Fichtelgebirgsverein feiert 50jähriges Jubiläum
Ein halbes Jahrhundert im Dienst von Natur und Kultur, von Brauchtum und Tradition – die 825 Mitglieder starke FGV Ortsgruppe hat allen Grund, am Wochenende zu feiern. Doch so groß das 50-jährige Vermächtnis ist: ihrem heutigen Selbstverständnis entsprechend tut sie das eher bescheiden am Samstag mit einem Italienischen Abend und einer Feierstunde am Sonntagvormittag.
Dann sind die Mitglieder, Freunde und Gönner um 9:30 Uhr zu einer Feierstunde, umrahmt vom Thomas-Chor und den Speichersdorfer Musikanten unter die großen Linde der Tauritzmühle eingeladen. Dann wird Vorsitzender Dieter Kottwitz einen Blick in die Meilensteine der Vereinsgeschichte werfen und langjährige und verdiente Mitglieder ehren. Ab 11 Uhr wartet ein Weißwurst-Frühschoppen auf die Gäste, bevor um 12 Uhr in einer ökumenischen Andacht Dank gesagt und Gott um seinen Segen gebeten wird.
Was immer der Verein seit seiner Geburtsstunde in den fünf Jahrzehnten angepackt hat, wurde zu einem guten und nachhaltigen Ende geführt. Indiz allein ist, dass 2024 neben dem Jubilar eigentlich auch gleich mehrere „FGV-Kinder“ Grund zum Feiern haben. Denn nicht nur, dass der Verein 1974 aus der Taufe gehoben wurde. Der Kraftquelle FGV entsprang vor 40 Jahre die Tauritzmühle, vor 40 Jahre die Musikschule und der Thomas-Chor und vor 35 Jahren die Speichersdorfer Musikanten. Zudem: nach fünf Jahrzehnten ist die „Tauritzmühle“ der Inbegriff eines einzigartigen Natur- und Kulturreservats und die FGV-Familie eines bunten Aktivpostens in der Vereinslandschaft der Gemeinde. Beides ist der manifestierte Ausfluss eines einzigartigen „Wir-Gefühls“ und das Ergebnis einer einzigartigen Lebensleistung und eines einmaligen Lebenswerks von drei Generationen der „FGV-Familie“.
Wer heute einen Rundgang um die Tauritzmühle macht, der findet das FGV-Herzstück einzigartig eingebettet in die Natur, bestehend aus drei Streuobstwiesen, der Krodelwiese, einem Kiesgrubenbiotop, der Tauritzbach-Aue zwischen Göppmannsbhl und Herzogsteg und zwei Fischteichen. Mit viel Eigenleistung und Geld erbaut findet der Spaziergänger einen Naturlehrpfad, Wassererlebnisplatz und zwei Biberstege, die wiederum heute durch barrierefreie Wege zu erreichen sind und die von den Klimabäumen Ulme, Buche, Feldahorn und Robinie gesäumt werden. In Eigeninitiative und mit Schulklassen angepflanzt finden sich Obstbäume, die wiederum von Baumpaten betreut werden. All das wird in Schuss gehalten durch regelmäßige Gehölzrückschnitte, Pflege- und Sanierungsmaßnahmen und Mäharbeiten. 762000 Euro sind es zwischenzeitlich, die seit der Gründung mit nachhaltigem Nutzen in die Bausubstanz, in Grund und Boden investiert wurden. Den Wenigsten ist bekannt, dass bereits am 20. Mai 1995 der Verein für die außergewöhnlichen Verdienste um die Erhaltung der Landschaft und der Natur des Fichtelgebirgsraumes die FGV-Umweltmedaille des Hauptvereins verliehen wurde.
