AELF Coburg-Kulmbach: Mythos Mehlbeere – selten, seltsam, schützenswert
Wenn die Försterinnen und Förster des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Coburg-Kulmbach und der Fachstelle Waldnaturschutz Oberfranken vom Frankenjura als „unser Galapagos“ sprechen, dann ist klar: Hier gibt es etwas ganz Besonderes zu erleben. Und in der Tat ist der Baum, der beim Bad Staffelsteiner Stadtteil Serkendorf (Landkreis Lichtenfels) wächst, so besonders wie die Flora und Fauna auf den Galapagos-Inseln. Die Rede ist von einer einzigartigen Unterart der Mehlbeere – dem Baum des Jahres 2024.
Der Gestaltwandler unter den Baumarten
Bäumchen wechsel dich – das könnte das Motto der Mehlbeere sein. Die Gattung ist außerordentlich wandlungsfähig und bildet lokal immer wieder neue Unterarten aus – rund 100 sind bereits dokumentiert. Martin Renger, Förster der Fachstelle Waldnaturschutz Oberfranken am AELF Bamberg: „So, wie die Mehlbeere hier in Serkendorf steht, gibt es sie nirgendwo sonst auf der Welt. Sie ist eine echte (Ur)fränkin.“ Die Unterart „Serkendorfer Mehlbeere“ besteht nur aus etwa 71 Exemplaren! Faszinierend ist die Mehlbeere (Sorbus aria) auch wegen ihrer Fähigkeit, sich an widrige Umstände anzupassen. Jens Haertel, Bereichsleiter Forsten am AELF Coburg-Kulmbach: „Es ist bemerkenswert, wie gut die Mehlbeere mit Trockenheit zurechtkommt. So kann sie durchaus ein interessanter Bestandteil des klimastabilen Zukunftswalds sein.“ Die neu gebildeten Unterarten und Hybriden unterscheiden sich dabei vor allem genetisch und in der Blattform. Die Mehlbeere ändert gleichsam ihre Gestalt.
Waldökologisch ein Volltreffer
Auch wenn die Mehlbeere als Nutzholz in der Waldbewirtschaftung kaum eine Rolle spielt – waldökologisch ist sie ein echter Volltreffer. So sind die leuchtend roten Früchte zum Beispiel eine wertvolle Nahrungsquelle für zahlreiche Vogelarten, von Drosseln, Finken und Meisen bis hin zu Tauben, Elstern und Rabenkrähen. Förster Florian Schulte vom AELF Coburg-Kulmbach: „Unser Appell ist, Mehlbeeren vor Ort unbedingt zu erhalten und als einen Zukunftsbaum zu fördern.“ Idealerweise werden ältere Exemplare also durch die Entnahme von sogenannten Bedrängern gefördert und so erhalten. Naturverjüngung der verbissempfindlichen, genetisch einmaligen oberfränkischen Mehlbeeren schützt und fördert man am besten mit angepassten Wildbeständen und, wo notwendig, mit Kleinzäunen oder Wuchshüllen. Eine Pflanzung der besonderen oberfränkischen Mehlbeeren ist kaum möglich, da auf dem Markt nur die Schwedische Mehlbeere erhältlich ist. Diese kreuzt sich dann mit unseren heimischen Unterarten und verfälscht sie.
Pythonhaut und rote Früchte – wie erkenne ich eine Mehlbeere?
Um die Bäume schützen zu können, muss man sie zunächst erkennen. Auffälligstes Merkmal sind die runden, orange-roten Früchte. Sie sind circa einen Zentimeter groß und um den Kelch filzig behaart. Zudem sind auch die Blätter, trotz ihrer unterschiedlichen Form, alle auf der Unterseite mehligweiß und filzig behaart. Der Baum wird bis zu 20 Meter hoch und ist oft mehrstämmig. Die Rinde variiert je nach Standort von orangebraun bis olivgrün mit sonnenseitig silbergrauen Belägen. Damit sieht sie ein bisschen aus wie die Haut einer Python. Die Bayerische Forstverwaltung berät Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer, wie man Mehlbeeren erkennt und sie schützt sowie fördert. Zudem werden vereinzelt die Standorte der Bäume zu Forschungszwecken erfasst.
Übrigens: Die Früchte der Mehlbeere sind essbar und wurden früher getrocknet und gemahlen, um Mehl zum Brotbacken damit zu strecken – daher auch der Name.
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