Stellungnahme zur Verlegung des Fünf-Seidla-Steigs / Beschluss des Gräfenberger Stadtrats

Stellungnahme der „Kultur- und Projektwerkstatt Landweg“:

Die folgende Stellungnahme beruht auf einer persönlichen Einschätzung der Situation nach dem Gräfenberger Stadtratsbeschluss vom 16. Mai 2024 zur Verlegung des Fünf-Seidla-Steigs nach Einsichtnahme in das Beschlussbuch mit Niederschrift über die betreffende Sitzung. Grundlage dieser Einschätzung sind die Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und die Konzeption und Begleitung des Projekts durch mein Büro seit seiner Initiierung und Gründung im Jahr 2008.

1. Kernaussage

Der Fünf-Seidla-Steig kann und soll nicht auf die durch den Stadtratsbeschluss festgelegte Wegführung verlegt werden.

Einerseits ist ersichtlich, dass die Problematik der fehlenden Überleitung an der B2-Fußgängerampel Richtung Sollenberger Straße ausführlich im Stadtrat diskutiert wurde. Auch gehe ich davon aus, dass der Beschluss wohlmeinend im Sinne einer Vereinfachung der schwierigen Verkehrsführung für Fußgänger gefasst wurde. Andererseits hat die zeitliche Verzögerung der komplexen Angelegenheit nun offensichtlich kurzsichtige Schlussfolgerungen hervorgebracht, die dauerhaft nicht zielführend im Sinne einer guten und qualitativ hochwertigen Wegführung für Wanderer und andere Fußgänger im Stadtgebiet sind.

Der Beschluss erwirkt keinen Anschluss eines Fußgängerweges an die Querung der Bundesstraße (oder umgekehrt) und führt Fußgänger nicht sicher und nach festgelegten Kriterien für Wanderwege auf einer gemäßen Strecke.

Der Gräfenberger Stadtrat handelte und beschloss die Trasse offensichtlich in Unkenntnis oder Verdrängung der folgenden Sachverhalte:

  • Es existiert für den Fünf-Seidla-Steig eine Kommunikationsstruktur zur Anwendung auf Wegeverlegungen, die durch ein langjähriges Verfahren mit allen Projektbeteiligten erarbeitet wurde.
  • Der Deutsche Wanderverband hat Kriterien für qualitativ hochwertige Wegführungen festgelegt, an die der Fünf-Seidla-Steig angelehnt ist.
  • Die Streckenführung des Fünf-Seidla-Steigs als relativ „junger“ Wanderweg wurde seitens des FSV bewusst und ausschließlich auf bereits bestehende Wanderwege gelegt.
  • Die Stadt Gräfenberg als Kommune innerhalb der Qualitätswanderregion Fränkische Schweiz hat in Bezug auf Wegführungen eine besondere Verantwortung, auch hinsichtlich der Wegebeschaffenheit.

Vor diesem Hintergrund ist aus meiner Sicht die Grundlage des Beschlusses in Frage gestellt.

Ferner ist unklar, auf welcher Basis die Beteiligten diesen Beschluss umsetzen müssten, da er den internen Richtlinien der mit der Markierung beauftragten Ortsgruppen des FränkischeSchweiz-Vereins (FSV) sowie des Hauptvereins des FSV widerspricht – keine einzelnen Wege getrennt zu führen, sondern die Wegführung aller auf einer vorhandenen Trasse laufenden Wanderwege möglichst gebündelt zu halten.

Für mein Projektbüro kann ich ungeachtet der geltenden Lage schon jetzt die Aussage treffen, dass dieser Beschluss so nicht durch meine Tätigkeit mit getragen wäre. Dies betrifft die folgenden Bereiche der bisherigen Aufgaben meines Büros im Auftrag der Brauereien und Gaststätten:

  • Anweisung der Wegewarte und Ausstattung mit Beschilderungsmaterial
  • Änderung von Kartenmaterial / Beauftragung und Bestellung von Layout und Kartierung in Digital- und Printmedien
  • Kommunikation der geänderten Wegführung an die beteiligten Projektpartner

Das Projekt wird durch diesen Beschluss in seinem Kern so wesentlich beschädigt, dass ich mich mit meinem Büro weigern würde, die Nachsorgeleistungen insgesamt in der bisherigen Form weiterhin auszuführen. Begründet sehe ich dies darin, dass der ursprünglich als konform zu den Richtlinien des Deutschen Wanderverbandes ausgelobte Fünf-Seidla-Steig künftig weder den Qualitätsvorgaben des Deutschen Wanderverbandes, des Fränkische-Schweiz-Vereins sowie der Qualitätswanderregion Fränkische Schweiz entsprechen würde.

