Fränkische Schweiz: 250 Jahre Ernst Moritz Arndt

Ernst Moritz Arndt

Ernst Moritz Arndt. Quelle: Wikipedia

Am 26.12.1769 in Schoritz auf Rügen geboren, gestorben am 29.1.1860 in Bonn

Ernst Moritz Arndt war zu seiner Zeit ein ziemlich provokanter Schriftsteller, auch ein Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und glühender Verehrer des Kaisertums. Sein Leben, ein zweischneidiges Erlebnis. Er gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Epoche der Befreiungskriege und wird doch sehr unterschiedlich beurteilt: Einige betonen seine demokratischen Gedanken und sehen ihn als deutschen Patrioten, andere wiederum charakterisieren ihn als Nationalisten und thematisieren vorhandene antisemitische Tendenzen in seinen Schriften, so das Onlinelexikon Wikipedia. Seine genaue Beobachtungsgabe erlaubt es uns heute einen tiefen Blick auf die Lebensumstände der damaligen Zeit zu werfen. Vor 250 Jahren geboren, eroberte er im Jahre 1798 die Fränkische Schweiz – zu Fuß.

Was ist geblieben aus dieser turbulenten Zeit? Aus heutiger Sicht war Ernst Moritz Arndt der „erste Wanderer“ in der Region, der sich “sinnfrei“ auf Schusters Rappen vom 19.-25. Juni 1798 durch eine Region bewegte, die seit 1602 berühmt für ihre außergewöhnlichen, weil ausgestorbenen, Höhlenbewohner war. Aus dieser Position heraus war er auch der erste, der die Gegend so wie die Einheimischen erlebte. Als er sich im Frühjahr 1798 aufmachte zu einer „Reise durch Deutschland Österreich, Ungarn und Italien bis nach Frankreich“ ahnte er noch nicht, dass sich während seiner „Grand Tour“ die Ansicht eines treuen Untertanen des schwedischen Königs; die Insel Rügen, sein Geburtsort, war damals schwedisch, hin zu einem deutschen Patrioten entwickelte. Er wetterte gegen die Kulturhoheit der Franzosen und vor allem gegen deren Feldherrn Napoleon, der Anfang des 19. Jahrhunderts weite Teile Europas besetzt hielt und beispielsweise in Bayern die Säkularisation, die Entmachtung der Kirche betrieb. Er glitt ab in die rechte politische Ecke, schrieb Bücher für deutsche patriotische Soldaten und Hasspredigten gegen Franzosen und Juden. 1933, auf Antrag der Nazis wurde die Uni Greifswald nach ihm benannt. Das blieb auch zu DDR-Zeiten so. Erst 2018, zum 1. Juni löste sich die Uni vom Namenspatron wieder ab. Begründet wurde dieser Schritt mit der Anschauung Arndts, die sich nicht mit der Weltanschauung der heutigen Uni Greifswald deckt. Eine Entscheidung, die Proteste hervorrief. In Greifswald kämpfte eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Namens. Sie befürchtete den Verlust der pommerschen Identität. „Arndt verkörpert sozusagen in nuce (im Kern, die Red.) deutsche Geschmacksbarbarei, jenes deutsche Unverhältnis zur Form, zur Zivilität, das uns bis heute zu schaffen macht“ schrieb Tilmann Krause in der WELT. Das war die eine Seite des Ernst Moritz Arndt.

Die andere Seite war die eines Romantikers, Lyrikers und sachverständigen Beobachters, der in seinen Texten seinen Gefühlen freien Lauf ließ und schon damals romantisch verklärte Beschreibungen seiner Beobachtungen verfasste. Er wanderte deshalb durch die Regionen, weil er dabei „Menschen und Völker dieser Welt sehen und kennen lernt“, wie er es einmal nannte und weil er nur wenig Geld zur Verfügung hatte. „Mein Vater reichte mir die Mittel, ich verstand mich zu behelfen und so ging es ganz leidlich“ hielt er in seinem Tagebuch fest.

