Die Zukunft der Land­wirt­schaft – Dis­kus­si­on in Burgellern

v.l.n.r.: Ralph Behr (Stadtrat Scheßlitz), Otto Weiß (Kreisrat & Öko-Landwirt), Gisela Sengl (Grüne Landesvorsitzende), Bernd Fricke (2. Bürgermeister Stegaurach), Thomas Lang (Vorsitzender Landesverenigung für Ökolandbau), Tobias Kemmer (Kreisobmann BBV), Marion Link (Kreisbäuerin BBV)./Foto: privat

v.l.n.r.: Ralph Behr (Stadt­rat Scheß­litz), Otto Weiß (Kreis­rat & Öko-Land­wirt), Gise­la Sengl (Grü­ne Lan­des­vor­sit­zen­de), Bernd Fri­cke (2. Bür­ger­meis­ter Ste­gau­rach), Tho­mas Lang (Vor­sit­zen­der Lan­des­ver­ei­ni­gung für Öko­land­bau), Tobi­as Kem­mer (Kreis­ob­mann BBV), Mari­on Link (Kreis­bäue­rin BBV)./Foto: privat

Am 11. Mai luden die Grü­nen zu einer Podi­ums­dis­kus­si­on zur Zukunft der Land­wirt­schaft ein. Knapp 40 Gäs­ten ver­folg­ten gespannt die Dis­kus­si­on mit der Grü­nen Lan­des­vor­sit­zen­den Gise­la Sengl, dem Vor­sit­zen­den der Lan­des­ver­ei­ni­gung für Öko­land­bau Tho­mas Lang, dem Öko­land­wirt Otto Weiß sowie dem Kreis­ob­mann Tobi­as Kem­mer und der Kreis­bäue­rin Mari­on Link vom Baye­ri­schen Bau­ern­ver­band. Die Ver­an­stal­tun­gen zeig­te deut­lich die vie­len Gemein­sam­kei­ten zwi­schen Grü­ner Poli­tik und Land­wirt­schafs­for­de­run­gen auf. Zu Beginn begrü­ßen Ralph Behr, Grü­ner Stadt­rat in Scheß­litz, und Tim-Luca Rosen­hei­mer, Spre­cher Grü­ner Kreis­ver­band, die Anwe­sen­den. Bei­de wün­schen sich, eine kon­struk­ti­ve und wei­ter­brin­gen­de Dis­kus­si­on zum The­ma, denn Ernäh­rung ist die Grund­la­ge für alle von uns. Mode­ra­tor Bernd Fri­cke, 2. Bür­ger­meis­ter in Ste­gau­rach, stellt anschlie­ßend die viel­fäl­ti­gen Gäs­te des Podi­ums vor: Sengl, die selbst Mit­in­ha­be­rin eines Ökö-Betriebs ist und die jah­re­lang im Land­tag am The­ma Land­wirt­schaft gear­bei­tet hat. Weiß, der sei­nen Hof durch Direkt­ver­mark­tung und Öko­lo­gi­sie­rung bis heu­te gut – wenn auch „nicht immer ein­fach“ – erhal­ten konn­te. Lang, der die Lan­des­ver­ei­ni­gung der Öko­an­bie­ter vertritt.

