Stellungnahme der Hofer Kreis-GRÜNEn zur geplanten Umfahrung Fattigau/Oberkotzau

Blick über das Tal an der Autengrüner Straße in Oberkotzau
Blick über das Tal an der Autengrüner Straße in Oberkotzau

Pressemitteilung der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Hof:

Stellungnahme zum ersten Spatenstich an der geplanten Umfahrung Fattigau/Oberkotzau am 18. Oktober 2024

Blühwiese in der Ortsmitte von Oberkotzau

Blühwiese in der Ortsmitte von Oberkotzau

In Oberkotzau gibt es nahe der Kreuzung Schulstraße/Plärrer/Hofer Straße ein kleines freies Grundstück, auf dem man stolz auf eine innerörtliche Blumenwiese hinweist. Im Außenbereich der Gemeinde Oberkotzau wird es allerdings bald ganz anders aussehen:

Der erste Spatenstich für ein seit langem geplantes und heftig umstrittenes Bauwerk steht an, bei dem es laut der Kreistagsfraktion der Hofer Bündnisgrünen aus ökologischer, sozialer, verkehrspolitischer, wirtschaftlicher, finanzieller und rechtlicher Sicht etliche Probleme geben wird: gemeint ist die Ortsumfahrung Oberkotzau. Die Fraktion weist nun zum wiederholten Mal darauf hin, dass es heutzutage, im Zeitalter der weltweit deutlich spürbaren klimatischen Veränderungen, völlig aus der Zeit gefallen ist, ein derartiges Straßenbauprojekt zu realisieren.

Ökologische und soziale Probleme:

Flächen und Böden zu versiegeln bedeutet, Hochwasserereignisse zu fördern. Den Wassermengen von Starkregenvorkommen wird die Möglichkeit genommen zu versickern. Das Gebot der Stunde würde eigentlich heißen: keine zusätzlichen Flächenversiegelungen! Im Gegenteil – wo immer es geht, sollten Flächen entsiegelt werden. Die Veränderungen durch den menschengemachten Klimawandel im Natur- und Wasserhaushalt sind nicht kompensierbar. Seit Jahren ist allen Beteiligten klar, dass es keine sogenannten „Ausgleichsflächen“ mehr gibt. Immer deutlicher ist zu beobachten, dass Rückzugsräume für wildlebendeTiere immer stärker reduziert und vor allem auch durchschnitten werden. Das dadurch verursachte Artensterben und die Verringerung von Populationen geschieht immer schneller. Betroffen sind insbesondere alle Insekten, genauso wie Kleintiere, Schalenwild und Vögel – kurz gesagt: Straßenbau schließt Biodiversität aus.

Lärm und Feinstaub jeder Straße belasten die Anwohner; die Häuser und Grundstücke verlieren an Wert. Ein Straßenneubau bedeutet einen zusätzlichen Verlust an Lebensqualität für alle Bewohner der Gemeinde. Im Baubereich der neuen Straße befinden sich Wasserläufe, Brunnen und Quellen. Das Wassergutachten liegt dem Wasserwirtschaftsamt offenbar noch nicht vor. Kann es sein, dass man einen Bau beginnt, bevor die Auswirkungen geprüft sind?

Verkehrspolitische und wirtschaftliche Probleme:

„Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten“. Die Gültigkeit dieses Satzes wird seit Jahrzehnten immer wieder mit neuen Straßenbauprojekten überprüft, und siehe da: diese Aussage bewahrheitet sich immer wieder. Neue Straßen schaffen nicht weniger Verkehr, sondern sie fördern den Individualverkehr; sie verursachen ein Mehr an Autofahrten verbunden mit einem höheren CO 2-Ausstoß. Es wird auf dieser Straße schneller gefahren werden als auf der bisherigen Trasse, d. h.: das Unfallrisiko steigt. Ein eklatanter Schildbürgerstreich ist die Zu- und Abfahrt durch die Oberkotzauer Schulstraße. Man will den Verkehr aus dem Ort herausnehmen und schafft eine Anbindung mitten in den Ort hinein? Und zwar ausgerechnet durch diejenige Straße, an der die Oberkotzauer Schule und der Hort liegen; er wurde erst ganz neu gebaut. Kinder werden die Straße überqueren, die Ampel an der Kreuzung „Plärrer“ wird bleiben.
Die Trassierung der Ortsumfahrung Richtung Hof mit einem Kreisverkehr auf der Hofer Straße ist am Ortsausgang durch den Neubau mehrerer Supermärkte zu einer Einmündung in einem verkehrsintensiven Bereich geworden. Neue Unfallschwerpunkte werden entstehen, für alle Verkehrsteilnehmer, insbesondere auch für die Radfahrer.

