Politischer Aschermittwoch in Bad Staffelstein
Schluss mit Lustig?
Am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei. Beim politischen Aschermittwoch in Bad Staffelstein wird dies deutlich.
Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen war es eher ruhig in der Peter-J.-Moll Halle in Bad Staffelstein, in welcher der diesjährige politische Aschermittwoch stattfand. Hier ging es hauptsächlich um die im Juli stattfindende Wahl zum Europäischen Parlament, die Politik der Ampelregierung in Berlin wurde nur gestreift. Doch die Rede des EU-Kommissars für Haushalt und Verwaltung Dr. Johannes Hahn machte schnell deutlich, was er von den Anwesenden fordert.
Moderiert vom Kabarettisten Fredi Breunig und begleitet von der Europaabgeordneten und Vorsitzenden im Haushaltskontrollausschuss Monika Hohlmeier betrat er unter großem Applaus die Bühne. Und dass die Chemie zwischen der Europaabgeordneten und dem EU-Kommissar stimmt, das merkte man schnell bei der Vorstellung. „Ich bin ja für die Finanzen zuständig und Monika (Hohlmeier) kontrolliert mich. Darum hab ich graue Haare und sie blonde“, kam es von Dr. Johannes Hahn. Doch schnell wurde er wieder ernst, als er auf die aktuelle und zukünftige Europapolitik zu sprechen kam. Es wird klar: Der Wahlkampf ist eröffnet. „Die EU-Institutionen – das unbekannte Wesen“, so begann Dr. Hahn. „Was vielen nicht klar ist: 80 Prozent der nationalen Gesetzgebung basiert auf EU-Regeln“, fuhr er fort. „Und genau darum ist es wichtig, wer letztlich im EU-Kabinett sitzt.“ Es gebe aktuell keine automatische Mehrheit im Parlament, man müsse für alles immer eine Mehrheit suchen, was die parlamentarischen Gestaltungsmöglichkeiten erheblich einschränke. Er warf einen Blick in die Zukunft, und der sagt mehr als deutlich, dass aktuell Schluss mit Lustig ist.
„Wir waren bisher in drei Komfortzonen: Wir hatten billige Energie aus dem Osten, billige Technologie aus Fernost und den Sicherheitsschirm der USA. All das ist aktuell nicht mehr gegeben.“ Eine gemeinsame Strategie wäre nicht vorhanden und man verzettele sich in den Anforderungen der Systeme. „Statt 23 verschiedene Arten von Kampffliegern müssen wir uns auf eines einigen, um effektiv zu werden.“ Und das, so Hahn weiter, kann nur gelingen, wenn man ein einiges Parlament hat. Laut der NATO-Vorgabe sollen alle Mitgliedsstaaten zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben. „Und wir geben dabei zu viel Geld für zu viele Systeme aus, die untereinander nicht kompatibel sind.“ Man habe zwar einen gemeinsamen Verteidigungshaushalt in der EU von acht Milliarden Euro für die nächsten sieben Jahre, aber das würde bei weitem nicht ausreichen.
Auch beim Thema Energie und Digitalisierung müsse mehr getan werden. „Nach dem Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine haben wir bewiesen, es geht auch ohne Gas und Öl aus Russland.“ Eine Ursache für die Aggression Putins gegen die Ukraine sei in seinen Augen, dass der Wohlstand Europas an die Tür Russlands geklopft habe. „Wir haben in Europa Freiheit, Sicherheit und Wohlstand. Wir dürfen immer unsere Meinung sagen, und das ist nicht überall möglich. Wir haben über 200 Länder auf der Erde, doch in 70 Prozent herrscht eine Autokratie. Die Demokratie ist ein Minderheitsprogramm.“ Und so würde Europa zum Ziel der Menschen, die sich nach dieser Sicherheit sehnen. „Sie wissen, was sie in Europa erwartet.“ Doch müsse man die Voraussetzungen schaffen, dass die Menschengruppen, die sich nicht integrieren, sondern uns ändern wollen, nicht zu uns kommen. Und das, so Hahn, bedürfe sicherer Außengrenzen. Nur so könne man die Einwanderung steuern, die Fachkräfte ins Land holen, die man brauche. „Europa überaltert. Hier liegt das Durchschnittsalter bei circa 40 bis 42 Jahren, in den afrikanischen Ländern bei etwa 21 Jahren.“ Zahlen, die zum Nachdenken anregen.