Vielleicht spielte auch die beginnende romantische Epoche eine Rolle. Denn sie popularisierte das Wandern, im Gegensatz zu den „Vorgängern“ Arndts in Bezug auf die Fränkische Schweiz: Johann Michael Füssel war 1787 mit der Kutsche und die Studenten Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck, 1793 zu Pferd unterwegs. Seine Europareise, die er in der Fränkischen Schweiz begann, verstärkt die seit der Jugend empfundene tiefe Verehrung der Natur, schreibt Jakob Lehmann im Nachwort der Faksimileausgabe „Bruchstücke einer Reise von Bayreuth bis Wien“. Seine Worte zur Sommersonnenwende, die er „auf einem hohen Stein über Wäschenfeld“ (Waischenfeld) erlebte, klingen fast wir ein Gebet (Auszug): ”Hier auf und zwischen den Altären, die du dir erbauet hast, heilige Natur, unendliches, unbegriffenes Leben und Weben der Welt, hier sitze und kniee ich, selig durch dich, selig schon durch das Gefühl des Daseyns, wenn ich auch ewig in Nichts zerfallen sollte, wie deine zertrümmernden Felsen. Hier kniee ich, entzückt schon durch das Gefühl der Kraft und Güte, welches dein Genuß auch dem Schuldigen giebt“. Lehmann sieht darin einen „Teil des Naturgefühls der Romantik“, der sich bei Arndt vor allem in den Höhlenbeschreibungen zeigt. „O es ist wahr, nicht Bücher, nicht allerley Ziererey der Welt, was man Lebensart, Anstand und der Teufel weiß, wie sonst noch nennt: nicht dies macht den Menschen, sondern die lebendige Welt, worin seyn Gemüth ihn hineinzieht in die übersinnliche Welt“, schreibt Arndt. Arndt begann seine Reise in Bayreuth. Über Hollfeld und Sanspareil folgte er der damaligen Postkutschenstrecke nach Plankenfels, Hochstahl und weiter nach Streitberg und Muggendorf. Den Ort der bekannten Höhlen, das „Muggendorfer Gebürg“ machte er zu seinem Standquartier. Von hier raus unternahm er Ausflüge nach Burg Rabenstein, nach Waischenfeld und überall dort hin, wo eine der damals bekannten Höhlen zu finden und zu entdecken war. Da er zu Fuß unterwegs war, lernte er die Gegend aus einer ganz anderen Perspektive kennen; aus der Sicht der Einheimischen, worauf er sich, wie er schreibt auch gerne einlässt. „Mir ist wohl unter euch Menschen aus niederem Volk. Da findet man doch bey aller Beschränktheit des Geistes noch oft die Kraft und Selbständigkeit“. Durchs Wiesenttal marschierend, verließ er die Gegend nach einer Woche und kam über Forchheim und Baiersdorf nach Erlangen und weiter nach Nürnberg.

Info: Die Tagebucheinträge stammen aus: Ernst Moritz Arndt, Bruchstücke aus einer Reise von Baireuth bis Wien im Sommer 1798. Leipzig 1801. Faksimile der Ausgabe bei Palm & Enke Erlangen 1985. Mit einem Nachwort versehen von Jakob Lehmann.

VITA Ernst Moritz Arndt. Er wurde am 26.12.1769 in Schoritz auf Rügen in Vorpommern geboren. Er wuchs als Hirtenjunge, Bote und Jagdhelfer auf, sein Vater konnte sich als Leibeigener vor seiner Geburt freikaufen. 1791-93 studierte Arndt an der Universität in Greifswald, an der er 1805 als Professor arbeitete. 1796 machte er sein theologisches Examen und war bis 1798 Hauslehrer. 1800 wurde Arndt Privatdozent für Geschichte und Philosophie in Greifswald, von 1806–08 wirkte er in Stockholm. Von 1812-15 arbeitete er als Privatsekretär des Freiherrn von Stein mit leidenschaftlichen politischen Flugblättern und Liedern für die nationale Erhebung gegen Napoleon. 1818 wurde er Professor für Geschichte in Bonn, wegen seiner politisch unerwünschten Ansichten 1820 seines Amtes enthoben und erst 1840 wieder mit allen Rechten eingesetzt. 1848/49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und vertrat die Meinung eines erblichen Kaisertums. Gestorben ist Arndt am 29.1.1860 in Bonn. Er ist dort auf dem heutigen Alten Friedhof begraben.

Reinhard Löwisch,
Tourismuszentrale Fränkische Schweiz