Schachverein Seubelsdorf gegen SG 1951 Sonneberg
Außenseiter versus Spitzenreiter in der Bezirksoberliga
Anfang der 1990er Jahre beantragten und erhielten die Sonneberger Schachfreunde organisatorisches Asyl: So kurz waren die Wege, so tief die gemeinsamen Wurzeln, dass sie künftig lieber südlich der Thüringer Landesgrenzen mitmischen wollten. Als ein Musterbeispiel gelungener Integration gehört die SG 1951 Sonneberg seither zum Schachbezirk Oberfranken, und ihre erste Mannschaft ist diese Saison in der Tabelle der Bezirksoberliga bislang stets ganz oben anzutreffen. Die Seubelsdorfer Erste hat sich diesmal dagegen von ganz unten heraufgearbeitet. Der noch aus dem Zonenfernsehen vertraute Titel „Außenseiter – Spitzenreiter“ passte daher ganz gut auch zu dem Auswärtsspiel, das Seubelsdorf am 25. 2. in Sonneberg zu absolvieren hatte.
Diese Ost-West-Begegnung verlief freundlich und zunächst auch ausgesprochen friedlich, denn schon recht bald schüttelten sich drei Händepaare an den vorderen Brettern: Tizian Wagner geriet am Spitzenbrett in eine Variante, mit der Christopher Hartleb als Schwarzer nur allzu gerne Zugwiederholung und damit das Remis herbeiführte. Am vierten Brett eröffnete Uwe Voigt zwar etwas abenteuerlustiger, doch verschanzte sich Franz Geisensetter hinter einem Bauernwall. Nach reichlichem Abtausch endete auch dieses Spiel mit einem Unentschieden. Als dritte gingen Matthias Bergmann und Mikhael Safronow an Brett 3 in den Bund der Punkteteiler ein, da beide nach Scharmützeln am Damenflügel für sich jeweils keine günstige Fortsetzung mehr sahen.
An einen glimpflichen Ausgang am zweiten Brett glaubte zu diesem Zeitpunkt niemand: Der Seubelsdorfer Mannschaftskapitän Marko Hofmann sah sich mit einem heftigen Bauernsturm am Königsflügel konfrontiert, wofür Andriy Trachuk die Entwicklung der meisten seiner Figuren vernachlässigte. Zunächst schien Hofmann unter heftigen Druck zu geraten. Als es ihm gelang, seinen Steinen freie Bahn im Zentrum zu verschaffen, war plötzlich wieder alles offen.
Um Seubelsdorf in Führung zu bringen, kämpfte Elvira Werner an Brett 8 unterdessen, obzwar gestandene Frau, wie ein Mädchen – und das heißt im Schach seit den Glanzzeiten der Polgar-Schwestern: schwungvoll, angriffslustig und bar jeder Schablone. Mit immer neuen einfallsreichen Manövern brachte sie ihren um einige hundert Wertungspunkte höher eingestuften Gegner, Jürgen Metzler, gehörig ins Schwitzen und zwang ihn ein um das andere Mal, den einzig richtigen Zug zu finden. Leider verbrauchte Werner dabei so viel Zeit, dass vor dem 40. Zug das gefürchtete „Plättchen“ fiel und ihr so den ganzen Punkt kostete.
Hans-Jürgen Drechsel ging an Brett 6 sein Spiel gegen Uwe Neugebauer eher positionell an und wollte einen Bauern gewinnen, der sich jedoch als vergiftet erwies. Gegen den erheblichen materiellen Rückstand, in den Drechsel dadurch geriet, kämpfte er lange, aber letzten Endes vergebens an.
Einen gewagten Plan fasste Alexander Eslauer an Brett 7: Gegen Egon Matthäi opferte er eine Figur gegen zwei Bauern, die er dann am Damenflügel durchdrücken wollte. Leider tat sich die gegnerische Mehrfigur zwischenzeitlich an Eslauers Königsflügelbauern gütlich und Matthäis Bauern rückten als erste siegbringend vor.
Obwohl damit der Mannschaftskampf für Seubelsdorf schon verloren war, gingen die beiden verbliebenen Partien munter weiter: Hofmann schaffte den Durchbruch und erlangte einen Königsangriff, der sich nur unter tödlichen Verlusten besänftigen ließ. Ebenso kurios wie verdient endete das Spiel von Clemens Hanschkow an Brett 5: Frühzeitig ergriff er auf dem ganzen Brett gegen Klaus Rierl die Initiative. Beide ließen sich durch den wachsenden Lärm im Spielsaal irritieren. Rierl kam dadurch dem Ausgleich nahe, stellte seinen versehentlich umgeworfenen König aber so ungünstig auf ein falsches Feld, dass Hanschkow mit reduziertem Material ein unentrinnbares Mattnetz knüpfen konnte.
Mit einem Endergebnis von 3,5 : 4,5 hat Seubelsdorf die Sonneberger Spitzenreiter zwar ins Wanken, aber nicht zu Fall gebracht, und muss sich nun vorerst mit einem Platz im hinteren Mittelfeld begnügen.
Uwe Voigt
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