Aktionsgruppe „Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ kommentiert „Krankenhausfinanzierung gefährdet die Versorgung auf dem Land“
Kommentar der Aktionsgruppe „Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ zum Artikel „MdB Dr. Silke Launert: „Krankenhausfinanzierung gefährdet die Versorgung auf dem Land“:
1. Eine realistische Planung für den Bedarf an stationären Betten und die Festlegung erforderlicher Standorte
Dem stimmen ich (und auch die Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern) uneingeschränkt zu. Wir verweisen bei Klinikschließungen in ganz Bayern (Roding, Marktheidenfeld, heute: Schongau) und bei drohenden Klinikschließungen stets darauf, dass das Bayerische Gesundheitsministerium seiner Aufgabe zur prospektiven Krankenhausplanung nicht nach kommt, sondern stattdessen jeder Schließungsentscheidung aus finanziellen Gründen zustimmt. Bereits heute haben wir deshalb 127 bayerische PLZ-Regionen mit mehr als 30 Fahrzeitminuten zum nächsten Allgemeinkrankenhaus mit Basisnotfallversorgung, was bei eskalierendem Krankheitsverlauf oder traumatischen Verletzungen lebensentscheidend sein kann. Wir fordern in einer Petition vergeblich diesen bayernweiten Erreichbarkeitsstandard.
Für Schongau:
https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/kliniken-in-not/geplante-klinikschlie%C3%9Fungen/krankenhaus-schongau/
Für 30 Fahrzeitminuten als Basis einer Krankenhausplanung:
https://schlusskliniksterbenbayern.jimdofree.com/unterversorgung/petition/
2. eine Reduktion der massiven Überregulierung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen
Auch hier stimmen wir uneingeschränkt zu: Die Kodierung der DRG-Fallpauschalen (aktuell 100%, zukünftig 40% der leistungsabhängigen Vergütung) wird vom Medizinischen Dienst aufwendig geprüft und bindet beim Medizinischen Dienst, aber auch im Krankenhaus massive Personalressourcen. Noch schlimmer aber ist die Bindung des klinischen Personals für Kodierung und Dokumentation der Fallpauschalen. Insgesamt binden die Verwaltungsaufgaben für die Fallpauschalen 15% der klinischen Arbeitszeit, die dann den Patienten nicht zur Verfügung steht, dass sind in Bayern 26,4 Tsd. klinische Mitarbeiter bzw. 19,6 Tsd. klinische Vollzeitkräfte im Gegenwert von jährlich 1,6 Mrd. Euro, die der Patientenbehandlung entzogen werden.
Würde man die Fallpauschalen abschaffen und das Finanzierungsmodell „Selbstkostendeckung der Krankenhäuser“ einführen, stünde dieses Personal ohne Mehrkosten den Patienten zur Verfügung, und die Behandlungsqualität würde signifikant gesteigert. Das dieses Potenzial – angesichts des deutschen Ärzte-/Pflegekräftemangels nicht genutzt wird, ist ein Skandal.
In Ihrem Artikel wurde auch die chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser angesprochen. Das Finanzierungsmodell „Selbstkostendeckung der Krankenhäuser“ würde jedem Krankenhaus exakt die entstandenen stationären Behandlungskosten erstatten. Es gäbe keine Klinikschließungen mehr aufgrund hoher Defizite, ebenfalls keine Gewinne renditeorientierter Privatkliniken, die nur das anbieten, was sich rechnet, und Geld aus dem Gesundheitssystem abschöpfen.
3. sowie eine Öffnung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für Krankenhäuser in Regionen mit fachärztlicher Unterversorgung
Auch dieser Forderung stimmen wir zu. Krankenhäuser übernehmen bereits heute viele fehlenden ambulanten Versorgungen (Notarzt, fachärztliche Aufgaben u.a.), stets aber durch beschränkte kassenärztliche Ermächtigungen stark reglementiert. Eine Öffnung der Krankenhäuser für ambulante fachärztliche Versorgung würde die oft langen Wartezeiten der Patienten signifikant verkürzen.
4. Zudem wurde über eine öffentliche Diskussion über die „end of life“-Therapie gesprochen, da zahlreiche Studien zeigen, dass high-tech Therapien von vielen Senioren abgelehnt werden.
Auch hier stimmen wir uneingeschränkt zu. Gesundheitsminister Karl Lauterbach und seine Regierungskommission verweisen vielfach auf höhere Todesraten bei schweren Erkrankungen und leiten daraus „mangelnde Qualität“ kleiner, wohnortnaher und ländlicher Krankenhäuser ab.
Sie übersehen: Senioren möchten im Finalstadium nicht high-end-Medizin um jeden Preis. Sie brauchen die Nähe ihrer Angehörigen und Freunde und möchten in Frieden wohnortnahe sterben können. Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung deshalb mangelnde Qualität vorzuwerfen, ist unerhört und führt Patienten bei der Auswahl ihrer Krankenhäuser in die Irre.
5. Insgesamt zeigen diese Diskussionen, dass die Krankenhausfinanzierung dringend überdacht werden muss, da die aktuellen Regelungen die Kosten erhöhen, ohne wirkliche Effizienzsteigerungen zu bewirken. Der unkontrollierte Kollaps von Krankenhäusern bedroht die medizinische Versorgung, insbesondere in ländlichen Gebieten. Dies erfordert dringende Maßnahmen seitens der Politik, um die drohende Versorgungskrise abzuwenden“, so Frau Dr. Launert.
Auch hier volle Zustimmung! Hier schließt sich der Kreis. Das Finanzierungsmodell „Selbstkostendeckung der Krankenhäuser“ ist ein im Rahmen einer Projektstudie detailliert durchdachter Vorschlag, der Krankenhäusern eine auskömmliche Vergütung unabhängig von der Anzahl der Patienten zusichert. Krankenhäuser sind Bestandteil der Daseinsvorsorge.sie haben Anspruch darauf, dass ihnen ihre Leistung kostendeckend vergütet wird. So bleibt auch eine flächendeckende klinische Versorgung in Bayern weitgehend gesichert.
Zum Finanzierungsmodell „Selbstkostendeckung der Krankenhäuser“:
https://kliniksterben.jimdofree.com/app/download/13128646199/Selbstkostendeckung_Studie_end.pdf?t=1665404924
Klaus Emmerich, Klinikvorstand i.R.
Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern
Himmelkron
Antworten zur Lösung der Krankenhauskrise laut der Aktionsgruppe „Schluss mit Kliniksterben in Bayern“ (PDF, 1MB)
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