Kristian Franze ist neuer Direktor am Institut für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik der FAU
Zeitgleich wird er Direktor am Max-Planck-Zentrum für Physik und Medizin
Zum 1. August wird Kristian Franze einer der Leiter des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin (MPZPM) – zugleich wird er Direktor des Instituts für Medizinische Physik und Mikrogewebetechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Das MPZPM entstand durch die gemeinsame Initiative des Max-Planck-Instituts für die Physik des Lichts (MPL), der FAU und des Universitätsklinikums Erlangen.
„Wir freuen uns sehr, mit Kristian Franze einen international renommierten Forscher nach Erlangen gelockt zu haben“, erklärt Professor Florian Marquardt, Geschäftsführender Direktor des MPL und Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische Physik an der FAU. Franzes Untersuchungen zur Wechselwirkung von Mechanik und Nervensystem gelten als bahnbrechend. Er wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet, unter anderem im vergangenen Jahr mit einer Humboldt-Professur, dem höchstdotierten deutschen Forschungspreis. Zuletzt war er Reader (Hochschulprofessor) für Neuronale Mechanik an der Universität Cambridge in Großbritannien. Franze hat Tiermedizin an der Universität Leipzig studiert und dort in Physik promoviert. Mit einem Feodor Lynen-Forschungsstipendium der Humboldt-Stiftung ging er dann als Postdoc nach Cambridge.
Im Gespräch verrät Kristian Franze, was er in Erlangen vorhat, wo die Schwerpunkte seiner Arbeiten künftig liegen – und warum er sich auf einen Kulturschock freut.
Herr Professor Franze, Sie treten am 1. August gleich zwei Jobs in Erlangen an – am MPZPM und an der FAU. Warum haben Sie sich für Franken entschieden?
Mich reizen die vielfältigen Möglichkeiten, fachübergreifend arbeiten zu können: Die Voraussetzungen in Erlangen sind einfach großartig, gemeinsam mit Physikern, Biologen, Medizinern und Ingenieuren zu forschen. Hier weht ein frischer Wind. Zudem kenne ich bereits eine Reihe von Kollegen und es gibt viele Ansätze für Kooperationen.
Was haben Sie sich für die ersten Monate in Erlangen vorgenommen?
Natürlich muss ich erst einmal in dem Gebäude, das ich übergangsweise beziehen werde, ein funktionstüchtiges Labor aufbauen. Das Ziel ist: möglichst schnell weiter forschen zu können. Bis es dann in drei, vier Jahren in das neue Gebäude des MPZPM geht.
Wenn Sie weiter in die Zukunft blicken, was möchten Sie in fünf Jahren erreicht haben?
Ein Labor, eine Forschungsgruppe zu haben, in der die Studentinnen, Studenten und Postdocs für die Sache brennen und zusammen als multidisziplinäres Team spannende Fragen beantworten. Und ich möchte zu einer Wissenschaftslandschaft beigetragen haben, in der Physiker ganz selbstverständlich mit Biologen und Medizinern sprechen und forschen.
Und welche Erkenntnisse wollen Sie dann gewonnen haben?
Eine Frage interessiert mich brennend: Wie trägt die Mechanik, wie zum Beispiel zelluläre Kräfte und die Steifigkeit von Gewebe, dazu bei, dass Nervenzellen wissen, wohin sie wachsen müssen und mit welchen anderen Zellen sie sich verbinden. Ich möchte besser verstehen, wie sich das Gehirn entwickelt, neuronale Netzwerke entstehen, oder etwa wie Stammzellen entscheiden, ob sie Stammzellen bleiben oder sich zu Nervenzellen weiterentwickeln.
Das sind alles Phänomene, bei denen Mechanik eine wichtige Rolle spielt. Aber welche genau – darüber wissen wir noch sehr wenig. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Grundlagenforschung, was ein sehr wichtiger Bereich in meinem Labor ist. Diese Arbeiten sind von Neugierde getrieben. Gleichzeitig gehen wir auch klinisch relevanten Fragestellungen nach, bei denen mechanische Signale eine Schlüsselrolle spielen
Können Sie ein Beispiel nennen?