Die Verkehrsberuhigung, die man innerorts erwartet, wird nicht kommen, weil

  1. ein Großteil des Verkehrs innerhalb von Oberkotzau startet und endet, und
  2. sich innerhalb des Ortes Speditionen und Betriebe befinden, die auch bleiben werden. LKW’s lassen sich nicht durch eine Umfahrung dematerialisieren.

Der sich verlagernde Durchgangsverkehr wird bewirken, dass der innrörtliche, fahrende Verkehr schneller wird. Gastronomische Betriebe und Geschäfte werden weniger frequentiert werden und – Beispiele zeigen es – im Laufe der Zeit aufgeben. Diese Art von „Beruhigung“ kann nicht erwünscht sein; bei „Tempo 30“ in Fattigau und Oberkotzau wäre das anders.

Die neue Umfahrungsstraße wird die bis jetzt ruhige Landschaft in diesem Bereich, der bis jetzt der Naherholung dient und von traditioneller Landwirtschaft geprägt ist, von Grund auf verändern. Aufschüttungen und Bauumgriff werden ein Ausmaß erreichen, das für viele Bürgerinnen und Bürger heute nicht für möglich gehalten wird. Oberkotzau wird durch die Baumaßnahmen keine Weiterentwicklung erfahren, sondern als Beispiel für Uneinsichtigkeit und Ignoranz gelten. Die jahrelangen Beeinträchtigungen durch den zusätzlichen Verkehr mit Lastkraftwagen und Baumaschinen werden immens sein.

Zudem wird der anstehende Ausbau des Bahnverkehrs das Verkehrsgeschehen im Ort beeinflussen. Das Lärmaufkommen im Ort wird sich durch die Zunahme der Bahnfrequenz und durch die Zunahme des Kfz-Verkehrs auf der neuen Straße erhöhen. Bereits die Lärmschutzwände, deren Bau momentan nur für die Bahntrasse geplant sind, werden das Ortsbild verändern. Wie sieht Oberkotzau aus, wenn auch Schutzmaßnahmen für die Ortsumfahrung erforderlich werden?

Finanzielle und rechtliche Probleme:

Der Straßenneubau bedeutet eine Geldverschwendung ersten Ranges: standen anfangs 14 Millionen Euro zur Disposition, so sollen nun 60 Millionen Euro dafür ausgegeben werden. Wer auch nur am Rande Neubauten aller Art betrachtet, weiß, dass diese Summe nicht reichen wird. Allein sieben Brückenneubauten sind geplant auf der Länge von 5,6 Kilometern. Wer denkt an die Folgekosten? Wer denkt an den zusätzlichen Winterdienst auf dieser Strecke, der zusätzliches Personal erfordern wird?

Zu den finanziellen Problemen müssen auch die Brückenneubauten gezählt werden. Während in der Stadt und im Landkreis Hof horrende Probleme bei der Finanzierung des Erhaltes und der Sanierung von derzeit maroden Brücken vorhanden sind, werden für die OU Oberkotzau sieben neue Brücken gebaut, die zwischen 6,5 Metern und 15 Metern hoch sein werden. Entsprechende Böschungen, Auffüllungen und Begradigungen werden einen Bauumgriff erfordern, den man sich kaum vorstellen kann. Denkt heute jemand an die Unterhalts- und Erhaltungskosten dieser Brücken?

Tim Pargent, Landtagsabgeordneter der Bündnisgrünen aus Bayreuth, besuchte im Sommer 2024 die vorgesehene Baustelle. Seine kritischen Fragen an die Bayerische Staatsregierung wurden relativ nichtssagend vom bayerischen Minister für Wohnen, Bau und Verkehr, Christian Bernreiter beantwortet. Pargent weist im Zusammenhang mit den explodierten Kosten darauf hin, dass keine Neuberechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses vorgenommen wurde, weil dies rechtlich nicht erforderlich sei. Das Ergebnis könnte allerdings so manchem Verantwortlichen in Politik und Behörden die Augen öffnen, meinen die Hofer Kreisräte. „Der Eintrag ins Schwarzbuch der Steuerzahler ist für die nächsten Jahre vorprogrammiert;“ meint Nanne Wienands, Kreisrätin der Hofer Bündnisgrünen.

