Zehn Jahre Konversion in Bamberg

Der gegenwärtige Stand auf dem Lagarde-Campus./Foto: Stadt Bamberg, Hajo Dietz

Der gegenwärtige Stand auf dem Lagarde-Campus./Foto: Stadt Bamberg, Hajo Dietz

Für die US Army war es ein Abbruch, für die Stadt Bamberg ein hoffnungsvoller Aufbruch: Mit dem Trompetensignal am 12. September 2014 verließen die letzten US-Amerikaner nach bald 70 Jahren die Garnison in Bamberg. Die Bilanz zu zehn Jahren Konversion kann sich sehen lassen: „Die Konversion ist auf einem guten Weg. Etliche Areale konnten bereits vorbildlich entwickelt und einer zivilen Nutzung zugeführt werden. Mit dem Lagarde-Campus entsteht ein bemerkenswertes Viertel, das nicht nur dem Bamberger Osten, sondern ganz Bamberg einen wichtigen Impuls zur Stadtentwicklung geben wird“, ist sich Oberbürgermeister Andreas Starke sicher.

Eine Stadt, in der es eng zugeht, verhandelt plötzlich über 480 Hektar, knapp neun Prozent der gesamten Stadtfläche. Ein Glücksfall. Schon 2012, als die US Army ihren Rückzug aus Bamberg ankündigte, wurden Nägel mit Köpfen gemacht: Der Stadtrat fasste den Grundsatzbeschluss, das gesamte Areal zu erwerben. Geschlossen wurde eine Rahmenvereinbarung mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), der Eigentümerin des Areals. Gegründet wurden ferner das Amt für Strategische Entwicklung und Konversionsmanagement auf der Verwaltungsebene sowie der Konversionssenat mit Konversionsreferenten auf der politischen Ebene, um das Projekt erfolgreich und effizient vorantreiben zu können.

Die Hausaufgaben lagen gleich auf dem Tisch: Um das Areal bewerten zu können, forderte die BImA von der Stadt eine Zweckerklärung. In der Folge wurde ein ganzes Bündel an Maßnahmen losgetreten: Das Stadtentwicklungskonzept wurde fortgeschrieben. Bürger- und Expertenforen diskutierten mögliche Nutzungen. Im Gutachterdialogverfahren wurden zwei Entwürfe vom Stadtrat ausgezeichnet. Der Wettbewerb erbrachte wichtige Erkenntnisse für die Zukunft.

Bundespolizei und AEO

Doch es gab auch Überraschungen: Aufgrund der politischen Situation 2015 meldeten der Bund und der Freistaat eigene Bedarfe an. Die Folgen sind bekannt: In Teilbereichen der ehemaligen Panzer- und Artilleriekaserne siedelte sich das sechste Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum (BPOLAFZ) an. Das größte seiner Art in ganz Deutschland. Bamberg wurde für die Bundespolizei ein wichtiger Standort. Auf dem Gelände der ehemaligen Flynn Housing Area entwickelte der Freistaat Bayern das Anker-Zentrum bzw. die Aufnahmeeinrichtung für Oberfranken (AEO) unter Leitung der Regierung von Oberfranken. Damit sind große Flächen vom Bund und vom Freistaat seither genutzt.

Der Beschluss des Stadtrats aus dem Jahr 2012 hat dennoch Gültigkeit: „Sobald sich der Bund und der Freistaat zurückziehen, wird die Stadt Bamberg die dann freiwerdenden Flächen erwerben und entwickeln“, stellt Oberbürgermeister Starke klar. Für die Ankereinrichtung erwartet die Stadt die Flächenfreigabe für Ende 2025. Es gibt eine klare vertragliche Regelung mit dem Freistaat Bayern. Daran hält die Stadt fest und erwartet von der Staatsregierung Vertragstreue. Für die Bundespolizei existiert ein städtebauliches Entwicklungsmodell, das eine deutliche Flächenreduktion in der Zukunft vorsieht. „Auch dort haben wir konkrete Vorstellungen, um die Stadt zu fördern“, so Starke.

Im Mittelpunkt der Konversion steht aktuell der Lagarde-Campus. Darüber hinaus gibt es weitere Potenziale:

• Muna (140 Hektar): Geplant ist der Erwerb von der BImA, um dort Ökologie und Ökonomie miteinander zu verbinden.

• Flugplatz (89 Hektar): Betreiber sind die Stadtwerke Bamberg und der Aero-Club Bamberg e.V. Die Entwicklung eines Naturschutzgebietes soll wertvolle Flächen schützen und gleichzeitig den Flugbetrieb sichern.

• Golfplatz (35 Hektar): Betreiber ist der Golfclub Hauptsmoorwald Bamberg e.V. und es soll eine dauerhafte Sportmöglichkeit realisiert werden.

• Offizierssiedlung (6 Hektar): Die Entwicklung durch die Stadtbau Bamberg war wegweisend für günstigen Wohnungsbau, der nun mit weiteren Maßnahmen arrondiert werden soll.

