Bayreuther Posaunenchor goes Movie…

Dass ein Posaunenchor einer Kirchengemeinde ein ganzes Konzert mit Filmhits, Schlagern und Evergreens bestreitet, dürfte wohl nicht allzu häufig vorkommen. Dass dies auch noch überzeugend gelingt und ein derartiges Blechbläserensemble gar Bigband-Qualitäten entfaltet, dürfte noch weniger oft der Fall sein. Somit konnte das Publikum, das sich am vergangenen Sonntag in der Lutherkirche am Bayreuther Bodenseering eingefunden hatte, einen Nachmittag mit Seltenheitswert erleben. Der Titel der Veranstaltung, „Klang und Clown“, hatte rund 100 erwartungsvolle Leute quer durch alle Generationen angelockt. Und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Schon die ersten Takte, die unter der Leitung von Matthias Herzog erklangen, zeigten, dass der Bläserchor der anspruchsvollen Aufgabe voll gewachsen sein würde: Der beschwingte Marsch „Pomp and Circumstances“ von Edward Elgar sorgte als Eingangsstück für gehobene Stimmung. Ein anschließender durch einige Fortgeschrittene unterstützter Auftritt der Jungbläser hatte ungeahnte Wirkungen:

Silvia Martin

Silvia Martin. Foto: Charlie Kühnert

Aus dem Hintergrund meldete sich eine Clownin zu Wort. Sie wolle auch gerne mitspielen, verkündete die ulkige Person, die sich als „Rosie Famosie“ vorstellte. Im Dialog mit dem Chorleiter Matthias Herzog sah es zunächst nicht so aus, als könne dieser Wunsch in Erfüllung gehen. Denn die Instrumente, auf denen die Clownin Kostproben gab, wurden nicht als tauglich für einen Posaunenchor eingestuft. Die pinkfarbige Smiley-Ukulele war zu leise, die winzige Spielzeugtrompete klang hässlich heiser. Traurig zog sich die Clownin zurück, während die Bläser mit „As time goes by“ aus dem Film „Casablanca“ viel swingendes Gefühl unter Beweis stellten. Kaum war das Stück verklungen, präsentierte sich die Clownin mit Neuigkeiten: Das winzige Blechblasinstrument sei durch wundersame Weise in der Zwischenzeit gewachsen. In der Tat hatte Rosie Famosie nun plötzlich ein Tenorhorn in der Hand. Allerdings musste sie noch eine schwere Hürde nehmen: Ein Vorspiel vor dem kritischen Chorleiter stand an, dem sie zur Sicherheit schon mal einen rosa Riesenradiergummi überreichte, damit er große Fehler ausradieren könne. Fehler machte die Clownin beim Spiel von Mozarts bekanntem Wiegenlied zwar keine, aber das in der tiefen Lage intonierte Musikstück hatte eine ungeplante Wirkung: Rosie Famosie ermüdete sichtbar und hörbar, bewegte sich immer mehr in die Horizontale und ließ schließlich auf dem Instrument nur noch Schnarchtöne hören. Groß war ihre Freude, als sie nach dem Aufwecken erfuhr, dass sie tatsächlich mitspielen dürfe, was sie sogleich bei dem nächsten Bläserstück auch tat: Man hätte an dieser Stelle wohl keinen besseren Song wählen können als das nun erklingende „What a wonderful world“.

Nach einem tänzerischen Musikstück von den Jungbläsern waren vom Posaunenchor vor der Pause noch Reinhard Meys „Über den Wolken“, der Walzer „Tulpen aus Amsterdam“ und der alte Schlager „In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine“ zu hören – allesamt kraftvoll, klangschön und schwungvoll geblasen mit ausgeprägten rhythmischen Akzentuierungen. Eingebettet in diese Stücke war noch eine Szene mit viel Wortwitz zu erleben, bei der Rosie Famosie diesmal als Partner ein Clown mit dem Namen Gluck zur Seite stand. Die an einen Weißclown erinnernde Figur kündigte großsprecherisch ein Kunststück der Clownin an, das sich nach lustvollen Verzögerungen inklusive einer clownesken Mitmach-Aufwärmgymnastik allerdings als „Luftnummer“ entpuppte. Doch der an der Nase herumgeführte, seinem Ärger lauthals Ausdruck gebende, Gluck wurde durch ein schmachtendes Liebeslied an den Frühling wieder besänftigt…

