‚Die Welt 2029‘: Bayreuther Zukunftsforschung identifiziert Bildung, Governance und Vertrauen als Schlüsselthemen
Zahlreiche neue Erfindungen und politische Entwicklungen verändern die Welt. Das Bayreuther Kolloquium über ‚Die Welt 2029‘ hat eine große Bandbreite von Trends analysiert und drei Kernbereiche erarbeitet, in denen unsere Gesellschaft jetzt handeln muss: Bildung, Governance und Vertrauen. Fazit der Veranstaltung: „Wir haben noch Zeit, unser Schicksal in die Hand zu nehmen!“
Wie könnte unsere Welt in 10 Jahren aussehen, wenn man an die Verbreitung künstlicher Intelligenz und viele andere Entwicklungen denkt? Wo müssen wir jetzt aktiv handeln? Diese Fragen wurden in Bayreuth von Wissenschaftlern und Führungskräften aus Regierungen, NGOs und Wirtschaft behandelt, die sich aus Deutschland, Südkorea und afrikanischen Ländern am 15. Februar 2019 zum Zukunftskolloquium der Universität Bayreuth und des F/L Think Tank eG getroffen haben.
Als Input für die spannende Diskussion gab es sowohl Impulse der ausgewiesenen Expertenrunde, als auch 135 vorbereitete Beobachtungen, Trends und Szenarien. Die 26 Teilnehmer identifizierten daraus die wahrscheinlichsten Trends und solche, die ein ‚game changer‘ für die globale Entwicklung darstellen werden. Die Themen umfassten zahlreiche Gebiete wie Digitalisierung, die künftige Rolle von Menschen und autonomen Maschinen sowie die Entwicklung unserer Gesellschaft.
Im Kolloquium wurden zehn solcher ‚game changer‘ für die Welt 2029 herausgearbeitet.
Sieben extrem wichtige Trends, die unsere Welt ändern, aber öffentlich nicht immer gleich intensiv diskutiert werden, sind folgende:
- Neue Technologien verbreiten sich schnell in der Wirtschaft und im täglichen Leben. Dazu gehören die 5G-getriebene totale Vernetzung, virtuelle Fabriken, Quantencomputer, autonomer Verkehr und Logistik.
- Datenschutz und Datenverifikation werden sehr schwierig oder extrem teuer. Gegenmaßnahmen umfassen geschützte, isolierte Einzelsysteme für kritische Daten und Frühwarnsysteme für „fake news“, die von künstlicher Intelligenz unterstützt werden.
- Das chinesische Gesellschaftsmodell fordert die westlichen Demokratien heraus. Das amerikanisch-chinesische Verhältnis kann die globale Ordnung deutlich beeinträchtigen.
- Tödliche autonome Waffensysteme wie bewegliche selbststeuernde Landminen, Drohnen und Schiffe ändern fundamental Sicherheit und Kriegsführung.
- Die Medizin verwendet eine große Bandbreite neuer Techniken wie Krebsdiagnose durch künstliche Intelligenz, 3D-printing von menschlichem Gewebe, Einsatz von Microbiota und Genkorrekturen. Hier ergeben sich völlig neue therapeutische Möglichkeiten.
- Die Langlebigkeit kann viel schneller zunehmen als von den Demografen vorhergesagt. Dies erforderte viele fundamentale Anpassungen in allen Bereichen der Gesellschaft.
- Globale Erwärmung, Artensterben, zunehmende soziale Ungleichheit und andere globale Herausforderungen bedrohen die nachhaltige Entwicklung der Welt und verschlechtern sich alarmierend schnell.
Die wichtigsten Entwicklungen sind Metathemen, die unsere Gesellschaft mehr als einzelne Erfindungen oder politische Entscheidungen prägen werden. In einer intensiven Debatte hat das Bayreuther Kolloquium drei solche Metathemen identifiziert und empfiehlt dort dringend breit angelegtes Handeln:
Bildung muss ganz umfassend reorganisiert werden. Gaming, Bildung und digitale Kommunikationen verschmelzen, künstliche Intelligenz kommt in die Schulen, Universitäten und berufliche Weiterbildung, und KI-Bildung wird eine wichtige politische Priorität.
Internationale Governance wird für künstliche Intelligenz notwendig, weil sie in politisch sensitiven Bereichen eingesetzt wird und sich potentiell sogar zu einer autonomen „Superintelligenz“ weiterentwickeln kann.
Vertrauen ist ein wichtiger aber unterschätzter Faktor in der Organisation menschlicher Gesellschaften. Es ist unklar, wie Vertrauen geschaffen werden kann, wenn Algorithmen, Roboter und KI in die Strukturen des täglichen Lebens eingebaut werden.
Prof. Dr. Stefan Leible, Präsident der Universität Bayreuth und Teilnehmer am Kolloquium, betont: „Die Ausbildung an unseren Universitäten wird sich in den nächsten zehn Jahren signifikant ändern. Es ist essentiell, neue Lernmethoden und neue Erkenntnisse mit dem bewährten Konzept exzellenter akademischer Lehrer zu verbinden.“
„Wir möchten neue Erfindungen wie künstliche Intelligenz zu unserem Nutzen einsetzen. Gleichzeitig müssen wir aber ein angemessenes Risikomanagement entwickeln, um die Gefahren neuer Technologien unter Kontrolle zu halten“, fügt der Organisator des Zukunftskolloquiums und Sprecher des F/L Think Tanks in München, Prof. Dr. Volker Deville, hinzu. An der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth ist Volker Deville Honorarprofessor für Governance und Internationales Management. Volker Deville – bis 2016 Leiter für Zukunftsthemen beim Versicherungskonzern Allianz – ist Zukunftsforscher und geht wissenschaftlich der Frage nach, wie die Welt in zehn, 20 oder 50 Jahren aussehen wird. Dazu hat er gemeinsam mit Mitstreitern 2017 eine Genossenschaft gegründet – die F/L Think Tank eG. F/L steht dabei für ‚future of living‘, also die Zukunft des Lebens.
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