Stolpersteinverlegung in „ZeDeSch“ – Zeckendorf, Demmelsdorf und Scheßlitz
32 Stolpersteine für ehemalige jüdische Bewohner der drei Ortschaften verlegte Künstler Gunter Demnig am 14. Oktober 2024 im Rahmen einer Veranstaltung der VHS Bamberg-Land – in einer Kooperation mit der Stadt Scheßlitz, der Mittelschule Scheßlitz, der Willy-Aron-Gesellschaft und der Jüdischen Gemeinde Bamberg.
Hausmann, Rollmann, Mannheimer – Namen jüdischer Familien, die in ZeDeSch (= Zeckendorf, Demmelsdorf und Scheßlitz) bis 1942 gewohnt hatten und zusammen mit den christlichen Nachbarn ihrem normalen Alltag nachgingen. Als allerdings die Nationalsozialisten 1933 die Macht in Deutschland übernahmen, wurde dieses friedliche Zusammenleben zerstört, denn die Rassenideologie der NSDAP erklärte die Juden zu „Schmarotzern“ und „Volksschädlingen“, die in Deutschland nicht mehr erwünscht waren. Was folgte, wissen wir: wirtschaftliche Ausgrenzung, soziale Isolation, erzwungene Auswanderungen und Ermordung aller derjenigen, die nicht das Glück und die finanziellen Möglichkeiten hatten, in einem anderen Land Zuflucht und Aufnahme zu finden.
An all diese unterschiedlichen Schicksale erinnern seit dem 14. Oktober 32 Stolpersteine. Mit großem Engagement verfolgt Maria Becker mit Unterstützung von Joachim Schön von der VHS Bamberg-Land seit einigen Jahren die Idee, die Namen und Schicksale der jüdischen Bürgerinnen und Bürger in diesen drei Landgemeinden sichtbar zu machen, um so zu verdeutlichen, wie sehr das Leben in den Dörfern von Jüdinnen und Juden mitgestaltet und geprägt wurde. In mehreren Vorträgen an der VHS konnte so ein großer Teil der Spenden für die Steine generiert werden. Aber es ist erst ein Anfang, dem viele Stolpersteine noch folgen werden.
Die Verlegung begann um 9 Uhr vor dem Haus Hauptstraße 1 in Scheßlitz, wo die Familie Hausmann gelebt hatte. Der Chor und die Bläserklasse der Mittelschule Scheßlitz umrahmten die Vorstellung der Biographien der ehemaligen jüdischen Nachbarn. Anschließend ging es weiter zum Anwesen Oberend 4, wo an Gretchen Rollmann erinnert wurde. Die letzte Station in Schesslitz war das Haus Altenbach 38. Die Familie Rollmann stand hier im Mittelpunkt des Gedenkens und wieder begleiteten Chor und Bläserklasse der Mittelschule Scheßlitz in eindrucksvoller Weise die Verlegung der Stolpersteine, die alle durch das Aufstellen von Bildern der jeweiligen Person ergänzt wurden, so dass die jüdischen Menschen nicht nur einen Namen, sondern ein Gesicht bekamen. Zusätzlich wurden Blumen niedergelegt und Kerzen entzündet. Vorgetragen wurden die Lebensläufe der ehemaligen Bürgerinnen und Bürger von Maria Becker, Studierenden und Lehrbeauftragten der Universität Bamberg: Gaby Streffing, Max Lenk, Isabel Rösner, Reinhild Beer sowie Christa Horn.
Weiter ging es dann nach Demmelsdorf, wo vor den Häusern Schultestraße 16, Benno-Schmitt-Straße 2 und 18 sowie der Freifläche vor dem Feuerwehrhaus Stolpersteine an die Familien Wurzinger, Mannheimer, Max Heimann und Familie Berg erinnern. Die musikalische Gestaltung übernahmen die Querflötenschüler und -Schülerinnen der Musikschule Stadt Bamberg unter der Leitung von Karen Hamann und ein Bläser-Trio unter der Leitung von Josef Gentil von der Musikschule des Landkreises Bamberg. Die Auswahl der Stücke und ihre Darbietung unterstützten den Verlegungsakt würdevoll.
Im Gemeindehaus in Zeckendorf fand anschließend die Abschlussveranstaltung statt. Da in diesem Dorf die Hauptstraße, an der sich viele jüdische Häusern befunden hatten, in den nächsten Jahren saniert wird, wurden die Stolpersteine im Gemeindehaus aufgestellt. Sie erinnern an die Familien Gerst, Rosenbaum und Hausmann. Auch hier wurden die Lebensläufe und Schicksale der jüdischen Nachbarn vorgestellt, bevor Ludwig Spaenle als Antisemitismusbeauftragter der Bayerischen Staatsregierung und Maria Becker als Organisatorin wichtige Gedanken formulierten und anregende Impulse zum Thema „Jüdisches Leben heute in Deutschland“ gaben und betonten, wie wichtig das Erinnern ist, um ein Erstarken rechter Kräfte zu verhindern und um dafür zu sorgen, dass jüdische Menschen unbeschwert und ohne Furcht in unserem Land leben können. Auch Landrat Johann Kalb betonte die Wichtigkeit der Erinnerungskultur: „Die heute verlegten Stolpersteine erinnern uns an jüdischen Familien, die ein elementarer Bestandteil der Dorfgemeinschaften im Landkreis Bamberg waren.“ Er bedankte sich bei allen Beteiligten und lobte auch das Engagement der Schüler, die sich gemeinsam mit ihren Lehrkräften mit dem Thema befassten.
Den Abschluss bildete eine Zusammenkunft aller Beteiligten in der Aula der Mittelschule Schesslitz, an der viele Schülerinnen und Schüler teilnahmen, was die enge Verzahnung des Projekts der Verlegung der Stolpersteine mit der schulischen Arbeit eindrucksvoll verdeutlichte. Nachdem letzte Zeitzeugen kaum noch leben und deshalb auch nicht mehr von ihren Erlebnissen berichten können, muss die Erinnerung von der jungen Generation fortgeführt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine umfassende Aufklärung der Jugendlichen im Unterricht über die Zeit des Nationalsozialismus und die Geschichte des Antisemitismus unabdingbar. Noch besser und effektiver ist es, wenn sich die jungen Menschen selbst aktiv an einem Vorhaben beteiligen – so wie an der Verlegung der Stolpersteine als Erinnerungszeichen in ihren Heimatorten. „L’dor v’dor: von Generation zu Generation“. Dieser in der jüdischen Kultur häufig gebrauchte Spruch ist eine Verpflichtung für uns alle – heute mehr denn je.
Die Veranstaltung wurde gefördert aus Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Bamberg sowie von der Amadeu Antonio Stiftung. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus 2024 statt.
Dr. Christa Horn
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