Zur Erfolgsgeschichte „FGV & Tauritzmühle“ trägt auch das Pächterehepaar Tanja und Uwe Schäffler bei. Seit 2004 sorgen sie dafür, dass die Tauritzmühle mit seiner bürgerlichen Küche überregional als einzigartige Stätte der Gastlichkeit und Gemütlichkeit in wunderbarer natürlicher Umgebung bekannt ist. Vor und nach der Jahrtausendwende schickte sich der Tauritzmühlenkeller an, zur Kulturschmiede und Kleinkunstbühne weniger bekannter regionaler Kabarett-Talente zu werden. Das „Löstener Lieder Schmiede“-Quartett aus Zell bei Hof, das Frauen-Quartett Jodelfisch, Kabarettistin Heidi Friedrich aus Bamberg und Hubert Treml und Franz Schuier gaben ihr Gastspiel. Verschiedene musikalische und kulinarische Länderabende unter der Linde, Vernisagen und Krippenausstellungen im Keller zogen die Massen an. Keramikertreffen auf der Tauritzmühle führten die Fachwelt aus dem deutschsprachigen Raum zusammen. Anknüpfend an Schafkopfkurse wurde um den „Goldenen Pfennig“ gespielt. Jahrelang waren zur Kirchweih, zum „Erntedank wie zu Omas Zeiten“ und bei Wander- und Familientagen frisch gemodelte Butter, Buttermilch, frisch gebackenes Holzofenbrot und Holzofenpizza, die Hollunderstreibla mit Vanilleeis der Renner. Begehrt war auch der 2016 erstmals angebotene kleine Porzellan-Flohmarkt. Auf dem Tauritzmühlenweiher fanden Sautrogrennen, im Tauritzbach Entenregattas statt. Beim Preisschwammerln wurde der Schwammerlkönig gekürt und aus verschiedene Pilzsorten eine Waldschlachtschüssel im Hordentopf gekocht. Bei Wirtshaussingen mit Carolin Pruy und Volksmusiknachmittagen wurde in der Stube fränkischem und oberpfälzischem Liedgut gefrönt. Sieben Jahre lang, bis 2023, initiierte und organisierte Jugend- und Familienreferentin Martina Dötsch ein florierendes Freizeitangebot für die von ihr neu gegründete Kinderabteilung, die Outdoor-Kids.
Zum Erfolgsrezept gehört aber auch, dass der Verein in Sachen Veranstaltungen vor allem in den letzten Jahren mit nüchternem Blick für die Realität immer mit der Zeit gegangen ist. „Es war früher ein abwechslungsreicheres Vereinsleben. Einige Veranstaltungen gibt es heute nicht mehr. Eigentlich schade. Aber die Zeiten haben sich geändert“, so Kottwitz. Mit selbstkritischem Blick, vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten, hat sich die Führungsspitze vor allem seit 2014 den Herausforderungen der gesellschaftlichen Veränderungen gestellt und sich ihren Bedürfnissen angepasst. Nicht mehr Zeitgemäßes wurde über Bord geworfen, Neues kreiiert, Altbewährtes neu ausgerichtet. So wurde das traditionelle Johannisfeuer gecancelt. Nach 23 Jahren hatte 2016 im Frühjahr dem Keramikertreffen die Stunde geschlagen. 2017 wurde nach über 40 Jahren erstmals kein Wander- und Familientag mehr gehalten. Die großen Zeiten des einstigen Herzstücks waren vorbei.
So bestimmen heute Events wie „Fire & Ice“-Winterfeuer, Lichtmessfeuer, Petersfeuer, Outdoor & Fire mit Genußwandern, Fahrradfahren und Mountainbikern sowie Tastings das Jahresprogramm und den Veranstaltungskalender. Bewährte Kinderveranstaltungen hingegen wie Ostereiersuchen und Nikolausfeier wurden beibehalten.
Bei allen nötigen Veränderungen: den roten Faden seit der Geburtsstunde bildet ungebrochen die Wanderabteilung und das vom FGV betreute Wanderwegenetz. Da sind zum einen 144,3 Kilometer Wanderwege, davon 83,7 Kilometer Rundwanderwege, 4,1 Kilometer Naturlehrpfad und 56,5 Kilometer Fernwanderwege beziehungsweise Verbindungs- und Anschlusswege werden von aktuell 13 Wegepaten in der Freizeit markiert, betreut und gepflegt. Da ist zum anderen die WhatsApp-Gruppe „Donnerstagswanderer“. Hier sind 80 Wanderfreunde von Püchersreuth bis Pegnitz, von Waldershof bis Eschenbach gelistet. Durchschnittlich 40 Teilnehmer, geführt von 13 ausgebildeten Wanderführern, machen sich immer am Donnerstag (bis Mai alle 14 Tage, ab Juni wöchentlich) auf zwölf bis 15 Kilometer lange Wanderstrecken in der oberfränkischen und oberpfälzischen Landschaft. Jährliche Highlights sind die Mehrtageswanderungen, wie zuletzt im Steigerwald und in der Oberpfälzer Seenlandschaft. „Man liebt nur, was man kennt, und man schützt nur, was man liebt“, zitiert FGV-Chef Dieter Kottwitz Konrad Lorenz bei der neuesten Initiative. Unter dem Motto „Müllwandern und dabei Natur genießen ohne Müll“ hat sich die FGV Ortsgruppe 2024 auf die Fahnen geschrieben, Müllsammelaktionen und Wandern intelligent zu verbinden.
