Das Coburger Wanderfalken-Paar hat heuer drei Jungtiere großgezogen
Bereits das achte Jahr in Folge, nämlich seit 2016, brüteten auch heuer die Coburger Wanderfalken erfolgreich in der Turmspitze der Morizkirche, nachdem es für die inzwischen streng geschützten Vögel zuvor 132 Jahre lang keinen Brutnachweis in der Vestestadt gegeben hatte. Im Vorjahr hatten die beiden Elterntiere, die von ihren Beobachtern mittlerweile liebevoll „Wanda“ und „Falco“ genannt werden, ein Einzelkind großgezogen, wie man durch die Webcam des LBV Coburg beobachten konnte. „Deswegen war die Spannung groß, wie die Brutsaison dieses Jahr verlaufen würde“, sagt Naturfreund Matthias Kaller, der sich in diesem Jahr im Webcam-Forum besonders engagierte.
Bereits im Frühwinter 2024 fand sich das Altvogel-Weibchen Wanda nachts im Brutkasten ein, der männliche Altvogel Falco war mehrfach außerhalb am Kirchturm zu sehen. „Die Wanderfalken-Männchen heißen im Fachjargon auch ,Terzel‘, da sie etwa ein Drittel, also eine Terz kleiner sind als die Weibchen“, erklärt Matthias Kaller, der nicht zuletzt aufgrund seiner Begeisterung für Greifvögel seit einigen Jahren Mitglied im LBV ist. Auf diese Weise wurde das Brutrevier wiederbesetzt – nicht nur gegen andere Wanderfalken, sondern auch gegen andere Vogelarten. „In einem früheren Jahr hatte zum Beispiel auch schon einmal eine Nilgans Interesse am Brutkasten“, berichtet Matthias Kaller.
Zwischen dem 6. und dem 13. März legte das Weibchen im Abstand von etwa zwei Tagen insgesamt vier Eier, die von beiden Eltern abwechselnd bebrütet wurden, allerdings meist und stets nachts vom größeren Weibchen, während der Terzel für die Nahrungsbeschaffung zuständig war. In der Regel schlüpften die Wanderfalken-Küken etwa 35 Tage nach der Ablage des dritten Eies, ab da begann auch das eigentliche Bebrüten, damit alle Küken möglichst zur gleichen Zeit schlüpfen. Zur großen Freude knackten dieses Jahr Mitte April – also genau zur „errechneten“ Zeit – drei flauschig-weiße Küken ihre Eischale und atmeten ihre ersten Züge Coburger Luft. Die drei Jungfalken wurden von den Eltern liebevoll umsorgt. Auffällig war dieses Jahr, dass sich Falco ganz besonders in die Aufzucht der Jungen einbrachte, wie die Mitglieder des Forums zur LBV-Webcam beobachteten und über ins Forum eingestellte Screenshots auch dokumentierten. „Ist es bei Wanderfalken schon eher ungewöhnlich, dass der Terzel die Jungen überhaupt füttern darf und nicht nur Nahrungslieferant ist, stand das Coburger Wanderfalken-Männchen nach dem Füttern oft noch längere Zeit bei seinem Nachwuchs im Brutkasten, legte seine Flügel um die Küken oder schaute geradezu liebevoll zu, wie Wanda die Jungen fütterte“, berichtet Vogelfreund Matthias Kaller. Das führte zu erstaunten Diskussionen im Forum – ein äußerst ungewöhnliches, aber wunderbar mitzuerlebendes Verhalten!
An einem Vormittag im Frühjahr herrschte dann große Aufregung: Ein etwa ein Jahr alter Jungfalke erschien an der Morizkirche und kreiste einige Zeit zusammen mit den Altvögel um den Kirchturm. Das Revier wurde von Wanda und Falco aber nicht aggressiv verteidigt, anscheinend sahen sie in ihm keine Konkurrenz.
Die drei eigenen Jungtiere wuchsen rasch heran, und es wurde allmählich eng im Brutkasten. Das Weibchen übernachtete zwar noch weiterhin bei den Jungtieren, räumte aber tagsüber das Feld. Nachdem die drei Jungfalken schon einige Zeit auf dem Anflugbrett vor dem Brutkasten liegend das sonnige Wetter genossen hatten, begannen sie dann in der Woche vor Pfingsten mit ersten „Flugübungen“: Trainieren der Flugmuskulatur durch eifriges Flügelschlagen und erste kleinere Hopser. Aber der Blick aus 64 Metern Höhe hielt sie noch davon ab, den Sprung zum ersten Flug zu wagen. Die Altvögel lockten sie zunehmend mit lautem Rufen und Ablegen von Beute außerhalb des Brutkastens, bis dann zu Pfingsten alle drei Jungfalken ausflogen. Leider erlitt ein Jungvogel in den Folgetagen ein Anprelltrauma durch eine Kollision mit einem Bauzaun, aber dank der Aufmerksamkeit eines Vogelfreunds konnte er dem rührigen Team der LBV-Greifvogelauffangstation in Neu-Neershof übergeben werden, wo der Bruchpilot in besten Händen war, und schon wenige Tage später wieder an der Morizkirche freigelassen werden konnte. Er fand rasch wieder Anschluss an seine Wanderfalkenfamilie. Alle drei Jungfalken entwickelten sich prächtig und erlernten zunehmend ihre Selbständigkeit.
