70. Interkultureller Kochabend in Speichersdorf

Er ist ein Fest der Geschmäcker, Kulturen und der gelebten Integration, der Interkulturelle Kochabend. Er konnte jüngst ein kleines Jubiläum feiern. Denn zum 70. Mal waren Bürgerinnen aller über 40 Nationalitäten in der Großgemeinde in die Schulküche eingeladen, miteinander nach einem landesspezifischen Rezept zu kochen.

Auch dieses Mal sollte es wieder ein Abend der lebendigen Begegnung verschiedenster Kulturen, dieses Mal durchweht von Aromen russlanddeutscher Tradition, werden. Denn russlanddeutsche Küche stand im Mittelpunkt, und ließ das Gemeinschaftskochen zu einem besonderen Erlebnis werden. Unter der Leitung von Galina Ruf und Natalja Jacobi, beide bereits seit rund 30 Jahren in Deutschland, erlebten die Teilnehmer die Zubereitung klassischer russlanddeutscher Gerichte. Auf den Tisch kamen Strudel mit Kartoffeln, Fleisch und Kraut, ein fein geschnittener Salat mit Frit-Sticks sowie als süßer Abschluss mit Quark und Kondensmilch gefüllte Pfannkuchen. Es war ein Gericht, das vielen Russlanddeutschen als Festtagsspeise bekannt ist.

Interkulturelle Kochgruppe Speichersdorf. Foto: Wolfgang Hübner

Interkulturelle Kochgruppe Speichersdorf. Foto: Wolfgang Hübner

Die Kochgruppe, die bereits seit 13 Jahren eine Erfolgsgeschichte der Integration ist, hat sich in Speichersdorf längst zu einer echten Institution entwickelt. Die Idee, die eine oder andere verschiedene kulinarische Nationalspezialität originalgetreu und unter Anleitung der jeweiligen Migrantengruppe nach zu kochen, ist nach dem dritten Fest der Kulturen im Juni 2010 entstanden. Umgesetzt wurde es dann im Januar 2011. „Da haben wir uns das erste Mal getroffen“, erinnert sich Heidi Lauterbach, die von der ersten Stunde an dabei ist. Damals folgten rund 15 Personen verschiedener Nationalitäten der Einladung zur Premiere des Kochabends, erinnert sich die Sozialamtsleiterin im Speichersdorfer Rathaus. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass Kochen Nationen und Kulturen verbindet und die verschiedenen Landsfrauen und Landsmänner sich auch dabei gegenseitig mit Spaß und Genuss kennenlernen könnten. Unter dem Motto „Zusammenhalt geht durch den Magen“ standen damals bei der Auftaktveranstaltung bunte Gerichte aus China auf der Speisekarte.

„Ich hätte nie gedacht, dass sich das über Jahre hinweg so erfreulich langlebig entwickeln würde,“ so die Initiatorin und Koordinatorin Dolores Longares Bäumler rückblickend. Seit 30 Jahren steht der Name der Integrationsbeauftragten des Caritas-Kreisverbandes für wertvolle, unbezahlbare und erfolgreiche Integrationsarbeit mit Ausländern und Flüchtlingen in Stadt und Landkreis Bayreuth. Über die Jahre hinweg sei die Gruppe nicht nur zahlenmäßig gewachsen, resümiert die Eschenbacher Sozialpädagogin am Rande. Aus den gemeinsamen Kochabenden hätten sich intensive und langfristige Freundschaften sowie ein Netzwerk des gegenseitigen Beistands entwickelt. Das gemeinsame Kochen fördere die Integration und den interkulturellen Austausch auf ganz besondere Weise. Unterschiedliche Nationen, Sprachen und Traditionen würden sich hier vereinen und Vorurteile und Grenzen am Herd verschwinden lassen. Die Gruppe ist damit nicht nur ein Treffpunkt für kulinarische Erlebnisse, sondern auch ein wichtiger Ort der Begegnung und Verständigung.

Auch wenn jeder Kochabend ein Highlight ist, gab es in den vergangenen Jahren besondere Momente und Höhepunkte, die in Erinnerung bleiben. Dazu zählen Besuche prominenter Gäste wie Bürgermeister Manfred Porsch und Pfarrer Grillmeier, die bei früheren Veranstaltungen selbst mitgekocht haben. Ein weiterer Höhepunkt war der Abend mit einem indischen Gast aus Göppmansbühl, der die Gruppe beeindruckte, indem er aus dem Gedächtnis heraus zehn verschiedene Rezepte präsentierte und mit den Teilnehmenden zubereitete. Auch minderjährige Geflüchtete brachten frischen Wind und neue Rezepte in die Runde, wodurch das gemeinsame Kochen zur Begegnungsstätte der Kulturen und Generationen wurde.

Die Interkulturelle Kochgruppe ist mittlerweile ein fester Bestandteil des Speichersdorfer Gemeinschaft und Lebens. Sie beteiligt sich regelmäßig am Bürgerfest und zeigt dort, dass sie in der Gemeinde nicht nur akzeptiert, sondern willkommen und geschätzt ist. Der Erfolg der Gruppe zeigt sich auch in einem gemeinsamen Kochbuch, das eine Auswahl der besten Rezepte aus den unterschiedlichsten Ländern vereint und den Spirit der Gruppe auch nach außen trägt. Aber auch weitere private Kochbuchinitiativen hatten im interkulturellen Kochen ihre Initialzündung und Quelle.

Der 70. Abend selbst sollte aber nicht nur als Einblick in die russlanddeutsche Küche eine kulinarische Besonderheit, sondern auch ein Rückblick auf die Geschichte der Russlanddeutschen werden. Besonders Dolores Longares-Bäumler erinnerte sich daran, dass früher bei Anträgen an das Bundesverwaltungsamt oft nach traditionellen russlanddeutschen Rezepten gefragt wurde, um die Herkunft zu bestätigen. Ein Rezept, das dabei besonders häufig genannt wurde, war das an diesem Abend servierte Gericht: Mit Quark und Kondensmilch gefüllte Pfannkuchen, ein klassisches Festtagsgericht der Russlanddeutschen. Das kulinarische Highlight des Abends war der Strudel, der in einem besonderen dreistöckigen Topf zubereitet wurde – eine Technik, die viele in der Runde faszinierte. Ebenso auf Begeisterung stieß der Salat mit Frit-Sticks, der besonders fein und kunstvoll auf einem großen Teller angerichtet und dann vermischt wurde. So avancierte die Zubereitung dieser Speisen nicht nur zu einem tiefen Einblick in die russlanddeutsche Küche, sondern auch zu einer Erinnerung und Heimatverbundenheit, die viele in der Gruppe teilen.

Die Erfolgsgeschichte wird weitergeführt, denn an diesem Abend wurde bereits der nächste Kochabend im Februar 2025 angepeilt. Die Mitglieder und neue Interessierte dürfen gespannt sein, welche Köstlichkeiten und Geschichten die Teilnehmenden dann erwartet. Dann wird ein weiteres Kapitel in der Erfolgsgeschichte der Interkulturellen Kochgruppe aufgeschlagen.

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