Im Folgenden werden die wesentlichen Aussagen der Stellungnahme detaillierter ausgeführt.

2. Begründungen

2.1. Trassenführung weiterer Wanderwege

Die nun fehlende Wegführung über die bisherige Treppenanlage betrifft außer dem FünfSeidla-Steig auch den Frankenweg, ein „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“. Auch dieser Weg kann nicht wie bisher begangen werden und müsste der Logik nach mit dem Fünf-Seidla-Steig entlang der Straße verlegt werden – was nach den Qualitätsrichtlinien jedoch nicht möglich ist.

Weiterhin führt der Strecken-Wanderweg Lillinghof-Pegnitz (Markierung Blauer Punkt) entlang derselben Trasse.

Der Stadtratsbeschluss legt nicht dar, wie mit diesen Wegen weiter verfahren werden soll.

2.2. Vorgehensweise bei Verlegungsanträgen & Richtlinien des Fränkische-Schweiz-Vereins

Für den Fünf-Seidla-Steig wurde in Abstimmung mit dem FSV und den beteiligten Kommunen relativ frühzeitig bei den ersten Anwohneranfragen zur Streckenänderung eine Struktur mit allen Partnern erarbeitet, wie in einem solchen Falle Kommunikationsschritte einzuhalten wären. Dies wurde letztmalig im Jahr 2018 von den Beteiligten bestätigt.

Das wesentliche Gespräch mit dem damaligen Hauptwegewart des FSV, Fritz Sitzmann, ergab im Juli 2018 von seiner Seite folgende Verfahrensschritte, an die man sich zu halten hätte:

  • Qualitätswege müssten (bei einer Verlegung) gesondert hinsichtlich Verschlechterungen und Kriterien des Deutschen Wanderverbandes bewertet werden.
  • Wenn mehrere Markierungen/Wege betroffen sind, sollten sämtliche Wege insgesamt auf die neue Strecke verlegt werden.

Ergänzend wurde ein Musteranschreiben für Anwohner verfasst, welches verdeutlicht, wie sehr sich die Beteiligten bewusst über ein sensibles Vorgehen bei Anträgen auf Streckenverlegungen waren (hier in Auszügen):

Im Jahr 2008 wurde die Wegführung für den Fünf-Seidla-Steig in enger Abstimmung mit dem damaligen Hauptwegewart des Fränkische Schweiz-Vereins e. V. festgelegt.

Der Fränkische Schweiz-Verein hatte zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, neue Themenwege in der Fränkischen Schweiz nur über das bereits bestehende Wanderwegenetz, betreut durch die jeweiligen Ortsgruppen des FSV, zu führen und dabei die Kriterien des Deutschen Wanderverbandes für Streckenführungen anzuwenden. Große Abschnitte des Fünf-Seidla-Steigs verlaufen unter anderem deswegen über den überörtlichen „Frankenweg“. Für alle Entscheidungen über Wegeverlegungen, die überörtliche Wege mit betreffen, ist der Hauptverein des FSV daher mit zuständig.

Auch bei der Führung oder Verlegung örtlicher Wanderwege wird der Hauptwegewart des FSV zur Koordination mit gehört.

