Bayreuther Forschende finden bislang unbekannten Lebensraum der Haselmaus

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Bayreuther Forschende haben erstmals nachgewiesen, dass die in Deutschland streng geschützte Haselmaus nicht nur Gehölzstrukturen als Lebensraum nutzt, sondern auch Schilfbestände.

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Die Haselmaus ist besonders durch die Zerstörung ihrer Lebensräume seltener geworden und nach Anhang IV der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) streng geschützt. Bisher ist man davon ausgegangen, dass die in Deutschland heimische Haselmaus (Muscardinus avellanarius) vor allem Gehölzstrukturen für Aufenthalt, Nahrungssuche und zum Anlegen der Nester nutzt. Beispielsweise bei Baumaßnahmen wird das Vorkommen der Haselmaus daher bislang nur in Waldlebensräumen und Hecken geprüft. Der Nachweis, dass sie Schilfbestände nutzt, ist für den Naturschutz und die Anpassung von Schutzmaßnahmen somit von großer Bedeutung.

Die Zerstörung von Lebensräumen bedroht viele Wildtiere. Zu den daher streng geschützten Arten gehört auch die Haselmaus, die meist als strikt arboreale, also nur in Wäldern und Gehölzbeständen vorkommende Art beschrieben wird. Nun konnten Bayreuther Forschende erstmals zeigen, dass Haselmäuse Schilfbestände als Habitat nutzen. Die Studie ist kürzlich im Journal of Vertebrate Biology erschienen und entstand im Rahmen der Masterarbeit von Geoökologie-Studentin Raja Wipfler.

In vorangegangenen Untersuchungen fanden sich bereits erste Hinweise auf Haselmäuse in Schilfbeständen. „Diesen Hinweisen sind wir in der Studie mittels telemetrischer Untersuchungen nachgegangen“, sagt Prof. Dr. Manuel Steinbauer vom Lehrstuhl Sportökologie, der die Arbeit betreut hat. Hierfür wurden acht Haselmäuse im Regnitztal südlich von Bamberg gefangen und jeweils mit einem Funksender ausgestattet. Anschließend wurden sie in ihren natürlichen Lebensraum entlassen, in dem sich Schilfbestände und Gehölzstrukturen in direkter Nähe zueinander befinden. Wipfler trackte die Mäuse für jeweils mindestens drei Nächte, um die Aufenthaltsorte der nachtaktiven Tiere zu überwachen.

Die Forschenden fanden heraus, dass die Haselmäuse Schilf und den angrenzenden Gehölzbestand zu ungefähr gleichen Teilen nutzen: Nachts lagen 41,1 % der Messpunkte im Schilf, 50,7 % im Gehölzbestand und 8,2 % in anderer Vegetation. Bei genauerer Betrachtung der Daten fielen Vorlieben der beobachteten Mäuse auf: Sechs der acht Haselmäuse nutzten das Schilf und den Gehölzbestand. Hingegen nutzte eine Maus ausschließlich das Schilf und eine weitere ausschließlich das Gehölz als Lebensraum. Zudem wurde nachgewiesen, dass die Haselmäuse sich nicht nur während ihrer aktiven Phasen in der Nacht im Schilf aufhalten, sondern diesen Lebensraum auch tagsüber zum Schlafen nutzen. Die Forschenden fanden außerdem ein Haselmaus-Nest im Schilf.

Als Gründe für die Nutzung von Schilf führten Wipfler, Steinbauer und Christian Strätz vom Büro für ökologische Studien Bayreuth unter anderem den Schutz vor Raubtieren an. Schilf könnte auch als Lebensraum für Insekten, die eine Nahrungsquelle für Haselmäuse sind, sowie als Nistmaterial eine Rolle spielen. Zudem könnten Haselmäuse ins Schilf ausweichen, um die Konkurrenz um Nahrung und Nistplätze mit den größeren und stärkeren Gelbhalsmäusen (Apodemus flavicollis) sowie den Waldmäusen (Apodemus sylvaticus) zu vermeiden.

Die Feldarbeiten für die Studie erfolgten im Frühjahr und Sommer 2022, nachdem Christian Strätz , Raja Wipfler und Dr. Elisabeth Obermeier vom Ökologisch Botanischen Garten der Universität Bayreuth im Jahr 2019 mittels selbst entwickelter Niströhren erste Hinweise auf Haselmäuse in Schilfbeständen gefunden hatten.

Originalpublikation: Hazel dormice use reed beds for nocturnal activity and daytime resting. Raja Wipfler, Christian Strätz, Manuel Steinbauer. Journal of Vertebrate Biology, 73(23118):23118.1-9 (2024)

DOI: https://doi.org/10.25225/jvb.23118