Der frühere Bamberger Erzbischof Ludwig Schick wird 75 Jahre alt
„Ich bin gut beschäftigt, Gott sei Dank“, sagt Ludwig Schick. Knapp zwei Jahre nach seinem Amtsverzicht als Bamberger Erzbischof lebt er weiter nach dem Motto: „Außer Dienst, zu Diensten“. Es gehe ihm „körperlich, geistig und seelisch sehr gut“ betont er und erwähnt, dass er immer noch täglich um 4.30 Uhr aufsteht und nach der obligatorischen Joggingrunde und Gebet mit der Arbeit beginnt. Am Sonntag (22. September) wird er 75 Jahre alt.
Schick hat das Bischofshaus für seinen Nachfolger Herwig Gössl geräumt. Er wohnt jetzt einen Steinwurf entfernt in der Nähe des Doms, eine Bürokraft unterstützt ihn. Regelmäßig ist Schick im ganzen Bistum und darüber hinaus unterwegs, hält Firmgottesdienste, Exerzitien und Vorträge und veröffentlicht wissenschaftliche Beiträge. „Da ich nicht mehr an Sitzungen des Erzbistums, der Bischofskonferenz und anderer Institutionen teilnehme, kann ich mehr lesen, studieren, Besuche machen, beten, wissenschaftlich arbeiten und schreiben.“
Erzbischof Gössl äußerte sich froh und dankbar für die umsichtige Arbeit und die weitsichtigen Entscheidungen seines Vorgängers. „Nicht alles war einfach zu vermitteln, aber im Rückblick können wir sagen: Erzbischof Ludwig hat das Bistum gut und sicher geleitet – in schwierigen Zeiten“, so Gössl.
Vor genau 22 Jahren, am 21. September 2002, wurde Schick in das Amt als Erzbischof von Bamberg eingeführt. Er übernahm die Bistumsleitung in einer Zeit der finanziellen Krise, die schwere Entscheidungen nötig machte. Inzwischen wurde der Posten einer Ordinariatsdirektorin geschaffen, drei von acht Hauptabteilungsleitungen sind mit Frauen besetzt. Ein Fachmann ohne Priesteramt wurde als Finanzdirektor eingesetzt. Viele Kirchen, das Bistumshaus St. Otto, Schulen, Bildungshäuser und andere Gebäude im Bistum konnten saniert werden. Die Strukturen des Bistums wurden den veränderten Bedingungen angepasst und neue Seelsorgebereiche gegründet. In seiner Amtszeit wurde die Partnerschaft mit dem Bistum Thiès im Senegal aufgebaut. Vor zwei Jahren sah Schick seine Arbeit als abgeschlossen an und trat am 1. November 2022, wie seine drei Vorgänger, vorzeitig in den Ruhestand.
Ludwig Schick passt in keine Schublade, wenn es um die Frage nach liberal oder konservativ geht. Als Theologieprofessor und Kirchenrechtler verteidigte er stets die katholische Lehre, auch wenn es unpopulär oder unbequem war, und lehnte beliebige Anpassungen an den Zeitgeist ab. Zugleich schlug er Lockerungen beim Zölibat vor, indem er anregte, mehr von der Dispens-Möglichkeit für bewährte verheiratete Männer Gebrauch zu machen. Immer wieder sprach er sich für die völlige Gleichberechtigung der Frau in der Kirche aus. Auch das Lehramt verändert sich, so die Überzeugung des Kirchenrechtlers. Dass die Kirche sich immer reformieren muss, steht für ihn außer Frage. Und dass der Heilige Geist zu Veränderungen führen kann, die heute noch niemand für möglich hält, davon ist er auch überzeugt.
Mit seinem Einsatz gegen Extremisten, Populisten und religiöse Fanatiker hat Schick sich viele Feinde im rechten Lager gemacht. Schon 2014 sagte er, dass Christen sich nicht an fremdenfeindlichen Pegida-Demonstrationen beteiligen sollten. 2016 sagte er beiläufig in einer Diskussionsrunde, dass laut Grundgesetz auch ein Moslem Bundespräsident werden könnte. Die Erwähnung dieser juristischen Selbstverständlichkeit führte zu üblen Beschimpfungen bis zu Todesdrohungen aus der rechten Szene, Polizei und Staatsschutz wurden aktiv. „Ich bin kein ängstlicher Mensch“, sagte Schick. „Aber wenn man es mit Fundamentalisten oder Fanatikern zu tun bekommt, kann einem Angst und Bange werden.“ Das hielt ihn aber nicht davon ab, immer wieder klar die christliche Position gegen Fremdenhass und Extremismus zu beziehen.