Wie nahm alles seinen Anfang: Am 28. August 1973 hatte Siegfried Schäller zwecks Gründung einer Fichtelgebirgsverein Ortsgruppe ein Schreiben an die Bürger der Gemeinde verschickt. Zweieinhalb Monate später, am 16. November 1973, fand im Sportheim des TSV die Gründungsversammlung der FGV-Ortsgruppe statt. 92 Bürger erklärten, wie das Gründungsprotokoll bezeugt, spontan ihren Beitritt. „Sie beflügelte das Bestreben, die Schönheit der Heimat für die Heimat zu erschließen, der reizvollen Landschaft Speichersdorfs als Naherholungsgebiet mehr Beachtung zu schenken, den Fremdenverkehr zu entwickeln durch Wanderwege, Trimm-Dich-Plätze, Campingplätze zu erschließen“, so Schäller, der zum ersten Obmann gewählt wurde. Im Dienste dessen standen bereits ganz am Anfang die Thomas-Sport- und Fischgruppe, das Überlebenstraining und das Fossiliensammeln. Damit wurde der Grundstein gelegt, dem viele Meilensteine folgten, die im gesellschaftlichen Leben prägend für die Region waren. Eigentlich war es eine FGV-Neugründung der Ortsgruppe. „Den wenigsten ist bekannt“, so hatte Siegfried Schäller 2013 aus dem Nähkästchen geplaudert, dass vorher schon mal eine Ortsgruppe bestanden hat, die aber eingeschlafen ist.“ Von der Gründerzeit zeugt neben einzigartigen Bildern auch ein besonderes Requisit: das jüngst im Schuppen der Tauritzmühle wiederentdeckte und restaurierte FGV-Schild, das früher gleichsam als Vereinstaferl bei jeder Veranstaltung vor Ort mit von der Partie war, so Kottwitz.
Die Mitgliederzahl stieg 1975 bereits auf 401 Mitglieder und 1978 auf 610. Am 27. Mai 1983 konnte die Ortsgruppe mit Jakob Giestl das 1000. Mitglied begrüßen. Getragen von Euphorie und Idealismus stießen in diesem Jahr auch viele neue Mitglieder zur FGV-Ortsgruppe und machten sie zur mitgliederstärksten im Hauptverein. Diese Spitzenposition behauptet die Ortsgruppe bis heute vor der Patenortsgruppe Weidenberg. In den Folgejahren waren es zeitweise über 1200.
Unzählige ehrenamtliche FGVler, allen voran die vielen Vorstandsmitglieder und Hüttenteams haben den Vereinsbetrieb am Laufen gehalten und über Jahrzehnte den FGV zu dem gemacht, was er heute ist. Die Internationalen Wandertage mit bis zu 5000 Teilnehmern, Sonnwendfeiern und Zeltlager wurden zum Markenzeichen und jährlichen Dauereinrichtung. Johannisfeuer mit Musik und Brucktanz wurden veranstaltet.
