Unterschätzte Winterhelden: So überdauern Insekten auf Blühflächen die kalte Jahreszeit

symbolbild wiese winter
Winterquartier für Insekten

Mehrjährige Blühflächen sind wertvolle Überwinterungsorte für Bayerns Insekten – LBV: Pflanzen stehen lassen für mehr Naturvielfalt

Das Jahr neigt sich dem Ende zu und in der Natur wird es still. Doch diese Ruhe ist trügerisch, denn Tiere und Pflanzen bereiten sich jetzt fleißig darauf vor, die kalten Monate zu überdauern. „Während einige Tiere sich für den Winter Vorräte anlegen, müssen Insekten bei Frost und Kälte ihren Stoffwechsel für ein paar Monate herunterfahren“, erklärt die Insektenexpertin Tarja Richter vom bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz). In verschiedenen Entwicklungsstadien verbringen Insekten die kalte Zeit an vertrockneten Pflanzenstängeln, auf Blattunterseiten, in Höhlungen im Boden oder in Laubhaufen. Auch Blühflächen in der Agrarlandschaft sind wertvolle Lebensräume, auf denen Insekten überwintern können. „Nur weil wir die Insekten gerade nicht sehen, heißt es nicht, dass wir sie im Winter nicht schützen können“, betont Richter. Der LBV rät deshalb dazu, auf mehrjährige Blühflächen zu setzen und bei Pflegeschnitten Flächenabschnitte über den Winter stehen zu lassen.

Im Reich der Insekten gibt es eine Vielzahl an Überwinterungsstrategien. „Viele Arten überdauern die kalten Monate nicht als voll entwickeltes Insekt, wie es etwa Marienkäfer oder Zitronenfalter tun, sondern verbleiben in einem früheren Entwicklungsstadium. Der Schwalbenschwanz zum Beispiel verbringt den Winter gut getarnt als Puppe an trockenen Pflanzenstielen“, sagt die LBV-Biologin. Andere Schmetterlingsarten überwintern sogar als Ei und können so von Fressfeinden schwerer entdeckt werden. Die Dreizahn-Stängelbiene entwickelt sich hingegen bereits vor dem Winter in trockenen, markhaltigen Pflanzenstielen vom Ei zur Larve und verbleibt als sogenannte „Ruhelarve“ in diesem Stadium, bis im Frühjahr die Temperaturen wieder steigen. Einige Insekten wie die Hainschwebfliege entgehen der Kälte auch, indem sie wie Zugvögel in wärmere Gebiete ziehen.

All diese Strategien haben gemein, dass die Insekten ruhig und versteckt bleiben und keine Nahrung aufnehmen müssen. „Während der Überwinterung sind Insekten sehr empfindlich gegenüber Störungen. Werden Flächen in dieser Zeit gemäht, der Boden umgebrochen oder vertrocknete Pflanzenreste abgeschnitten ist das ein Todesurteil für überwinternde Insekten“, so Tarja Richter. Störungsfreie Flächen, auf denen Insekten überwintern dürfen, sind daher überlebenswichtig. Dazu zählen auch Blühflächen, die im Idealfall mit heimischen Pflanzenarten eingesät sind und deren Zusammensetzung der Pflanzenarten je nach Ziel und Ort variiert. In Ackerlandschaften gibt es beispielsweise spezielle Mischungen, die über fünf Jahre bestehen und ohne Pflegeschnitt auskommen. Blühflächen in Kommunen und Gemeinden werden oft für eine längere Zeit angelegt und regelmäßig gemäht oder gemulcht werden.

„Um Insekten auch im Winter einen Lebensraum zu bieten, sollte auf einjährige Blühflächen verzichtet werden. Mehrjährige Blühflächen sollten auch nicht komplett, sondern nur teilweise gemäht werden. Wer Flächenteile über den Winter – im Idealfall sogar für mehrere Jahre – stehen lässt, leistet einen direkten Beitrag für die Insektenvielfalt in unserer Landschaft“, betont Tarja Richter. Ohne diese Vielfalt wären bisherige Ökosystemdienstleistungen nicht mehr möglich. Solche Leistungen, wie die Bestäubung von Nutzpflanzen und das Recycling von totem Pflanzenmaterial oder Aas, erbringt die Natur im Prinzip „kostenlos“ für den Menschen, wenn sie dabei nicht gestört wird. Ökosysteme und damit auch die Lebensgrundlage des Menschen sind daher auf Insekten und ihre intakten Lebensräume angewiesen.

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