Die folgenden Beteiligten sind im Einzelfall gefragt, Stellungnahmen zu möglichen Wegverlegungen abzugeben:

    • Stadt Gräfenberg / Gemeinde Weißenohe – je nach Wegeabschnitt
    • Die jeweilige Ortsgruppe / Wegewart des FSV
    • Fünf-Seidla-Steig-Brauereien

Nur im seltenen Fall kann eine Wegeverlegung im örtlichen Umfeld geprüft, bewertet und entschieden werden. Wir bitten auch zu bedenken, dass die rein örtliche Prüfung meist auch im Vorfeld erfolgt ist, um einen bestmöglichen Wegeverlauf hinsichtlich landschaftlicher und kultureller Besonderheiten und anhand der Kriterien des Deutschen Wanderverbandes zu wählen (z. B. Vermeidung von Wanderstrecken entlang von Straßen).

Sämtliche Vorgänge wurden hierbei dokumentiert und die Dokumentationen und Schriftstücke den Rathäusern zur Verfügung gestellt.

Die Stadt Gräfenberg hält sich im Falle des Beschlusses nicht an die Regularien zur Verlegung von Wegeabschnitten, die sie selbst in einem Prozess für außenstehende Personen und Institutionen mit festgeschrieben hat und die seitens der beteiligten Projektpartner vor allem mit dem für die Trassenführung und Markierung im Wesentlichen zuständigen FSV entwickelt wurden:

  • Die Brauereien wurden nicht zu den für einen konkreten Beschluss zur Debatte stehenden einzelnen, gesonderten Vorschlägen mit angehört – der Besprechungstermin im Rathaus am 15. April war offenbar nicht der Rahmen, konkrete Vorschläge auszuarbeiten und diese den Brauereien und dem FSV zur Beurteilung im Vorfeld der Stadtratssitzung vorzulegen. Eine Stellungnahme zu einem bestimmten Verlegungswunsch wurde nicht angefragt.
  • Der im FSV zuständige Hauptwegewart, Thomas Berbalk, wurde nicht angehört. (Der Beauftragte für Qualitätswege im FSV, Günther Häußer, wurde offenbar über die Thematik informiert. Im zeitlichen Rahmen der Erstellung dieser Stellungnahme konnte nicht herausgefunden werden, ob er Gelegenheit hatte, sich zu äußern.)
  • Da die Wegewarte beider Ortsgruppen (Gräfenberg und Weißenohe) mit betroffen sind, wären hier beide um eine Einschätzung der Situation zu bitten. Stellungnahmen zu dem konkreten Vorschlag der Beschlussgrundlage wurden nicht angefragt.

Laut Auskunft von Irene Brehmer-Stockum war im Allgemeinen von einer Verlegung zwischen Bahnhof Gräfenberg nach Weißenohe und zurück in dem Besprechungstermin im Rathaus keine Rede und insofern nicht ersichtlich, dass zu dieser Variante eine Stellungnahme seitens aller Beteiligten erforderlich sei.

„Das Fazit des Gespräches war aus meiner Sicht, dass man sich mit der 5-Seidla-Steig Verlegung an den Frankenweg hält.“

Quelle: E-Mail Irene Brehmer-Stockum

2.3.Richtlinien des Deutschen Wanderverbandes

Der Fünf-Seidla-Steig ist nach den Qualitätsrichtlinien des Deutschen Wanderverbandes eingerichtet und markiert, jedoch nicht zertifiziert. Seit der Entstehung hat der Deutsche Wanderverband die Kriterien fortgeschrieben und speziell für kurze Wanderungen neue Richtlinien erarbeitet. Für den Fünf-Seidla-Steig bietet die folgende Vorgabe für Wege von 4 bis 25 km Streckenlänge eine Orientierung in der Frage der angestrebten Beschaffenheit der Wege:

Richtlinien Wanderverband

Richtlinien des Wanderverbands

Da die beschlossene Wegführung geteert und eine für den Autoverkehr freigegebene Straße ist, kommt sie gegenüber möglichen anderen Alternativen, die bessere Wanderkriterien aufweisen, aus dieser Sicht keinesfalls in Frage.

2.4. Zusammenhang zur Qualitätswanderregion Fränkische Schweiz

Mit einer Investitionssumme von 1,2 Millionen Euro (auch aus kommunalen Mitteln!) wurde bis in das Jahr 2023 hinein die „Qualitätswanderregion Fränkische Schweiz“ etabliert. Die Konzeption weist u. a. die Darstellung des Wegenetzes auch hinsichtlich der Wegebeschaffenheit aus, um ein möglichst naturnahes Wandern zu ermöglichen. Geworben wird u. a. mit der „Schönheit und Einzigartigkeit“ der Region. Wegführungen entlang von Straßen werden unter diesen Aspekten als qualitativ minderwertig eingestuft.