Als ein weiteres Aushängeschild wurde 1983 ein Naturlehrpfad eingeweiht. Festplatz und Ausgangspunkt aller Aktivitäten war seinerzeit bis 1984 der Tressauer Parkplatz. 1975 erworben und 1984 eingeweiht entstand bis 1992 unweit davon entfernt, am Tauritzbach, die Wanderschutzhütte „Tauritzmühle“ samt Nebengebäuden und Keller. „Der Kameradschaft, dem Idealismus und der Opferbereitschaft der Mitglieder“, so Ehrenvorsitzender Siegfried Schäller, „war es zu verdanken gewesen, dass aus eigener Kraft ein großartiges Haus entstand.“
Ein kleines Vereinsheim im Büro und Lagerschuppen vom Baugeschäft Fraunholz in der Neustädterstrasse (auf dem Gelände des heutigen Kindergartens San Franziskus), ab 1979 eine Baracke auf dem Gelände der abgebrannten Tauritzmühle waren die Zuhause-Vorläufer. Die im Anfang des 20.Jahrhundert entstandene Mühle, betrieben durch die angestaute Tauritz, hatte nach dem letzten Krieg verschiedene Besitzer. Die unbewohnte Mühle brannte 1970 bis auf die Grundmauern ab. 1975 setzte sich die Ortsgruppe Speichersdorf zum Ziel, die Tauritzmühle mit ökologischen Feuchtbiotop zu- erwerben. Mit den Kauf der Grundstücke im Jahre 1978 war der Grundstock für den Wiederaufbau gesetzt. Damit begann die Zeit der Häuslebauer. Am 13.September 1979 wurde der Holzbackofen eingeweiht, am 1. September 1982 der Weinkeller fertiggestellt und der Grundstein der „Mühle“ gelegt. In der „Alten Liebe“, einer nicht mehr als etwas besseren Baubude wurden am 6. September 1980 die ersten Wanderfreude bewirtet. Im April 1982 wurde die Elektrifizierung der Mühle vollzogen. 120 Mitglieder vollbrachten eine Glanzleistung und legten in zwei Tagen 1,3 Kilometer Stromkabel. Nebenbei wurden noch Wandertafeln in Ahorntal aufgestellt, die Aktion „Sauberer Wald“ durchgeführt, erinnert sich der heute 84-jährige FGV Grand Senieur, Wanderführer Alfred Höcht. Am 1. September 1982 erfolgte der Spatenstich für die Tauritzmühle, am 1. September 1984 die Einweihung, wodurch die Neustädter Strasse endgültig abgelöst wurde. Der Einweihung folgte die Fertigstellung des Nebengebäudes mit Keller im Oktober 1992. „Wie viele Haidenaaber haben wir die Mühle, die Weiher, den Backofen mit aufgebaut, die Linde gepflanzt, Bastelkurse gegeben und viel Hüttendienst gemacht“, erinnerte sich Günter Galke 2013 anläßlich seines 85. Geburtstags. Es sei ein erhebendes Erlebnis gewesen, wie sie die ersten Brote herausgezogen haben, schwärmte er. Zeitweise seien sie mehr auf der Tauritzmühle als zuhause gewesen, erinnerte sich Ehefrau Rosi. Insbesondere an die Jahre der Baracke erinnerten sich beide gerne. „Es war die schönste Zeit“, resümierten sie unisono. Bis sich an den ursprünglichen Plänen zur Verwendung des alten Haidenaaber Schulhauses die Geister schieden.
Eine Idee, die zur Weihnachtsfeier am 16. Dezember 1983 von dem seinerzeitigen Betriebsleiter Siegfried Schäller und stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Bruno Schinner angestoßen wurde und am 11. Mai 1984 auf Initiative von Alois Wöhrl aus der Taufe gehoben wurde, entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem etablierten Männer-Chor. Seit 40 Jahren trägt der Thomas-Chor musikalisch und gesellschaftlich in der Gemeinde wie darüber hinaus maßgeblich zur Bereicherung des kulturellen Lebens bei. Die Mitgestaltung der Seniorennachmittage, der Adventskonzerte, der FGV-Familien- und Wandertage, von kirchlichen Gottesdiensten, aber auch von Jubelfesten sind nur ausgewählte Beispiele einer Vielzahl an Auftritten. Er kann dafür aus einem reichen Repertoire von 200 mitunter englischen Liedern, von der Volksweise bis zur Operettenmelodie, vom Schlager bis zu den Comedian Harmonists schöpfen.
Ebenfalls auf Schällers Initiative hin und unterstützt von Wolfgang Bergmann und Chorleiter Richard Waldmann gründete sich1984 die FGV-Musikschule. Schon wenige Jahre später gingen aus den ersten Musikschülern die Speichersdorfer Musikanten, bis heute unter Leitung von Norbert Lodes, hervor. 1500 Schüler sind es zwischenzeitlich, die seither Klavier, Geige, Flöte, Gitarre, Akkordeon und Blasinstrumente gelernt haben. Heute wird darüber hinaus Solo- und Chorgesang sowie Ballett und Musiktheorie unterrichtet.
Die Geschichte des Fichtelgebirgsvereins in Bildern
Fotos/Repros: Wolfgang Hübner
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