NGG Oberfranken startet Lockruf zur Ausbildung
„Arbeitgeber brauchen neuen ‚Azubi-Mut‘“
Reichlich Azubi-Chancen im Kreis Kulmbach: 304 Ausbildungsplätze warten auf Jugendliche
Ab August geht es los: Das neue Ausbildungsjahr startet. Doch viele Betriebe im Kreis Kulmbach sind nach wie vor auf der Suche nach Azubis: Bei der Agentur für Arbeit sind noch 304 freie Ausbildungsplätze registriert. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit. „Allein in der Herstellung von Lebensmitteln und Getränken bieten Unternehmen im Landkreis Kulmbach noch 31 Ausbildungsplätze“, sagt Inga Schneider von der NGG Oberfranken. Das seien allerdings nur die freien Ausbildungsplätze, die bei der Arbeitsagentur gemeldet wurden. „Die meisten Betriebe starten längst eigene Initiativen, um Azubis zu suchen. Und das vor allem digital – über Online-Portale und Social-Media-Kanäle“, so Schneider.
Die Gewerkschaftssekretärin der NGG Oberfranken rät jungen Menschen, beim Einstieg ins Berufsleben „die Vorteile, die eine Ausbildung bietet, zu erkennen“. Schneider wehrt sich dagegen, dass die duale Ausbildung mittlerweile „unter Wert gehandelt“ werde. „Es ist wie ein Reflex: Wer sein Abi oder die Fachhochschulreife in der Tasche hat, meint studieren zu müssen“, so Inga Schneider. Dabei würden gerade Industrie, Handwerk und Dienstleistung im Kreis Kulmbach und der Region enorme Chancen bieten. Wer dort eine Ausbildung mache, dem winke in der Regel eine sichere berufliche Basis und oft auch eine prima Karriere. Wichtig sei es, schon beim Ausbildungsvertrag auf tarifliche Leistungen zu achten.
Die Zeiten, in denen nur ein Studium ein überdurchschnittliches Einkommen garantiere, seien lange vorbei. So werde in vielen Branchen – zum Beispiel in den bayerischen Brauereien – gut verdient. „Außerdem kann auf eine Ausbildung oft auch ein Studium draufgesattelt werden“, sagt NGG-Gewerkschaftssekretärin Schneider. Eine duale Ausbildung sei „keine berufliche Sackgasse“. Wer in der Lebensmittelindustrie starte, könne beispielsweise den Meister oder Techniker anschließen. Aber auch ein Studium in Lebensmittelchemie, Anlagenbau oder Betriebswirtschaft. In der Gastro-Branche würde sich ein Studium im Tourismus-, Hotel-, Kultur- oder Eventmanagement anbieten.
Die Gewerkschaftssekretärin der NGG Oberfranken rät Jugendlichen, die noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind oder bei denen sich der Wunsch nach einem Studienplatz zerschlagen hat, sich bei der Agentur für Arbeit beraten zu lassen. „Aber auch die Chancen, durch eine Direkt-Akquise einen Ausbildungsplatz zu bekommen, sind enorm gut. Es bringt etwas, bei einem Betrieb anzuklopfen und zu sagen: ‚Hier bin ich. Was kann ich bei euch machen?‘ Ich kenne viele Betriebe, die locker aus dem Stegreif einen zusätzlichen Ausbildungsplatz schaffen könnten“, so Schneider.
Denn der Azubi von heute sei die Fachkraft von morgen. Und ein weiterer Fachkräftemangel verschärfe die Arbeitsbelastung in den Betrieben: „Es ist einfach schlecht für die Produktivität, aber auch fürs Betriebsklima, nicht rechtzeitig für den eigenen Nachwuchs zu sorgen“, so Schneider.
Die NGG Oberfranken kritisiert eine „bedauerliche Trägheit bei der Nachwuchsförderung“ im Kreis Kulmbach. Es werde grundsätzlich zu wenig ausgebildet – in der Gastronomie genauso wie in der Industrie. „Die Wirtschaft braucht einen neuen ‚Azubi-Mut‘. Der muss dann allerdings auch politisch unterstützt werden: Wird ein Azubi nach der Ausbildung übernommen, dann darf es dabei künftig keine Befristung mehr geben“, fordert Inga Schneider.
Die NGG Oberfranken setzt sich außerdem für „höhere Azubi-Standards“ ein: „In den Branchen, in denen es noch kein Azubi-Ticket vom Arbeitgeber gibt, machen wir uns dafür stark. Denn der Weg zur Berufsschule gehört zur Ausbildung. Und den muss keiner aus eigener Tasche bezahlen. Es geht aber auch um die Prüfungsvorbereitung im Betrieb und um mindestens zwei freie Tage zur Vorbereitung von Zwischen- und Abschlussprüfungen“, macht Schneider deutlich. Vor allem müssten sich aber auch die Betriebe einen deutlichen „Pro-Azubi-Push“ geben: „Je nach Branche ist da schon einiges zu optimieren. Das Betriebsklima – zum Beispiel in den Küchen – muss besser werden. Einen rauen Ton und ein schlechtes Klima im Betrieb lassen sich die Azubis heute nicht mehr gefallen. Im Zweifel wechseln sie den Ausbildungsbetrieb oder sie brechen im schlimmsten Fall die Berufsausbildung ganz ab. Da stehen die Arbeitgeber in der Pflicht“, so Schneider.
Außerdem sei es wichtig, dass Azubis eine tarifliche Ausbildungsvergütung bekämen. „Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt sei eine andere als noch vor einigen Jahren. „Ausbildungsbetriebe suchen händeringend nach Nachwuchs. Wer dabei keine guten Ausbildungsbedingungen bietet, hat als Arbeitgeber verloren“, sagt Inga Schneider.
Im Übrigen sollten Betriebe manchmal deutlich weniger auf die Noten im letzten Schulzeugnis schielen: „Sie sollten versuchen, die Talente der jungen Leute zu entdecken und zu fördern. Das bedeutet, dass Unternehmen mehr Gespräche zum persönlichen Kennenlernen führen. Aber auch, dass sie mehr Praktika anbieten. Oft ist es nämlich der zweite Blick, der dann zur ersten Wahl wird“, erklärt Inga Schneider. Auch bei Problemen in der Berufsschule müssten sich viele Betriebe mehr engagieren und Azubis unter die Arme greifen. Sie sollten beispielsweise betrieblichen Unterricht anbieten. Außerdem biete auch die Arbeitsagentur durch die „Assistierte Ausbildung“ eine Art „Azubi-Nachhilfe“.
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