Kem­mer und Link, die bei­de kon­ven­tio­nel­le land­wirt­schaft­li­che Betrie­be füh­ren und den baye­ri­schen Bau­er­ver­band ver­tre­ten. „Heu­te Abend wol­len wir auf­zei­gen, dass wir uns in der Sache kon­struk­tiv aus­ein­an­der­set­zen kön­nen, aber vor allem auch den Fokus auf Gemein­sam­kei­ten legen!“ so Bernd Fri­cke zu Beginn. „Land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­te soll­ten was wert sein! Zur Ehr­lich­keit gehört dann aber auch: Lebens­mit­tel mit Qua­li­tät wer­den teu­rer.“ eröff­net Gise­la ihren Anfangs­im­puls. Sie for­dert, dass sich die Zah­lun­gen an die Land­wirt­schaft anpas­sen müs­sen. Kei­ne rei­ne Flä­chen­sub­ven­tio­nie­rung von der EU mehr, son­dern geziel­te För­de­rung von qua­li­ta­ti­ven Merk­ma­len. Dies sei aus ihrer Sicht wich­tig, um von der rei­nen Welt­markt­ori­en­tie­rung der Land­wirt­schaft, hin zu regio­na­len Wert­schöp­fungs­ket­ten zu kom­men. Sie schließt mit einer kla­ren Aus­sa­ge: „Wir Grü­ne ste­hen zur Tier­hal­tung! Aber Tier­hal­tung muss an Flä­che und Qua­li­täts­stan­dards gebun­den sein!“ Kem­mer und Link stel­len in ihrem Anfangs­state­ment den 6‑Punk­te-Kata­log vom BBV vor. Die For­de­run­gen beinhal­ten einen Erhalt der Agrar­die­sel­ver­gü­tung, die Rück­nah­me der Strom­stoff­bi­lanz-Ver­ord­nung, die Ein­füh­rung der steu­er­frei­en Risi­ko­aus­gleichs­rück­la­ge, die Befrei­ung von der Ener­gie­steu­er für regio­nal erzeug­te (nicht-fos­si­le) Kraft­stof­fe, Büro­kra­tie­ab­bau und die voll­stän­di­ge Über­nah­me der EU Zulas­sung für den Ein­satz von Gly­pho­sat in Deutsch­land über den 30. Juni 2024 hin­aus. Link schließt mit fol­gen­dem State­ment: „Wir Land­wir­te sind bereit Ver­ord­nun­gen und Auf­la­gen umzu­set­zen, die­se sol­len dann auch ent­spre­chend hono­riert und aner­kannt wer­den.“ „Wir müs­sen die klei­nen Betrie­be erhal­ten, die sind extrem wich­tig.“ eröff­net Tho­mas Lang sei­nen Anfangs­im­puls. Lang spricht davon, dass aus sei­ner Sicht die öko­lo­gi­sche Land­wirt­schaft eine Rich­tung für die kon­ven­tio­nel­le Land­wirt­schaft vor­ge­ben kann. Was im Öko­land­bau funk­tio­niert, kann auch zu einer Öko­lo­gi­sie­rung der kon­ven­tio­nel­len Land­wirt­schaft bei­tra­gen. Büro­kra­tie­ab­bau ist für ihn eben­falls ein zen­tra­les Ele­ment, um gera­de klei­ne­re Betrie­be zu ent­las­ten. Da schal­tet sich der Mode­ra­tor Fri­cke zum ers­ten Mal ein: „Hier ist eine kla­re Gemein­sam­keit zu erken­nen: Egal ob Baye­ri­scher Bau­ern­ver­band, Grü­ne oder Öko-Betrie­be, wir alle wol­len Büro­kra­tie­ab­bau für die Betrie­be.“ Da Otto Weiß kei­ne „Ablie­fer­men­ta­li­tät“ woll­te, ent­schloss er sich vor 35 Jah­ren für den Öko­land­bau und eine fast 100-pro­zen­ti­ge Direkt­ver­mark­tung sei­nes Betriebs. Dane­ben war er auch 15 Jah­re Vor­sit­zen­der vom Bau­ern­markt, ein Zusam­men­schluss von öko- und kon­ven­tio­nel­len Betrie­ben. Logisch ist für ihn die Zusam­men­ar­beit mit kon­ven­tio­nel­len Betrie­ben sinn­voll und hilf­reich, er schließt sich aber dem Fazit von Sengl an: Die Welt­markt­ori­en­tie­rung der Land­wirt­schaft muss sich hin­zu regio­na­ler Wert­schöp­fung als obers­tes Ziel verschieben!