Ein Highlight ist das routingfähiges Wegeportal: Unter www.wanderregion-fraenkischeschweiz.de können Sie als Wanderer und Besucher der Fränkischen Schweiz die Streckenverläufe aller vermessenen Wanderrouten einsehen, sich über Länge, Dauer, Anspruch, Höhenprofil und Wegebeschaffenheit informieren und die Strecken downloaden.

Quelle: www.fraenkische-schweiz.com

Die im LEADER-Projekt „Wanderleitsystem Fränkische Schweiz“ definierten Kriterien folgen dabei den Vorgaben für Qualitätswanderwege, die beim Deutschen Wanderverband für die Zertifizierung gelten. Zu diesen Kriterien für die Aufnahme von Wegen gehört hier u. a.

Wegeformat / Untergrundwechsel und Zusatzattribute anhand fünf vordefinierter Kategorien im Gelände: Asphalt stark befahren, Asphalt/(Beton-)Pflaster gering befahren, Forstweg, Wanderweg unbefestigt/Landwirtschaftlicher Weg, Trail

Quelle: Qualitätskriterien Wege, LAG Kulturerlebnis Fränkische Schweiz

2.5. Weitere Hinweise

Die Stadt Gräfenberg (Bürgermeister und Verwaltung) wurde bereits im März 2023 aus der internen Besprechung der Fünf-Seidla-Steig-Verantwortlichen per Mail über das Büro Landweg informiert, dass eine Veränderung in der Streckenführung im fraglichen Abschnitt zu erwarten sei und dass die Brauerei Friedmann anbieten würde, den Fünf-Seidla-Steig temporär über das eigene Grundstück zu führen. Hierauf wurde weder reagiert noch geantwortet. Erst nach der tatsächlichen Sperrung des Privatgrundstücks und auf Anfrage eines einzelnen Mitglieds des Stadtrats wurde der Stadtrat nach monatelanger Baustellensituation insgesamt aktiv. Der Vorschlag selbst wurde seitens der Fünf-Seidla-Steig-Beteiligten nicht weiter verfolgt, da auch hier eine Trennung der bislang gemeinsam geführten Wege im Raum gestanden und nur eine temporäre Verlege-Möglichkeit geschaffen worden wäre.

Die notwendigen behördlichen Vorgänge zur längst überfälligen Entschärfung einer sich anbahnenden Problematik und einer langjährigen bestehenden fragwürdigen Situation hinsichtlich eines fehlenden Gehsteigs entlang der innerörtlichen Bundesstraße und einer Tankstellenanlage bis an den Fahrbahnrand wurden nicht eingeleitet. Vor diesem zeitlichen Hintergrund ist ein Beschluss aus meiner Sicht zwar überfällig, jedoch fehlt eine koordinierte Vorgehensweise.

3. Fazit

Der Gräfenberger Stadtratsbeschluss spiegelt die Bemühungen um die Etablierung, Koordination und Nachsorge qualitativ hochwertiger Wanderwege im Gebiet der Fränkischen Schweiz nicht wieder und trägt der strukturellen Entwicklung des Fünf-Seidla-Steigs nicht Rechnung.

Aus meiner Sicht ist für die Situation der Wegführung an der Bundesstraße ein ergebnisoffener Dialog mit den Beteiligten – ggf. auch den Anwohnern – wünschenswert.

Den Stadtratsbeschluss halte ich für nicht zielführend in Bezug auf anzustrebende Verbesserungen für Anwohner und Fußgänger, für das Stadtbild, die Verkehrsführung, das Mobilitätsund Tourismuskonzept, die Stadtentwicklung insgesamt und das Image der Stadt Gräfenberg nach innen und außen.

Weißenohe, 20. Juni 2024
Julia Endres
Landweg Kultur- und Projektwerkstatt