Interview: „Stopp des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes im Bundesrat“

Die Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern hat sich in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten der Bundesländer mit der Aufforderung gewandt. Die Bundesländer werden aufgefordert, am 22. November das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an den Vermittlungsausschuss zu verweisen und dort mit einer neuen Bundesregierung neu zu verhandeln. (1) Der Wiesentbote hat sich in einem Interview mit dem Sprecher Herrn Emmerich (Klinikvorstand i.R. aus Himmelkron) nach Hintergründen und Chancen erkundigt.

Wiesentbote: Herr Emmerich, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz wurde im Oktober bereits im Bundestag verabschiedet. Ist Ihre Forderung realistisch, dass die Länder das Gesetz im Bundestag noch kippen?

Emmerich: Das können nur die Länder selber beantworten. Sachlich korrekt wäre es in jedem Fall, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Forderungen nach Lockerung der Strukturvorgaben für Leistungsgruppen und einer größeren Autonomie der Länder bei der Umsetzung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes sind aber berechtigt. Wir dagegen sagen: Überhaupt kein Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz sondern Selbstkostendeckung der Krankenhäuser und eine flächendeckende klinische Versorgung mit Allgemeinkrankenhäuser einschließlich Basisnotfallversorgung binnen 30 Fahrzeitminuten in jedem Winkel Deutschlands und Bayerns.

Wiesentbote: Das Motto auf der Homepage Ihrer Aktionsgruppe lautet: In letzter Minute – Lauterbachs Krankenhauszerstörung stoppen! Entscheidet im Vermittlungsausschuss bereits eine NEUE REGIERUNG? Können Sie das genauer erläutern?

Emmerich: Wir dar Vermittlungsausschuss angerufen, verzögert sich das Gesetz. Es ist wahrscheinlich, dass dann eine neue Regierung über die Vorgaben des Bundesrates entscheidet. Die bisherigen Oppositionsparteien und auch die Länder haben das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz als faktisches Krankenhauszerstörungsgesetz scharf kritisiert. Kompromisse wurden von den Ländern deshalb signalisiert, weil sie dringend auf eine Zwischenfinanzierung vieler defizitärer und insolvenzbedrohter Krankenhäuser angewiesen sind. Jetzt aber werden die Karten neu gemischt. Unsere Forderung: Alle Kritiker mögen ihren Argumenten treu bleiben. Das aber bedeutet des facto eine Neuschreibung des Gesetzes unter Garantie einer flächendeckende klinischen Versorgung in Deutschland und Bayern. Sonst droht uns ein klinischer Kahlschlag unbeschreiblichen Ausmaßes.

Wiesentbote: Wie könnte die Zwischenfinanzierung konkret aussehen?

Emmerich: Die Zwischenfinanzierung muss verhindern, dass ungeordnet aus rein finanziellen Gründen Kliniken schließen. Die geht nur über das Modell „Selbstkostendeckung der Krankenhäuser“, keine Gewinne, keine Verluste, kein Kampf der Krankenhäuser ums Überleben.

Wiesentbote: Die bisherige Bundesregierung und viele andere Partner im Gesundheitswesen sind dagegen, sie befürchten, dass Krankenhäuser beliebig viel Geld ausgeben?

Emmerich: Warum startet eine neue Regierung nicht einfach einen 1-jährigen Versuch? Damit würde sie sich nichts vergeben. Unsere Argumente sind doch stichhaltig. Neben der Finanzierungssicherheit sparen die Krankenhäuser immense Verwaltungstätigkeiten ein, die bisher für Kodierung und Abrechnung der Fallpauschalen, dem aktuellen Vergütungssystem, benötigt werden. Mit der „Selbstkostendeckung der Krankenhäuser“ und entsprechender Einsparung der Verwaltungsaufgaben stünden in Bayern ohne Mehrkosten und ohne Neueinstellung 26.400 klinische Mitarbeiter bzw. 19.600 klinische Vollzeitkräfte im Gegenwert von jährlich 1,6 Mrd. Euro zusätzlich für Patientenbetreuung zur Verfügung. Diese Ressource nicht zu nutzen, ist grob fahrlässig. (2)

Wiesentbote: Angenommen, die Länder lassen sich am 22. November im Bundesrat trotzdem auf das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz ein und stimmen zu?

Emmerich: Dann wurde eine große Chance vertan. Durch strikte Strukturvorgaben der Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie führt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das zwingend Sektorenübergreifende Versorgungszentren durch die Hintertür ein. In Bayern wären dann weitere 143 der 352 bayerischen Krankenhäuser von einer Schließung und Umwandlung in Sektorenübergreifende Versorgungszentren betroffen. Die Entfernungen zu einem wohnortnahen Allgemeinkrankenhaus binnen 30 Fahrzeitminuten wird für weitere Regionen nicht mehr gewährleistet sein. (3) Deshalb unser eindringlicher Appell an die Länder: Stoppen Sie diesen Wahnsinn. Stoppen Sie diesen Wahnsinn. das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz im Bundesrat.

Wiesentbote: Können die Bürger und PatientInnen etwas tun??

Emmerich: Klar doch, schreiben Sie an den Bundesrat. Fordern Sie den Bundesrat auf, das Gesetz zu stoppen und die Krankenhäuser vollumfänglich zu finanzieren. Hier die Adresse: bundesrat@bundesrat.de

Und leiten Sie den Brief dem Bündnis Klinikrettung weiter: info@klinikrettung.de Wir brauchen jetzt eine breite Unterstützung: Für eine flächendeckende klinische Versorgung in Deutschland und Bayern!


1)  Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, In letzter Minute Lauterbachs Krankenhauszerstörung stoppen!, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/krankenhausreform/in-letzter-minute/

2) Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/

3) Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Massenhaftes Kliniksterben, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/krankenhausreform-folgen-in-bayern/massenhaftes-kliniksterben/

Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Folgen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes für Bayern visualisieren! https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/krankenhausreform-folgen-in-bayern/folgen-visualisiert/

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