Nach­dem alle Betei­lig­ten ihre Ideen und Anlie­gen in einem Anfangs­state­ment dar­leg­ten, steigt Fri­cke in die Dis­kus­si­on ein. In der ers­ten Run­de will er wis­sen, was der Öko­land­bau der kon­ven­tio­nel­len Land­wirt­schaft eigent­lich weg­nimmt, da er selbst oft das Gefühl habe, Öko­land­bau wür­de als Bedro­hung gese­hen wer­den. Aus Sicht von Lang ist es klar die Öko-Land­wirt­schaft ist Leit­bild für die rest­li­che Land­wirt­schaft. Der Öko­land­bau bringt ent­schei­den­de Gemein­wohl­leis­tun­gen für die Bio­di­ver­si­tät, Gewäs­ser­schutz und Kli­ma­re­si­li­enz. Die Öko­mo­dell­re­gio­nen sind wich­tig, um den Öko­land­bau zu för­dern. Aus Sicht vom BBV gibt Kem­mer zu beden­ken, dass es einen Kampf um Sub­ven­tio­nen geben kann. Wenn mehr Gel­der aus der Sub­ven­tio­nie­rung an Öko­be­trie­be flie­ßen wür­den, wür­den auto­ma­tisch auch weni­ger Gel­der an die kon­ven­tio­nel­len Betrie­ben flie­ßen. In Bezug auf die Ein­füh­rung der Öko-Modell-Regi­on im Land­kreis Bam­berg merkt Link aber noch an, dass mit sol­chen Pro­jek­ten mehr Blick auf Direkt­ver­mark­tung lie­gen kann. Wie­der war eine Gemein­sam­keit gefun­den: Wenn auch bei der Finan­zie­rungs­fra­ge noch Dis­kus­si­ons­be­darf besteht, sind sich alle eini­ge: Durch Pro­jek­te wie die Öko-Modell Regi­on kann für die gesam­te Land­wirt­schaft mehr Direkt­ver­mark­tung und somit mehr regio­na­le Wert­schöp­fung entstehen.

„Wir ken­nen von fast allen Din­gen den Preis, aber nur sel­ten ihren Wert“ eröff­net Sengl die nächs­te Run­de. Sie stellt damit in Fra­ge, war­um Öster­reich es so gut hin­kriegt, sei­nen regio­na­len Lebens­mit­teln einen öffent­li­chen Qua­li­täts­stem­pel zu geben, wir hin­ge­gen in Deutsch­land eher das Bil­lig­land für Lebens­mit­tel sind. Aus ihrer Sicht liegt dies an Prio­ri­tä­ten: In Öster­reich, z.b. in der Salz­bur­ger Kli­nik, wird im öffent­li­chen Bereich ganz klar auf öster­rei­chi­sche Lebens­mit­tel gesetzt, ohne wenn und aber, egal ob öko­lo­gisch oder kon­ven­tio­nell. Die­se Stär­kung von Sei­ten der öffent­li­chen Insti­tu­tio­nen und der Poli­tik braucht die Land­wirt­schaft! Die ande­ren Teil­neh­mer und Teil­neh­me­rin­nen kön­nen bei die­sem Punkt nur bei­pflich­ten. Regio­nal First! Fri­cke stellt in einer wei­te­ren Run­de die Fra­ge des Mei­nungs­aus­tau­sches in den Raum, wie kann eine Debat­te zur Zukunft der Land­wirt­schaft sinn­voll geführt wer­den und wo sind Gren­zen des demo­kra­ti­schen Mei­nungs­aus­tau­sches. Dabei bezieht er sich auch auf die Vor­fäl­le in Hirschaid. Hier sind sich alle Dis­ku­tant und Dis­ku­tan­tin­nen deut­lich einig. So etwas geht über­haupt nicht! Strit­ti­ge Gesprä­che, Demons­tra­tio­nen und schar­fe Kri­tik an der Regie­rung: Das sind alles essen­ti­el­le Merk­ma­le unse­rer Poli­tik. Ein­schüch­te­run­gen, Belei­di­gun­gen und unter Druck set­zen sind dage­gen Metho­den von Demo­kra­tie­fein­den. „Hirschaid hat mir schlaf­lo­se Näch­te berei­tet. Ich will einen respekt­vol­len Umgang ohne Rechts­po­pu­lis­mus!“ fasst Link gut zusam­men. Im Anschluss an die span­nen­den Dis­kus­si­ons­run­den auf dem Podi­um gab es noch eini­ge Fra­gen aus dem Publi­kum, die von den ver­schie­de­nen Podi­ums­gäs­ten beant­wor­tet wur­den. Wer die ein­zel­nen Run­den für sich ent­schie­den hat, mag jeder indi­vi­du­ell bewer­ten. Doch zwei Sachen sind klar gewor­den. Ers­tens es gibt deut­lich mehr Gemein­sam­kei­ten als Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten zwi­schen den Grü­nen und der Land­wirt­schaft. Zwei­tens mit einem solch kon­struk­ti­ven und gegen­sei­tig wert­schät­zen­den Dia­log gewinnt zumin­dest immer einer: Die Demokratie!

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