Von 2006 bis 2021 war Schick Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz und galt damit als „Außenminister“ der katholischen Kirche in Deutschland. Seine Reisen führten ihn in viele Krisenregionen wie Syrien, Irak, Nigeria.
Im vergleichsweise „hohen Alter“ entdeckte Schick seine Leidenschaft für die sozialen Medien. Noch vor Papst Benedikt XVI. war er 2012 der erste katholische deutsche Bischof auf Twitter, heute X. Auch im Ruhestand bedient er seine Facebookseite mit Tablet und Smartphone selbst und nutzt die Social-Media-Kanäle, um seine Botschaften zu verbreiten und mit Menschen in Kontakt zu sein. Als das Erzbistum 2022 einen TikTok-Kanal startete, ließ er die Follower an seinen Seilspring-Künsten teilhaben: Über 186.000 Aufrufe erzielte dieses Video inzwischen. Schick ist überzeugt: „Jesus würde heute twittern.“ Und auf die Frage, was er am liebsten erfunden hätte, antwortete er: „Twitter“.
In einem Fragebogen verriet er auch, dass er vor dem Eintritt ins Priesterseminar ein leidenschaftlicher Tänzer war, dass sein miesester Auftritt seine Abirede war, er vom Kuchenbacken überhaupt nichts versteht und er seit der Entscheidung für den Zölibat nicht mehr geflirtet hat. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er vor der Entscheidung für das Priestertum eine Freundin hatte und dass er ursprünglich Arzt werden wollte. „Aber im Nachdenken und durch Gespräche mit klugen Menschen wurde mir immer deutlicher: Du solltest etwas für das geistig-geistliche Leben der Menschen tun; ihnen für die Seele etwas geben, dass sie gut leben können“, sagte er. Dabei sei ihm das Evangelium als die Quelle der Weisheit für ein gutes Leben immer deutlicher aufgegangen: „Irgendwann war dann der Entschluss reif: Du wirst Pfarrer und trägst dazu bei, den Menschen die Weisheit Gottes aus dem Evangelium nahezubringen. So habe ich mich entschlossen, Priester zu werden.“
Seine philosophisch-theologischen Studien absolvierte Schick in Fulda und Würzburg. 1975 wurde er in Fulda zum Priester geweiht und war dann Kaplan in Neuhof (Kreis Fulda). Fünf Jahre später promovierte er an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Von 1981 an lehrte Schick in Fulda und in Marburg Kirchenrecht, von 1985 bis 2002 war er Lehrstuhlinhaber für Kirchenrecht an der Theologischen Fakultät Fulda.
1987 wurde Schick ins Domkapitel von Fulda berufen, drei Jahre später folgte die Ernennung zum stellvertretenden Generalvikar. Bischof Johannes Dyba ernannte Schick 1995 zum Generalvikar des Bistums Fulda. Es folgte 1998 die Ernennung zum Weihbischof in Fulda durch Papst Johannes Paul II. 2002 wurde er zum Erzbischof von Bamberg ernannt.
In den letzten Monaten seiner Amtszeit musste Schick sich auch verstärkt mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen befassen. Jeder Fall habe ihn tief erschüttert, betonte er und räumte auch Kommunikationsfehler der Bistumsleitung in den vergangenen Jahrzehnten ein. Missbrauch sei Mord an Kinderseelen. „Dagegen muss alles getan werden“, so Schick.
Die katholische Kirche sieht Schick derzeit in einer Phase der Neuorientierung. „Reformen sind möglich und nötig“, betont er und macht auch deutlich, dass die Gemeinschaft der Glaubenden wichtiger ist als die Institution Kirche. Die Gläubigen sollten sich aktiv an den Reformen der Kirche beteiligen. Sein Wunsch für die Zukunft ist es, „dass die Weltgesellschaft vom Geist des Evangeliums geleitet wird und sich die Zivilisation der Liebe überall verbreitet. Dafür muss die Kirche wirken.“ Für sich selbst wünscht er sich, versöhnt mit allen Menschen zu sterben. Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Das hat aber noch Zeit, das Sterben.“
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