Eddie Channiene. Foto: privat

Eddie Channiene. Foto: Charlie Kühnert

Der zweite Teil der Veranstaltung stand von den szenischen und den Wortbeiträgen ganz im Zeichen der oberfränkischen Mundart. Nach dem schmissigen „Tango Afferrado“ trat mit dem coolen „Eddie“ in der Kluft von Hip-Hop-Fans und mit der von Kopf bis Fuß getupften „Schanniene“ aus Vorderdupfing ein weiteres Clownsduo auf. Die beiden hatten Pylonen dabei, die Schanniene zunächst schon mal sprachlich große Mühe bereiteten: Denn ein „P“ bringen die Lippen einer Oberfränkin ja nicht zustande, oder etwa doch? Auch musste sie zunächst mal darüber aufgeklärt werden, dass Pylonen rein gar nichts mit Belohnung zu tun haben, dass Slalom und Shalom zwei verschiedene Dinge sind, und dass ein Rennen mit „Zeitnehmen“ nicht bedeutet, dass man es in Zeitlupe absolviert…

Ein Lauf von „Five hundred miles“ – der Titel des anschließenden mit viel Schwung und doch einer Portion Sehnsucht gespielten Stücks vom Posaunenchor – ist auf diese Weise freilich nicht zu gewinnen, so dass die beiden Clowns das Feld lieber dem Mundartdichter Heiner überließen. Der sorgte mit seinen in Büttenrednermanier vorgetragenen Gedichten für ein Feuerwerk an oberfränkischem Wortwitz. Ob er die Lethargie eines Mannes aufs Korn nahm, dessen sportliches Vorhaben eines Spaziergangs immer wieder durch neue gemütliche Ablenkungen durchkreuzt wird, ob er die folgenreiche Neugier eines Kindes auf die Ursache des Teddybär-Brummtons beschrieb, oder das eigene Trompetenspiel mit von nachbarlichen Rasenmähern und Laubbläsern ausgelösten Rachegelüsten begründete – die Pointen saßen und zündeten bis zur Zwerchfellerschütterung. Bei dieser Veranstaltung als „Trom-Poet“ angekündigt, machte er diesem Label alle Ehre, indem er vor und nach seinem Vortrag im Posaunenchor mitspielte.

Dieser brachte ein atmosphärisch-träumerisches „Moon River“ zu Gehör, mit dem eine Sequenz begann, die ganz im wässrigen Element angesiedelt war. Ein zickiges oberfränkisches Mädchen, „Lilli Lilla“, machte keinen Hehl daraus, dass es vor Stolz über sein Spielzeug-Segelschiff beinahe barst. Lillis ärmliches Gegenüber Anna Aqua schien zunächst das Mitleid des Publikums zu verdienen, entpuppte sich jedoch im Laufe der Szene als das phantasiebegabtere und damit innerlich stärkere Kind. Nach dieser komischen Nummer mit Tiefgang nahm der Posaunenchor den Faden auf und intonierte in einem mitreißenden Tempo als letztes Stück im Programm „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n“.

Nach zwei Zugaben entließ das begeisterte Publikum die Mitwirkenden. Sowohl der Posaunenchor unter der Leitung von Matthias Herzog, als auch die Clowns und Komödianten aus den Ensembles „Freudenträner“ und „DieAmanten“ unter der Leitung von Silvia Guhr engagierten sich mit dieser Benefiz-Veranstaltung für ein wichtiges Vorhaben der Kirchengemeinde: Eine Sanierung der Lutherkirche steht an, für die nach dem gelungenen Nachmittag schon mal Einiges an Spendengeldern eingesammelt werden konnte.