„Totentanz“: Bürgertheater auf dem Domplatz in Bamberg
Pressemitteilung von Tanja Kinkel (Autorin):
Wir hatten uns viel vorgenommen, mit unserem Vorhaben in Bamberg etwas auf die Beine zu stellen, wie es vorher in Salzburg, Oberammergau oder in Bregenz gelungen ist. Um überhaupt so eine Chance zu bekommen, brauchten wir jedoch dafür einen der schönsten Plätze in Europa, den Bamberger Domplatz, und die Alte Hofhaltung. Und wir bekamen mit großer Hartnäckigkeit die Erlaubnis dafür von der Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, der Stadt Bamberg, den Museen am Domplatz und vom Domkapitel, die Schritt für Schritt alle das Bürgertheater-Konzept für Bamberg überzeugte.
In der mittelalterlichen Tradition eines „Jedermann“, der „Carmina Burana“, hat der gemeinnützige Bamberger Museumspädagogische Verein AGIL e.V. , mit meinem Text ein spannendes und ungewöhnliches Theaterprojekt ins Leben gerufen. Er fördert damit nicht nur den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft, sondern führt ein in das 1000-jährige Todesjubiläum Kaiser Heinrichs II. und die ihm gewidmete Ausstellung im Historischen Museum in Bamberg.
Aufkommend im Mittelalter gibt es unterschiedliche Darstellungsformen sogenannter Totentänze. In dieser Kunstform tritt der Tod personifiziert auf, holt den Menschen aus dem Leben und konfrontiert ihn in kurzen Zwiegesprächen mit seiner eigenen Endlichkeit, die auch für die Zuschauer eine wichtige Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht.
Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bamberg, der ganzen Region, übernehmen selbst die Rollen in der Aufführung und begleiten als Bürgerchor die Wege des Todes durch 1000 Jahre Stadtgeschichte, wo bedeutende Bamberger, aber auch entscheidende Ereignisse für jedes Jahrhundert das Thema bestimmen. Der Tod als großer Gleichmacher zwingt alle in seinen Reigen, er macht keinen Unterschied zwischen Religionen, Alter und sozialer Stellung.
Für die Rolle des Todes konnte der Schauspieler Felix D`Angelo und für die Inszenierung Regisseurin Nina Lorenz gewonnen werden.
Spielort ist die großartige Kulisse des Domplatzes und der Alten Hofhaltung, die mit zehn Stationen als Wandeltheater bespielt wird. Premiere der Uraufführung ist als Freilichtveranstaltung am 1.11.2024, 15 Uhr, weitere Termine 2. und 3. 11.2024, jeweils auch um 15 Uhr.
Weitere Informationen und Karten gibt es bei Jost Lohmann im AGILLädla am Domplatz 7, über die Homepage www.agil-bamberg.de via ticketino, und beim BVD in Bamberg, Lange Straße.
Fragen an Nina Lorenz, Regie Bamberger Totentanz
Haben Sie keine Angst, dass in den ersten Novembertagen die Zuschauer frieren?
Es kann kalt werden, das stimmt, aber ich vertraue auf die Zuschauenden, dass sie sich gut und warm rüsten für eine Freilichtaufführung im November und der Vorteil ist, dass der Spielort immer wieder gewechselt wird und man dadurch auch immer wieder in Bewegung kommt.
Stellen die wechselnden Spielorte am Dom, in der Alten Hofhaltung und vor der Residenz nicht eine ganz ungewöhnliche Herausforderung dar?
Sie sind eine spannende Herausforderung und bieten vor allem auch dem Publikum sich immer wieder neu eröffnende Perspektiven auf den Domplatz und die Hofhaltung. Auch für meine Inszenierung ist es spannend, da jeder neuer Spielort ein neues Bühnenbild ist und wir den Raum jedes Mal neu und anders in das Spiel einbeziehen können.
Wo liegt für Sie der Unterschied zwischen einem statischen Spiel der bekannten europäischen Totentanzdarstellungen und dem, was in Bamberg mit der 1000jährigen Geschichte gespielt wird?
Tanja Kinkel hat ein Theaterstück mit 12 verschiedenen lebendigen und anschaulichen Spielszenen geschrieben, die mal berührend, mal lustig, mal dramatisch sind.
