Katastrophenfall für Kommunalfinanzen löst beispielloses bayerisches Kliniksterben aus

Kommentar zu „Franken ’nahe am Katastrophenfall für die Kommunalfinanzen'“, der gemeinsamen Pressemitteilung der Bezirksverbände Mittel-, Ober- und Unterfranken im Bayerischen Landkreistag

Mit Recht weisen fränkischen Landräte auf die „desaströse“ Finanzlage ihrer Landkreise hin, oft ausgelöst durch 2-stellige Millionendefizite ihrer kommunalen Krankenhäuser. Für die bayerischen Krankenhäuser selber sieht die Lage noch schlimmer aus. Seit der Jahreswende 2023/2024 verzeichnen wir in Bayern 5 komplett geschlossene Krankenhäuser und 3 Teilschließungen – die wichtige Notfallversorgung steht nicht mehr wohnortnah zur Verfügung. Hinzu kommen 6 in bayerischen Landkreisen bereits beschlossene Schließungen, darunter das Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt mit immerhin 272 Klinikbetten. 3 weitere bayerische Kliniken sind insolvent. Zwei gemeinnützige Krankenhäuser soll das Klinikum Nürnberg übernehmen – ansonsten droht deren Schließung. (1) Das ist ein Erosionsprozess unter bayerischen Krankenhäuser und erschwert die wohnortnahe klinische Versorgung einschließlich stationärer Notfallversorgung mit dramatischen Folgen für die bayerische Bevölkerung: In 145 der 2.065 bayerischen 145 Postleitzahlregionen benötigen bereits jetzt die Einwohner mehr als 30, teilweise sogar mehr als 40 Fahrzeitminuten zum Erreichen eines Allgemeinkrankenhauses einschließlich stationärer klinischer Notfallversorgung. (2) Weitere Postleitzahlregionen werden folgen. Das kann bei eskalierenden Krankheitsverläufen und traumatischen Verletzungen lebensentscheidend sein.

Beispiel: Lange Fahrzeitminuten zum geschlossenen Krankenhaus in Schongau, Schließung am 01.03.2024

Beispiel: Lange Fahrzeitminuten zum geschlossenen Krankenhaus in Schongau, Schließung am 01.03.2024

Nachvollziehbar fordern die fränkischen Landräte eine prospektive bayerische Krankenhausplanung mit klaren Aussagen, welche Region in welchem Umfang welche klinischen Angebote benötigt. Und sie benötigen vom Freistaat dazu eine auskömmliche Investitionsfinanzierung im Umfang von jährlich 1 Milliarden Euro für Krankenhausgebäude und medizintechnische Ausstattung. Stattdessen verweist die bayerische Gesundheitsministerin Frau Judith Gerlach auf die Verantwortung der Kommunen für die klinische Versorgung (z.B. in Schweinfurt, Tirschenreuth), nickt jede beschlossene Klinikschließung oder Teilschließung ab und stellt lediglich 800 Mio. statt der benötigten 1. Mrd. Euro pro Jahr an Investitionsfördermitteln zur Verfügung. Mit echter bayerischer Krankenhaus-PLANUNG hat dieses reaktive und finanziell unzureichende Verhalten nichts zu tun. Damit trägt der Freistaat Bayern unmittelbare Mitverantwortung für das Kliniksterben in Bayern. Die von den Landräten geforderte prospektive Krankenhausplanung ist längst überfällig und hätte manches Krankenhaus retten können.

Das noch größere Übel ist die Bundesgesundheitspolitik mit limitierter und unzureichender Vergütung für die operativen Krankenhausleistungen. Wer den Kommunen den gesetzlichen Auftrag zur klinischen Versorgung überträgt hat umgekehrt die Verpflichtung, die hierzu erforderlichen Finanzmittel, d.h. operative Krankenhausvergütung über die Krankenkassen und Investitionsförderung über die Bundesländer, vollumfänglich zur Verfügung zu stellen. Wer dies – wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Landesgesundheitsministerin Judith Gerlach – nicht in ausreichendem Maße sicher stellt, dünnt die Krankenhauslandschaft in großem Umfang aus und gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung.

Nicht die Krankenhausplanung sondern der finanzielle Kollaps entscheidet aktuell, ob einer Region ein wohnortnahes Krankenhaus zur Verfügung steht. Aus der Corona-Pandemie mit damals unzureichenden Klinikbetten haben wir in Bayern nichts gelernt.

Klaus Emmerich
Klinikvorstand i.R.
Himmelkron
für die Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern


(1) Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Kliniken in Not, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/

(2) Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, Kliniken in Not, Klinische Unterversorgung, https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/unterversorgung/