Rechtlich sieht es so aus, dass über den 2. Bürgerentscheid noch nicht abschließend entschieden ist. Nach etlichen Verzögerungen ist die entsprechende Verwaltungsakte der Gemeinde Oberkotzau nunmehr beim Verwaltungsgericht und beim Rechtsanwalt angekommen. Ein Eilantrag ist in Vorbereitung. Ein Fakt zu den rechtlichen Aspekten sind die nicht haltbaren Zahlen der Verkehrszählung. Hier hat man die Zählstellen so gelegt, dass nicht der Durchgangsverkehr erfasst wurde, sondern der Verkehr an den Ortseinfahrten. Durch den dort vorhandenen Handel und den entsprechenden Kundinnen und Kunden, und die Firmen mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, werden die Zahlen falsch bewertet.

Abschließend sei gesagt: die vielzitierte Spaltung der Oberkotzauer Bevölkerung entstand nicht durch die Arbeit der Bürgerinnen und Bürger, die versucht haben, die Notwendigkeit des Straßenneubaus in Frage zu stellen. Die geplante und nicht zeitgemäße Ortsumfahrung ist die Ursache für die Spaltung.

Fraktion der Bündnisgrünen im Hofer Kreistag:
Mirjam Kühne, Regnitzlosau
Birgitt Lukas, Eichenstein
Thomas Friedrich, Helmbrechts
Klaus Schaumberg, Selbitz
Nanne Wienands, Schwarzenbach/Saale


nochmal zur Erinnerung:

Pressemitteilung von MdL Tim Pargent 20.09.2024

Schriftliche Anfrage des Landtagsabgeordneten der Bündnisgrünen, Tim Pargent: Einblicke zur veralteten Datenbasis der Ortsumgehung Oberkotzau
„Die Ortsumfahrung Oberkotzau braucht ein Moratorium!“

Bereits im Oktober dieses Jahres ist der Spatenstich für die geplante Ortsumgehung Oberkotzau vorgesehen, die seit 2010 im Vorentwurf steht. Damals für 14,5 Mio. Euro kalkuliert, soll sie nun für 60 Mio. Euro realisiert werden. Dabei kostet allein der Brückenbau mit über 20 Mio. Euro mehr als die ursprünglich geplante Strecke. Auch die Erdarbeiten, die notwendig sind, um das hügelige Terrain anzupassen, belaufen sich laut aktueller Kalkulation auf 18,7 Mio. Euro. Doch das ist nur ein kritischer Punkt, weshalb der Landtagsabgeordnete Tim Pargent die Ortsumgehung Oberkotzau mit einer Schriftlichen Anfrage hinterfragt hat.

Die Antwort der Bayerischen Staatsregierung liegt nun vor und offenbart Widersprüchlichkeiten. Trotz der explodierten Kosten wurde keine Neuberechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses vorgenommen, weil dies rechtlich nicht gefordert sei.

Und auch die aufgeführten Verkehrszählungen der amtlichen Straßenverkehrszählungen (SVZ), die alle fünf Jahre erhoben werden, weisen seit dem Jahr 2000 eine sinkende Verkehrsbelastung auf, vor allem in der Ortsdurchfahrt Fattigau. Dort wurde 2015 und 2021 rund ein Drittel weniger Kraftfahrzeuge erfasst. Auch für die Zählstelle nördlich Oberkotzau wird ein geringerer Wert angegeben. Jedoch verweist das Antwortschreiben darauf, die letzte Verkehrsmessung sei pandemiebedingt nicht mit vorherigen Zählungen vergleichbar und der Wert damit unzuverlässig. „Da die Ergebnisse der Straßenverkehrszählung 2024 noch nicht vorliegen, gibt es faktisch keine belastbaren Zahlen seit 2015“, so Pargent. Ob die Prognosebelastung für 2025 zutreffe, die 2010 im Rahmen des Verkehrsgutachtens des Planfeststellungsverfahrens erstellt wurde, sei faktisch nicht belegt. Die Staatsregierung spricht zwar von einer Evaluation im Rahmen aktueller Zählungen und dass sich die aktuellen Zählungen aus 2024 mit der Prognose deckten. Gleichzeitig wird es allerdings darauf verwiesen, dass die Ergebnisse der Straßenverkehrszählung noch nicht vorlägen. Genannt werden die Spitzenwerte der Zählungen, wobei zu Beginn erläutert wird, dass die Berechnung der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke über Mittelwerte zustande kommt: zwei Werte, die nicht miteinander verglichen werden können. „Das ist, als ob man Äpfel mit Birnen vergleicht“, findet Pargent. „Die Ortsumfahrung Oberkotzau zeigt sich nun mit vierfachen Kosten, lückenhaften Verkehrsmessungen und hohem Flächenverbrauch. Eine Verschwendung von Steuergeldern! Vor diesem Hintergrund fordere ich mindestens ein Moratorium für den Baubeginn bis aktuelle und belastbare Verkehrszahlen vorliegen.“

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