Ihre Anlehnungen an die Totentanztradition sind so klug gesetzt, auch bei ihr trifft der Tod auf Könige und Bettler, Arme und Reiche, Alte und Junge, aber ihr gelingt es, die Szenen durch die Jahrhunderte zu führen und mit heutiger Sicht auf die Szenen zu schauen.
Was bleibt ist, dass vorm Tod alle gleich sind, dass der Tod jeden trifft und das Leben ohne den Tod, das Sterben, nicht denkbar ist.
Welche Aufgabe hat in diesem Stück der Chor?
Der Chor ist die Schar der Gestorbenen, die mit dem Tod umherziehen und jede neue Person, die der Tod holt, in ihre Gemeinschaft eingliedern.
Ist der Chor statisch eingebunden, oder integriert in die wechselnden Spielorte mit Bewegung?
Der Bürgerinnen- und Bürgerchor begleitet den Tod aktiv auf seinem Gang durch die Geschichte, er ist in jeder Szene dabei und spielt und bewegt sich mit, er singt, er stellt Geräusche her und nimmt das Publikum mit zu jedem neuen Spielort.
Was können sich die Bamberger Bürger überhaupt unter dem Begriff Bürgertheater, ja wanderndem Bürgertheater vorstellen?
Bei einem Theater für Bürgerinnen und Bürger sind alle angesprochen, die Interesse haben, sich an einem Theaterprojekt zu beteiligen, in diesem Fall am Bamberger Totentanz, der für Bürgerinnen für Bürgerinnen geschrieben ist und von Bürgerinnen und Bürgern gespielt und erzählt wird. Außerdem ist die Expertise jeder, jedes Einzelnen gefragt. Gemeinsam als Stadtgesellschaft erzählen wir die Geschichte des Totentanzes, die in unserer Stadt spielt. Ein Novum!
Wo waren die größten Probleme im Vorfeld zu bewältigen?
Die größten Herausforderungen waren die Organisationsaufgaben im Vorfeld wie zum Beispiel Erlaubnis auf dem Domplatz zu spielen, ist eine Absperrung möglich, wie kann diese erwirkt werden, wie führt man die Publikumsgruppen über den Domplatz, wo stehen diese am besten an den jeweiligen Spielorten.
Könnten Sie sich vorstellen, das Stück auch außerhalb von Bamberg zu inszenieren, oder gehört es einfach an die Regnitz?
Die Inszenierung lebt unter anderem von der großartigen Kulisse des Domplatzes, der Hofhaltung, der Stadt Bamberg und ihrer Geschichte und vor allem von Bambergerinnen Bambergern, die diese Geschichte für Bamberg erzählen. Also schwer vorstellbar, dieses Stück an einem anderen Ort zur Aufführung zu bringen.-
Glauben Sie, dass auch aus der Bamberger Bevölkerung jemals mehr als tausend Bewerbungen für eine Teilnahme kommen können wie in Oberammergau?
Das wäre natürlich phantastisch!
Mit dem Begriff „Tod“ haben Leute, insbesondere ältere, häufig ein Problem. Wäre da kein anderer Titel für das Stück denkbar gewesen?
Zum Jedermann nach Salzburg pilgern jährlich tausende, obwohl der volle Titel lautete: „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist nie einfach, aber umso wichtiger. Und den Tod immer wieder zum Thema zu machen ist unabdingbar.
Auch die Totentänze aus vergangenen Jahrhunderten rühren aus Zeiten, in denen das Sterben groß war, wie die Pestzeiten zum Beispiel, man musste und muss sich mit dem Tod in Wort, Bild, Tanz, Musik, Spiel auseinandersetzen. Vielleicht ist der Titel „Bamberger Totentanz“ auf den ersten Blick abschreckend, aber vielleicht verleitet er auch dazu, sich diesen anzuschauen und sich einzulassen auf ein facettenreiches „Gespräch“ mit der Figur des Todes.
Wäre es nicht reizvoller gewesen, das Stück im Sommer aufzuführen, oder sind die stillen Tage um Allerheiligen, Allerseelen die geeignetere Zeit?
Einfacher wäre es sicher gewesen, weil wärmer und weniger Wetterabhängig, aber die Tage um Allerheiligen sind verbunden mit dem Thema Abschied und Tod und der Bamberger Totentanz kann zur tieferen Reflexion darüber beitragen – mit Weinen und Lachen und vielleicht mit Trauer im Herzen, aber immer lebenszugewandt.
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