Sonntagsgedanken: Rabindranath Tagore zum 150. Geburtstag – Pflicht oder Freude?
„Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude. Ich erwachte und sah: Das Leben war Pflicht. Ich handelte und siehe, die Pflicht war Freude.“ Diese Einsicht des bengalischen Philosophen und Literaturnobelpreisträgers Rabindranath Tagore wünsche ich uns auch: Früher war Pflichterfüllung Ziel jeder Erziehung. Der Mensch hatte seine Pflicht zu tun in der Familie, am Arbeitsplatz, im Staat, all das ohne zu fragen, zu klagen, ohne aufzubegehren.
Natürlich wünscht sich kein vernünftiger Mensch diese gar nicht so guten alten Zeiten zurück. Aber es erschüttert mich schon, wenn die Shell-Studien über die Befindlichkeit der heutigen Jugend seit Jahren feststellen, dass die Heranwachsenden alles nur nach dem Vorteil, dem Lustgewinn für die eigene Person beurteilen. So droht ein gnadenloser Kampf jeder gegen jeden und die Schwachen, gerade die Kinder, die Behinderten, die schlechter Qualifizierten oder weniger Attraktiven bleiben auf der Strecke. Natürlich will jeder Mensch glücklich sein, sich des Lebens freuen, doch bitte nicht auf Kosten der Mitmenschen.
Wie aber lassen sich Freude und Pflicht verbinden? Eben durch die Gebote Gottes, die uns ein sinnvolles friedfertiges Zusammenleben ermöglichen wollen. Jedes Spiel braucht absolute Regeln, an die sich alle Mitspieler halten müssen, wenn das Spiel gelingen soll. Regelverstöße werden im Sport wie im Straßenverkehr ja auch energisch geahndet.
Wenn wir so wollen, dann ist Gott unser Oberschiedsrichter. Gott will keine Heuchler, Feiglinge, keine angepassten Karrieristen, sondern Partner, die vernünftig, fair, rücksichtsvoll das Spiel des Lebens spielen. Wer nämlich die Regeln bricht, der bestraft sich langfristig nur selbst, weil er seine Beziehungen zum Mitmenschen verspielt. Wir Christen sollten darüber nicht klagen oder gar resignieren. Tagore drückt es schön aus: „Glaube ist der Vogel, der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.“
Pfarrer Dr. Christian Fuchs, www.neustadt-aisch-evangelisch.de
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