergartenalter gegeben ist. Werden sie infektiös, so verläuft die Krankheit in der Regel unauffällig. „Personen, die zwar infiziert und infektiös waren, aber nicht erkrankten, … spielen jedoch eine untergeordnete Rolle“ (RKI) für die Ausbreitung der Infektion. Vor diesem Hintergrund werden die Kinder zur Verdünnung der Raumluft Zugluft ausgesetzt, was paradoxerweise aber der MND-Pflicht im Freien widerspricht. Teilweise  geschieht dies durch 20-minütiges Stoßlüften, teilweise durch Daueröffnung der Fenster!   Mit Winterjacken und Decken sitzen jetzt die Schüler im Unterricht, die winterliche Jahreszeit  noch vor sich. Vom normalen Infekt bis zur Lungenentzündung wird so alles möglich. Wer übernimmt hier die Verantwortung? Ich spreche hier im Wesentlichen nur von den Kindern, nicht von ihren Eltern, Großeltern, den Lehrern und Erzieherinnen, die von alldem stark mitbetroffen sind.

Weit entfernt von allen Verschwörungstheoretikern und rechten Ideologen, die die Krise für sich benützen wollen, halte ich es für überfällig, dass  wir von einem panischen Umgang mit der Pandemie zu einem vernünftigen Umgang mit einer anderen Strategie finden und uns einem menschlichen (!) Schutzkonzept für die Personen zuwenden, die wirklich betroffen sind: „86% der in Deutschland an COVID-19 Verstorbenen waren 70 Jahre alt oder älter (Alters Meridian: 82 Jahre)“ (RKI). Zu diesem anderen Umgang werden wir allerdings auch eine andere Tugend brauchen, die Tugend, dass alle Betroffenen wie Beteiligten Zivilcourage für unsere Kinder und Enkel zeigen. Dann wird es sich auch erübrigen, wegen eines positiven Testergebnisses eines Schülers zwei Klassen eines Jahrgangs für zwei Wochen in Quarantäne zu schicken oder eine ganze Schule wegen zweier positiv getesteter Lehrer zu schließen.

Dr.med. Klaus-Dieter Preis,
Sachsenmühler Str. 6,
91327 Gößweinstein