Erzbischof Gössl: „Religion kann zum Kitt der Gesellschaft werden“

Erzbischof Herwig Gössl. © Pressestelle Erzbistum Bamberg / Dominik Schreiner
Erzbischof Herwig Gössl. © Pressestelle Erzbistum Bamberg / Dominik Schreiner

„Für die Wirksamkeit des christlichen Glaubens sind nicht Zahlen entscheidend“

Der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl ruft angesichts sinkender Gläubigenzahlen zu Optimismus und Hoffnung auf. Für die Wirksamkeit des christlichen Glaubens in der Gesellschaft seien nicht Zahlen entscheidend, sondern die persönliche Überzeugung und Bindekraft jedes Einzelnen, sagte Gössl am Donnerstagabend beim Empfang der Stadtkirche Nürnberg. Es müssten nicht alle Menschen wieder christlich werden, um die Risse in der Gesellschaft zu kitten. „Es genügt auch, wenn eine kleinere Gemeinschaft mit voller Überzeugung in Verbindung mit dem lebendigen Gott seht und das Leben gestaltet“, so Gössl.

Der Erzbischof verwies auf die vielen kleinen christlichen Gemeinschaften, die weltweit wirkten und oft auch von den Anders- und Ungläubigen für ihr verbindendes Engagement geschätzt würden. Eine Stadt ohne Kirchen wäre für ihn eine angstmachende Vorstellung, sagte Gössl und fügte hinzu: „Eine Stadt mit weniger Kirchen, in denen aber der Glaube gefeiert, bezeugt und weitergegeben wird, ein solcher Gedanke erfüllt mich mit Hoffnung und Zuversicht.“ So könne die Religion zum Kitt der Gesellschaft werden, „weil sie Menschen nicht ausgrenzt, sondern einschließt“.

Der Erzbischof warnte zugleich davor, Sinn und Bedeutung von Religion und Kirche darauf zu reduzieren, was daraus für die Gesellschaft an positiven Nebeneffekten abfalle. Religion sei nicht Mittel zu irgendeinem Zweck, sondern Bindung eines Menschen an Gott und Beziehung zu einer Macht, die alles übersteigt, was diese irdische Wirklichkeit bieten könne: „Der christliche Glaube bekennt sich zu Gott als dem, der alles aus Liebe erschaffen hat und am Leben hält.“

Christusnachfolge bedeute nicht, anderen die eigenen Positionen aufzuzwingen in der vermeintlichen Überzeugung, nur so ließe sich eine gute Zukunft erreichen. Christusnachfolge bedeute vielmehr, sich in den Dienst der Menschen zu stellen. Der christliche Glaube stehe nicht in Konkurrenz zu anderen Religionen, sondern er ermögliche ein wachsendes Miteinander im Interesse aneinander, um eine tragfähige Zivilgesellschaft zu bilden. „Vom christlichen Glauben gingen und gehen bis heute wichtige Impulse für unsere Gesellschaft aus, und zwar ganz von selbst und ohne lauernde Hintergedanken“, sagte der Erzbischof.

Etwa 220 Gäste aus Kirche, Politik, Gesellschaft und Medien nahmen am Empfang der Stadtkirche Nürnberg teil. Ort der Veranstaltung war die Kirche St. Ludwig in Nürnberg-Gibitzenhof. Nach dem Weggang der Franziskaner aus dem ehemaligen Kloster St. Ludwig hat die Pfarrei ein neues Konzept entwickelt, das sehr gut von der Bevölkerung angenommen wird. St. Ludwig bietet mit seinem Pfarrplatz dem gesamten Stadtteil einen Ort des Zusammenkommens und Miteinanders an. Passend zum Thema „Stadt ohne Kirchtürme?! Gesellschaft ohne Kitt!?“ hat der Leitende Pfarrer Alexander Gießen von der Sensibilität gesprochen, passend und nicht übergreifend auf die Bedürfnisse, Wünsche und Notwendigkeiten der Menschen im Stadtteil einzugehen.