Im Moment untersuchen wir beispielsweise, wie sich Rückenmarksverletzungen behandeln lassen. Wir versuchen herauszufinden, warum Säugetiere beschädigte Nervenbahnen nicht erneuern können, während Fische das ganz selbstverständlich schaffen. Frösche sind ein extremes Beispiel: Als Kaulquappen regenerieren sie problemlos Nervenzellen, als erwachsene Tiere nicht mehr. Wir wollen herausfinden, warum das so ist, und wollen testen, ob sich die zugrunde liegenden Mechanismen auf Säugetiere und am Ende sogar auf Menschen übertragen lassen.
Darüber hinaus kooperieren wir im Bereich der Multiplen Sklerose mit Stefanie Kürten, Direktorin des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der FAU. Bei dieser Krankheit gehen die Zellen zugrunde, welche die Nervenzellen umgeben und elektrisch isolieren. Und es gibt viele andere Projekte, ich habe bereits mit einigen Medizinern, Ingenieuren und Naturwissenschaftlern Kontakt. So arbeiten wir etwa an einem Antrag für einen Sonderforschungsbereich, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördern soll. Weiterhin bin ich bisher in drei Anträgen für Graduiertenkollegs involviert. Immer geht es darum, interdisziplinär zu arbeiten, Physik, Medizin, Biologie und Mathematik zu verbinden. Für die nächste Generation von Studentinnen und Studenten soll es ganz normal sein, fachübergreifend zu arbeiten.
Wann werden Patientinnen und Patienten von Ihren Arbeiten profitieren?
Wann oder ob überhaupt? Das lässt sich leider nicht vorhersagen. Jedenfalls nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre. Wir haben durchaus erste vielversprechende Versuche durchgeführt, bei denen Nervenzellen wieder regenerieren konnten. Aber selbst, wenn wir diese Daten in größerem Umfang reproduzieren können, werden wohl noch Jahrzehnte vergehen, bevor sich diese Methoden beim Menschen einsetzen lassen.
Wir als Forschergruppe werden es nicht alleine schaffen, Multiple Sklerose oder Querschnittslähmungen zu heilen. Aber wir können hoffentlich dazu beitragen, weil wir Aspekte aufdecken, über die andere noch nicht nachgedacht haben. Mechanische Vorgänge in der Zelle sind oftmals genauso wichtig wie die (bio)chemischen. Wir müssen Chemie und Physik gemeinsam betrachten, wenn wir etwas Großes erreichen wollen. Auch deshalb arbeiten wir eng mit den Medizinern zusammen.
In Ihrem Labor in Cambridge steht das Skelett einer Bulldogge als tiermedizinisches Anschauungsobjekt. Zieht es mit nach Erlangen um?
Erst einmal bleibt Bruno, wie wir ihn nennen, drüben. Denn ich plane, mein Labor in England noch eine Weile weiter zu betreiben. Auch damit meine Doktorandinnen und Doktoranden ihren Ph.D. in Cambridge machen können. Und solange sie noch dort sind, wird auch Bruno bei ihnen bleiben. Ohne ihn geht es nicht. Er zieht als letzter um.
Vom britischen Cambridge ins bayrische Erlangen: Fürchten Sie einen Kulturschock?
Wir rechnen mit einem Kulturschock – einem positiven. Wir freuen uns sehr auf den Umzug. Meine Frau, meine beiden Kinder, wir sprechen alle Deutsch zu Hause. Wir sind keine Großstadtmenschen, und Franken gefällt uns sehr gut. Wir freuen uns in diesen Zeiten darauf, wieder der EU anzugehören, sowie auf das Gesundheitswesen und das Schulsystem in Deutschland. Und auf einen Bäcker mit gutem Brot vor der Haustür.
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