• Pines Housing Area (3 Hektar): Nach dem Kauf und der Ertüchtigung der ehemaligen Kasernengebäude wurden weitere Möglichkeiten für eine Wohnraumerweiterung geprüft.

Durch die bisherige Entwicklung der Pines Housing Area, der Offizierssiedlung und der benachbarten Nato-Siedlung, die sich in Privatbesitz befindet, sind allein rund 300 Wohnungen entstanden. Zu den Qualitätsstandards gehört, dass sämtliche belastenden Baumaterialen aus der militärischen Vornutzung komplett entfernt wurden.

Qualitätsstandards

Filetstück ist der ca. 20 Hektar große Lagarde-Campus. Nach Abbruch und Entsiegelung rückte die Gestaltung in den Vordergrund. Den Löwenanteil macht die Wohnbebauung aus. Es entstehen rund 1100 Wohneinheiten von unterschiedlichen Investoren; die ersten Räume konnten bereits 2022 bezogen werden. Den Rahmen für die Gestaltung setzt das Qualitätshandbuch: So sind 20 Prozent der Mietwohnungen nach dem Modell der einkommensorientierten Förderung vergeben. Die Mieterinnen und Mieter erhalten einen Zuschuss nach den Wohnraumförderungsbestimmungen. Erreicht wird dadurch die soziale Durchmischung von Bewohnerinnen und Bewohnern. Es ist das Ziel verwirklicht worden, möglichst allen Bevölkerungsschichten eine Chance auf eine Wohnung dort zu ermöglichen.

Bundesweite Beachtung erfährt das Projekt der Stadtwerke, auf dem Lagarde-Campus 70 Prozent der Wärme für die denkmalgeschützten Gebäude und neu entstehenden Häuser mit Hilfe erneuerbarer Energien direkt vor Ort zu erzeugen. Die Energiewende wird auf der Lagarde mit Leben erfüllt.

Zudem entwickelten die Stadtwerke ein einzigartiges Mobilitätsangebot: Reduziert wurde der Stellplatzschlüssel pro Wohnung auf einen Stellplatz. Damit gelingt es, dass die Bewohnerinnen und Bewohner eine Mobilitätskarte buchen können. Diese beinhaltet neben dem ÖPNV-Ticket die Ausleihe von Autos, Elektroroller, E-Scooter und E-Bikes. Moderne Standards wurden erfüllt.

Leuchtturmprojekt Lagarde1

Leuchtturmprojekt auf dem Lagarde-Campus, auch optisch, ist „Lagarde1“, nämlich das Zentrum für Digitalisierung und Gründung. Das Projekt der IGZ Bamberg GmbH, aus der Taufe gehoben von Stadt und Landkreis Bamberg, versteht sich als erste Anlaufstelle für alle Gründerinnen und Gründer mit digitalem Geschäftsmodell in der Region. 2023 konnte Lagarde1 eingeweiht werden. Die enge Verknüpfung von Start-ups, Universität und den regionalen Unternehmen ist eine deutliche Stärkung des Wirtschaftsstandorts Bamberg.

2023 war auch die Grundsteinlegung für den „SancuraPark“ gleich neben Lagarde1. Im SancuraPark wird es neben einem zukunftsgerichteten Quartiershaus mit Demenzzentrum und Flächen für Ärzte, Physiotherapie u. ä. auch das Medical Valley Center Bamberg geben. Damit will die Stadt die Dynamik der Gesundheitsbranche nutzen, um Arbeitsplätze zu schaffen und zusätzliche medizinische und pflegerische Angebote zu machen.

Seit 2017 ist die Justiz Mieterin auf dem Lagarde-Campus: Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg und die dort angesiedelte Zentralstelle Cybercrime Bayern haben das ehemalige Headquarter bezogen und bearbeiten von dort aus die Straftaten im Zusammenhang mit der Computer- und Informationstechnik. Saniert wird die ehemalige Kommandatur in unmittelbarer Nähe. Diese wird das neue Domizil für die gesamte Staatsanwaltschaft Bamberg. Vorwärts geht es auch bei der Konzeptionierung der Reithalle als Kulturraum für den ganzen Bamberger Osten. Ziel ist die Verwirklichung einer multifunktionalen Veranstaltungshalle für unterschiedliche kulturelle Formate mit integrierter Gastronomie. Neben weiteren infrastrukturellen Einrichtungen wie zwei Parkpaletten bleibt darüber hinaus Platz für zwei Kindergärten, die das Angebot für Familien und Alleinerziehende vergrößern werden.

Platz für Grün

Das Konzept der Schwammstadt Bamberg wird auch auf dem Lagarde-Campus erkennbar sein. Platz für Grün ist auf dem Vorplatz der Reithalle, auf dem Willy-Brandt-Platz und im Lagarde-Park vorgesehen.

„Die Konversion ist ein Kraftakt. Mein Dank gilt allen, die sich vor Ort dafür eingesetzt haben. Die Entwicklung der Quartiere wäre ohne die großartige Förderung von Bund und Land nicht möglich gewesen. Das ist für uns ein willkommener Anlass, herzlich danke zu sagen“, so der OB bei der Bilanzierung der Konversion.

 

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