Nach und nach erweiterten die Jungfalken ihren Aktionsradius bis mehrere Kilometer außerhalb der Altstadt, fanden sich aber zusammen mit den Altvögeln bis Anfang Juli – in wechselnder Besetzung – immer noch an der Morizkirche ein. Seither suchen die Nachwuchsfalken nur noch sporadisch ihren Geburtsort auf.
Für Naturinteressierte waren es also wieder bewegende Szenen, die man in der Wanderfalken-Webcam des LBVs zu sehen bekommen hat. Seit 2021 können die Coburger über die Homepage des gemeinnützigen Naturschutzverbands unter www.coburg.lbv.de live im Leben der seltenen Greifvögel dabei sein und – dank der vom LBV in Zusammenarbeit mit Stadt und SÜC installierten Webcams – alle Phasen von Brut und Aufzucht mitverfolgen.
Das Webcam-Angebot wurde auch dieses Jahr wieder sehr rege genutzt. Auch die Medien berichteten wieder über die Coburger Wanderfalken. Im Bayerischen Rundfunk wurden sie sogar bayernweit berühmt.
Der LBV Coburg, der als gemeinnütziger Naturschutzverein die Installation sowie die laufenden Kosten für das Streaming bisher allein trägt, bittet weiterhin um Spenden (Kontoverbindung unter www.coburg.lbv.de) und sucht noch Sponsoren, um die Webcam langfristig zu ermöglichen. „Wir freuen uns über jede finanzielle Unterstützung für die Webcam“, sagt Frank Reißenweber, erster Vorsitzender des LBV Coburg.
Zur Geschichte des Wanderfalken im Coburger Land
Die Wanderfalken waren in den 70er Jahren in Bayern außerhalb der Alpen ausgestorben, vor allem wegen des gefährlichen Insektengifts DDT, das damals nach langem Kampf der Naturschutzvertreter in der Landwirtschaft verboten wurde. Durch konsequenten Schutz und künstliche Nisthilfen in hohen Gebäuden besiedelt der Wanderfalke jetzt wieder fast ganz Bayern – jedoch lange nicht bei uns, denn mangels Naturfelsen ist das Coburger Land kein erstklassiges Wanderfalkengebiet. 1884 hatten Wanderfalken das letzte Mal bei Fürth am Berg gebrütet, danach reisten sie nur noch durch unsere Region hindurch. Es gab zwar schon immer wieder Brutversuche, sie verliefen aber nie erfolgreich. Um den Wanderfalken im Coburger Land wieder fest anzusiedeln, hatte der LBV bereits vor einigen Jahren an der Veste Coburg und am Müllheizkraftwerk Wanderfalkenkästen angebracht, diese wurden aber bisher nicht angenommen. Der Nistkasten in der Morizkirche wurde vor 20 Jahren installiert, die Vogelschützer mussten sich aber bis 2016 gedulden, bis er von den Wanderfalken endlich gefunden und angenommen wurde. Die Kirchturmspitze ist optimaler Platz für den Wanderfalken: Der Nistkasten ist optimal geschützt vor Fressfeinden, und die Umgebung mit den vielen Dächern und Türmen bietet den Jungvögeln optimale Bedingungen für die ersten Flugtage.
Mit tatkräftiger Unterstützung der Firma Dacor und des Hochbauamtes der Stadt hat der LBV Coburg 2021 im Wanderfalken-Nistkasten zwei Beobachtungskameras installieren lassen, mit denen sich jetzt das Brutgeschehen und die Aufzucht des Nachwuchses live verfolgen lassen. Die beiden Hikvision-Kameras mit vier Megapixel Auflösung liefern einen Stream in HD-Qualität. Die Tag- und Nacht-Funktion gibt die Möglichkeit zur 24 Stunden-Vogelbeobachtung. Auch hören kann man, was im Wanderfalken-Nest vor sich geht. Dank Infrarot-Funktion kann man die Vögel auch noch im Dunkeln beobachten. Nach heutigem Wissensstand ist dies für die Tiere kaum wahrnehmbar und somit nicht schädlich.
Wanderfalken-Film
Mit enormem Zeitaufwand hat Olaf Pilz ehrenamtlich für den LBV Coburg einen kurzweiligen und liebevollen 24-minütigen Dokumentarfilm über den Coburger Wanderfalken-Nachwuchs zusammengestellt. „Die Nistkasten-Stories aus 62 Meter Höhe“ stehen langfristig im Youtube-Kanal als kostenloses Umweltbildungsangebot zur Verfügung. Der Film ist auch über www.coburg.lbv.de zu finden.
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