DGB Oberfranken: Mathias Eckardt – „Fairer Lohn für Frauen ist Glückssache“
Rund sieben Prozent verdienen Studentinnen im Hochschulpraktikum weniger als ihre männlichen Kommilitonen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Hans-Dieter Gerner und Robert Jäckle, Professoren für Betriebswirtschaft an der Nürnberger Ohm-Hochschule. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern, der „Gender Pay Gap“ beginnt also schon vor dem Eintritt in den echten Arbeitsmarkt. Dagegen kämpft schon lange der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) an. Dessen oberfränkischer Regionsgeschäftsführer Mathias Eckardt ist vom Ergebnis der Studie nicht überrascht.
Herr Eckardt, wie hoch liegt der Gender Pay Gap denn aktuell?
Bei etwa 18 Prozent. Das bedeutet, 18 Prozent weniger verfügbares Einkommen, 18 Prozent weniger Möglichkeiten zum Sparen, 18 Prozent weniger für die Einzahlung in die Rentenkasse und so fort. Diese Lücke verfolgt berufstätige Frauen bis zur Bahre.
Kritiker der Lohnlückestudien verweisen immer darauf, dass Frauen eher schlecht bezahlte Berufe wählten, eher weniger hart über Lohn verhandelten… Ja, dieses Pseudoargument ist nicht totzukriegen. Es ist unlauter, die Lücke auf die individuellen Entscheidungen von Frauen zurückzuführen. Schuld an der Lücke sind strukturelle Gegebenheiten.
Ab dem ersten Kind fallen Karrieresprünge für unglaublich viele Frauen weg, der Bruttolohn stagniert oder bricht ein, weil die Frauen in Teilzeit gehen und nicht mehr in Vollzeit kommen. Das hat viel mit Anreizen wie dem Ehegattensplitting zu tun, aber auch mit der fehlenden Kinderbetreuung oder fehlenden flexiblen Lösungen für die Betreuung von zu pflegenden Angehörigen. Sie können aber nicht abstreiten, dass tatsächlich viele Frauen die weniger gut bezahlten Jobs machen.
Tue ich auch nicht. Das zeigt allerdings deutlich, wie wenig wir als Gesellschaft zum Beispiel die Sorgeberufe wertschätzen: Wenn eine Erzieherin einen Bruchteil dessen verdient, was eine Steuerfachangestellte bekommt, sieht man sehr genau, welchen Wert wir welchen Tätigkeiten zuschreiben. Außerdem lassen sich nur rund 64 Prozent des Verdienstabstands durch solche Merkmale erklären, wie etwa, dass Frauen häufiger in Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus arbeiten, in denen schlechter bezahlt wird.
Und die anderen rund 36 Prozent Unterschied?
Sind einfach durch nichts erklärbar außer durchs Geschlecht. Bereinigt würde das eine Lohnlücke von sechs Prozent bedeuten. Aber das ist eine Milchmädchenrechnung, weil unsere Strukturen eben real so sind, dass sie es befördern, wenn Frauen nicht voll erwerbstätig sind. Die sechs Prozent wären ja nahe an den sieben Prozent der aktuellen Studie aus Nürnberg.
Ja, und hier ist interessant, dass die Teilnehmenden tatsächlich extrem homogen waren: 700 BWL-Studenten der Ohm-Hochschule im vorgeschriebenen Pflichtpraktikum kurz vor der Bachelor Prüfung. Und trotzdem fast sieben Prozent Unterschied in der Entlohnung. Gerecht geht anders Die beiden Experten für die Erforschung des Arbeitsmarktes schlagen als Lösung vor, zum Beispiel nur noch solche Betriebe für die Pflichtpraktika zuzulassen, die sich auf eine einheitliche Bezahlung verpflichten.
Ja, das ist ein denkbarer Weg. Auch der Vorschlag, eine Art „Mindestlohn“ für Studierende im Praktikum einzuführen, ist eine Lösung. Schlussendlich müssen wir uns als Gesellschaft bewusst machen, dass gleiche Arbeit bei gleicher Qualifikation auch gleichen Lohn bedeuten muss. Wir im DGB haben deshalb schon vor Jahren eine Forderungskatalog vorgelegt, um die Ungerechtigkeit zu beseitigen. Unter anderem verlangen wir eine gleichberechtigte Aufteilung der Sorgearbeit zu Hause, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bessere Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für Frauen – auch für Frauen in Teilzeit. Wir fordern eine Abschaffung des Ehegattensplittings in seiner bestehenden Form und den Ausbau von Betreuungsangeboten für Kinder und Pflegebedürftige.
Warum sollten Frauen überhaupt mehr arbeiten? Was spricht gegen das Modell des Hauptverdieners?
Worauf sich ein Paar einigt, ist dessen Sache. Wenn beide glücklich in einer solchen Aufteilung sind, dann ist das in Ordnung. Gesamtgesellschaftlich bedeutet diese Aufteilung aber neben Altersarmut bei Frauen auch eine Verschärfung des Arbeitskräftemangels: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir bis 2026 etwa 240.000 zusätzliche Menschen auf dem Arbeitsmarkt bräuchten. Da kommt es auf jede und jeden Einzelnen an, die oder der sich Vollzeit einbringt.
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