Aus der Gaustadter Leserpost: „Mobilitätssenat setzt falsche Wegzeichen“

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Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich habe mir die Beschlüsse des Mobilitätssenats vom 7. Juli angesehen – mir stehen teils die Haare zu Berge:

  • Den Markusplatz passiere ich an jedem Arbeitstag zweimal. Morgens steige ich dort um und habe daher häufig Gelegenheit, die Situation über mehrere Minuten anzusehen.Die aus der Kapuzinerstraße kommenden Radler werden auch, wenn sie geradeaus fahren wollen, rechts der nach rechts abbiegenden Kraftfahrer geführt. Nach wie vor verursacht dies immer wieder brenzlige Situationen. Gegenüber früher haben die vorfahrtberechtigten (!) Radler lediglich geringfügig mehr Manövrierraum für erforderliche Ausweich- und Bremsreaktionen.

    Gefährdet sind sie aber auch durch den parallelen, ebenfalls geradeaus gen Weide und Konzerthalle strebenden Kfz-Verkehr. Die Kreuzung passierend, wird der Fahrweg gefühlt immer enger, Kfz und Fahrrad kommen sich häufig gefährlich nahe – bis hin zur Abdrängung der Radler aus ihrer markierten, irrtümlich als sicher empfundenen Spur. Verschärft wird die Lage nicht selten durch entgegenkommende Linksabbieger, darunter oft Linienbusse, die, ungeachtet der Verkehrssituation, bereits ein Stück weit einschwenken.

    Um sicher fahren zu können, müßten die Radler im Bereich um die und in der Kreuzung links der markierten Fahrradspur bleiben. Nur so könnten sie verhindern, hauteng, ohne ausreichenden Sicherheitsabstand überholt zu werden. Doch das wird von kaum einem Autofahrer akzeptiert. Die jetzt als Dauerlösung beschlossene Verkehrsführung stellt eine hochgradige Gefährdung dar, der Radler nur durch Zurückstecken entgehen können. Gleichberechtigte Verkehrsteilnahme und Fahrradförderung sehen anders aus.

  • Die Friedrichstraße habe ich zwar nicht ganz so häufig im Blick. Doch die zwischen zwei Kfz-Spuren eingezwängte, ohne seitliche Sicherheitsräume markierte Fahrradspur provoziert, daß hier links wie rechts ohne ausreichenden Abstand überholt wird – mit allen daraus resultierenden Risiken.
  • Der „Schutzstreifen“ der Oberen Königstraße zwischen Kettenbrückstraße und Letzengasse ist ein schlechter Witz, der sich auch nicht nachbessern läßt. Ohne jeden Abstand zur Bushaltebucht markiert, verleitet er Kraftfahrer zum hautengen Überholen. Entfiele er, fiele es den Radlern leichter, weit genug links zu fahren, um dies (schon jetzt legal – siehe www.fahrradzukunft.de/27/schutzstreifen-klagebefugnis/!) zu unterbinden.
  • Ich sehe nicht, wo in der Peuntstraße durchgehend Raum vorhanden wäre, einen ausreichend breiten Radfahrstreifen (2,25 m) zuzüglich seitlicher Sicherheitsräume, die hautenges Überholen verhindern, zu markieren (siehe udv.de/de/publikationen/forschungsberichte/sicherheit-und-nutzbarkeit-markierter-radverkehrsfuehrungen! (PDF, 800KB)). Wie wird das erhöhte Unfallrisiko an Knotenpunkten gelöst?
  • Die bisherigen Umgestaltungen entlang der Nordtangente (Magazinstraße – Regensburger Ring) haben schlimmste Befürchtungen bestätigt, teils übertroffen. Für den verbleibenden Abschnitt ist schwerlich Besseres zu erwarten.
  • Auch für den Straßenabschnitt zwischen Atrium und Pfisterbrücke sowie entlang der Nürnberger Straße wird kaum zu erwarten sein, daß ausreichend breite, mit hinreichenden seitlichen Sicherheitsräumen ausgestattete und an den Knotenpunkten (Kreuzungen, Einmündungen, Zufahrten) eigens gesicherte Radverkehrsanlagen realisiert würden.

Fazit:

Hinsichtlich der Radverkehrspolitik bleibt der Mobilitätssenat alten Irrtümern resp. Fehlentwicklungen verhaftet. Ohne die Sinnhaftigkeit zu hinterfragen und Erkenntnisse der Sicherheitsforschung zu berücksichtigen, frönt er dem bereits vor Jahrzehnten als falsch erkannten Separationswahn, was die Radler in falscher Sicherheit wiegt. Tatsächlich werden massenhaft Verhältnisse geschaffen, die den Radverkehr an den Rand drängen und die Kraftfahrer zu hautenger Passage einladen, ihnen dabei aber freie Bahn suggerieren (www.cycleride.de/aktuelles/news/104-von-der-unkenntnis-deutscher-berufskraftfahrer-und-juristen.html). Daß der seitliche Sicherheitsabstand zu Radfahrern, mindestens 1,5 m, auch dann einzuhalten ist, wenn sich die Radler auf Sonderweg oder markierter Spur bewegen, ist den wenigsten Kraftfahrern bekannt bzw. wird vielfach nicht akzeptiert. Das gilt auch und besonders für Fahrpersonal der Linien- und Reisebusse, obgleich sie den Abstandshinweis auf dem Heck vieler ihrer Fahrzeuge spazierenfahren.

Bemühungen, Mobilität sicher zu gestalten, indem gefährdende Verhaltensweisen insbesondere auch seitens der Kraftfahrer durch Gestaltung des Verkehrsraums sowie konsequente Überwachung und Ahndung unterbunden werden, sind bislang nicht zu erkennen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Bönig