Offener Brief der DIG Bayreuth-Oberfranken an die Leitung der Universität Bayreuth
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Mitglieder der Hochschulleitung,
mit Bestürzung und Befremden haben wir als Deutsch-Israelische Gesellschaft die anti-semitischen Entwicklungen an der Universität Bayreuth wahrnehmen müssen, die über die Medien Verbreitung finden.
Insofern nehmen wir insbesondere auf den offenen Brief unserer studentischen Jugendorganisation Junges Forum vom 7. Februar 2024 und deren Pressemitteilung vom 9. Februar 2024 Bezug. Die weitere einschlägige Berichterstattung aus Tagespresse und Rundfunk bzw. Telemedien dürfte Ihnen als Hochschulleitung bekannt sein.
Wir schätzen die Wissenschaftsfreiheit deutscher Hochschulen ebenso wie ihren Anspruch, Orte des Meinungspluralismus und der Diskursfreiheit zu sein. Dieses hohe Gut gilt es zu wahren und zu verteidigen.
Dass dieses hohe Gut seit dem Überfall der islamischen Terrororganisation Hamas auf die Bürger des Staates Israel am 7. Oktober 2023 auch an deutschen Hochschulen existentiellen Herausforderungen ausgesetzt ist, ist eine nicht zu übersehende Tatsache.
Der Missbrauch von Meinungspluralismus und Diskursfreiheit für antisemitische Propaganda trifft nicht nur die Hochschullandschaft, aber diese augenscheinlich überproportional.
Es sollte allgemeiner Konsens sein, dass Antisemitismus keine politische Meinungsäußerung ist und von Politik und Gesellschaft weder toleriert noch akzeptiert werden kann.
Vor diesem Hintergrund fragen wir Sie, verehrte Damen und Herren, im Namen unserer Mitglieder: Warum hat die Hochschulleitung, trotz nach eigener Aussage intensiver Befassung mit dieser Thematik, aus den aktuellen abschreckenden Fällen des Mißbrauchs des geschützten akademischen Raumes – beispielsweise an der Freien Universität und der Humboldt-Universität Berlin, an den Universitäten in Leipzig und München um nur die jüngsten zu nennen – keine Konsequenzen gezogen und dennoch eine Veranstaltung von „The Olive Branch“ auf dem Campus zugelassen?
Spätestens bei der Prüfung einer Genehmigung hätten das gegenwärtige Klima gegenüber Israel an deutschen wie internationalen Hochschulen und dessen Wahrnehmung in der jüdischen Gemeinschaft ebenso Berücksichtigung finden müssen wie der Ruf der geladenen Gäste und deren einschlägiger Positionen.
Die dazu von der Universität vorgebrachten Rechtfertigungen überzeugen uns bisher nicht.
Unverständlich ist das Handeln der Hochschulleitung vor dem Hintergrund, dass die Vertreter des Jungen Forums in einem eindringlichen und substantiierten Brief vor einer mutmaßlich antisemitisch eskalierenden Podiumsdiskussion warnten.
Als ebenso unverständlich nehmen wir wahr, dass aus wenig plausiblen Gründen den Mitgliedern des Jungen Forums untersagt wurde, mit Informationsmaterial gegen die zu befürchtenden – und letztendlich eingetretenen – antiisraelischen Exzesse anzustehen.
Das entspricht in seiner Gesamtheit nicht unserem Verständnis von akademischer Diskurs-freiheit bzw. Meinungspluralismus und wir stellen fest, dass wir mit der Frage nach dem „Warum“ nicht alleinestehen.
Die Vorermittlungen des bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelten Antisemitismusbeauftragten der Bayerischen Justiz, die Stellungnahmen der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) in München, des Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus und nicht zuletzt das allgemeine Medienecho seien in diesem Zusammenhang angeführt.
Erschüttert konstatieren wir eine verheerende Signalwirkung, die von dem Dulden derartiger Aktivitäten an deutschen Hochschulen ausgeht: Jede einzelne dieser Veranstaltungen, wie sie an der Universität Bayreuth stattfand, vermittelt Israelhassern und Antisemiten den Eindruck, ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Positionen seien, wenn nicht konsensfähig, so doch zumindest keine Außenseiterhaltung mehr.
In der Summe erschaffen diese Veranstaltungen durch ihre mutmaßliche akademische Aufwertung den Anschein zunehmender Normalisierung und Akzeptanz antisemitischen Gedankengutes. Nicht nur Taten leisten dieser Tendenz Vorschub, sondern auch Unterlassen.
Dass sich in Deutschland inzwischen Israelhasser ermutigt fühlen, akademische Veranstaltungen, an denen Vertreter der jüdischen Gemeinschaft und/oder Israels teilnehmen, gezielt zu sabotieren und zu verhindern (zuletzt mit Daphne Barak-Erez an der HU und Mirjam Wenzel im Hamburger Bahnhof (beides Berlin)), hat daher nunmehr leider auch in dem Verhalten der Universität Bayreuth seine anteilige Ursache.
Eine der Konsequenzen aus dieser erschreckenden Entwicklung ist die unlängst erfolgte und Ihnen sicher bekannte Gründung des „Netzwerkes jüdischer Hochschullehrender“. Die Initiatoren verweisen ausdrücklich darauf, dass sie sich auf Grund der Leichtfertigkeit, mit der Antisemitismus und Israelhass an deutschen Universitäten wiederholt als zulässige Meinungsäußerung verklärt werden, von der deutschen akademischen Mehrheitscommunity alleingelassen und eben nicht mehr angemessen geschützt fühlen.
Warum Israelhass in aller Regel reiner Antisemitismus ist, möchten wir Sandra Kreissler sagen lassen, Tochter von Georg Kreissler und als österreichische Jüdin prädestinierter als wir: „Nicht nur die Häufigkeit, auch die Emotionalität der Vorwürfe [an Israel] ist ein guter Gradmesser. Wer bei Israel Dinge kritisiert, die er so bei keinem anderen Land kritisieren würde; wer es ohne Probleme als legitim ansieht, dass eine Gruppe von Menschen schlicht vollkommen verweigert, Juden als Nachbarn zu ertragen – der ist ein ganz guter Kandidat für den Antisemitismusvorwurf. Ich denke, es beginnt damit, dass man sich fragen sollte, ob die Kritik häufiger, lauter und/oder emotioneller vorgetragen wird als jede andere Kritik an jedem anderen Land – sogar mehr als an tatsächlichen Schurkenstaaten wie beispielsweise China, Belarus, Nordkorea, Syrien, Libyen, der Türkei, dem Iran und, und, und.“
Wir fordern die Hochschulleitung der Universität Bayreuth auf, ein öffentliches Wort des Bedauerns zu finden und dabei zu versichern, dass sich derlei Entscheidungen nicht wiederholen werden. Denn wie Oberbürgermeister Ebersberger in seinem Grußwort anlässlich des diesjährigen Holocaustgedenktages sagte: „Nie wieder ist jetzt!“. Diese Aussage bedarf Taten; auch von der Universität Bayreuth.
Hochachtungsvoll,
Robert Eichler, 1. Vorsitzender
Dr. Thomas Brüggemann, 2. Vorsitzender
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