Doch brauche man eine gemeinsame Sicherheitspolitik, gemeinsam mit den NATO-Partnern. „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.“ Ein Zitat, das Charles de Gaulle zugesprochen wird. Und man brauche diese gemeinsamen Interessen, um ein sicheres und blühendes Europa zu schaffen und zu bewahren. „Wir müssen die Risiken minimieren und die Abhängigkeiten reduzieren.“ Das gelte auch im Rohstoffbereich. „Wir werfen jedes Jahr etwa 100 Millionen Handys einfach weg in der EU. Würde man diese recyceln und die Rohstoffe zurückgewinnen, so ist dies ein wertvoller Beitrag zur Kostensenkung und man spart die Rohstoffe ein.“ Nur so könne Europa auf Dauer wettbewerbsfähig werden und bleiben. „Im Jahr 1900 betrug der Bevölkerungsanteil Europas etwa 25 Prozent. Heute sind es nur noch sechs Prozent, Tendenz fallend.“ Indien und China wären die am stärksten wachsenden Staaten. Daher brauche man einen starken europäischen Binnenmarkt. Und so schloss sich für Hahn der Kreis. „Nur ein Parlament, in welchem man ordentliche Mehrheiten hat, kann ein starkes, geeintes Europa in die Zukunft begleiten.“ Er rief dazu auf, zu wählen und sein Kreuz an der richtigen Stelle zu machen.
In der anschließenden Fragerunde war vor allem die überbordende Bürokratie ein Thema. Zu viele Regelungen, zu viel bis ins Kleinste reglementiert, so der Vorwurf. Als Beispiel führte Fredi Breuning an: „Die Zehn Gebote enthalten 279 Wörter, die Verordnung der Europäischen Gemeinschaft über den Import von Karamellbonbons aber exakt 25.911!“ Monika Hohlmeier konnte sich dabei das Lachen nicht verkneifen, ist dies doch ein Zitat einer fiktiven Erklärung, die einst ihr Vater, Franz-Josef Strauß, 1986 geprägt hat. Sei es auch überspitzt, so zeige es allerdings das, was man bei den Bürgern sähe, so Hahn. „Es muss neu geregelt werden. Regeln und Gesetze brauchen ein Verfallsdatum, bei dem überprüft wird, ob diese noch gültig sein müssen oder einer Überarbeitung oder Abschaffung bedürfen. Und es muss gelten: Eine alte Regel muss einer neuen Regel weichen.“ Eine Forderung, die auf große Zustimmung stieß. Holger Then wollte wissen, was denn von der EU bei den Kommunen ankäme und er warf ein, dass das System der internationalen Ausschreibungen ineffektiv und teuer sei. Dr. Hahn verwies darauf, dass man zwar in vielen Gegenden möglicherweise gut aufgestellt sei, was Unternehmen beträfe, andere hingegen nicht. Auch sei es am Ende so, dass auch die Unternehmen vor Ort von diesen Ausschreibungen profitieren, können sie sich doch um Aufträge an Orten bewerben, zu denen sie ansonsten keinen Zugang hätten. Emmi Zeulner warf ein, dass das System schlanker werden müsse. Monika Hohlmeier fügte an, dass mittlerweile rund 50 Prozent der Arbeitsplätze vom europäischen Binnenmarkt abhängig wären. „Die EU findet im Alltag statt“, bemerkte sie und kam auf den von der AfD geforderten Dexit zu sprechen. „Fragen Sie mal die Briten, wie sie den Brexit jetzt sehen, wo die Regale leer sind. Das droht uns in dem Fall auch.“
Weitere Fragen betrafen die Schuldenbremse. „Die EU darf keine Schulden machen, das ist so geregelt“, so Dr. Hahn. „Und auf nationaler Ebene muss man immer prüfen, ob Ausgaben gerechtfertigt sind, ob sie so noch sinnvoll und nötig sind.“ Monika Hohlmeier ergänzte, dass die Griechen mittlerweile ungläubig auf Deutschland schauen. „Die kommen inzwischen mit ihrem Geld besser zurecht als wir hier“, war ihr Fazit. Und auch sie ist gegen die Möglichkeit, dass die EU Schulden machen könne.
Die Diskussion wurde von den Zuschauern in der voll besetzten Halle mit großem Interesse verfolgt. Dr. Hahn machte seinen Standpunkt auf charmante Weise deutlich und es dürfte am Ende jedem klar geworden sein, dass Europa sich seiner Stärke bewusst werden muss und nur durch die Teilnahme an der Wahl dieses möglich sein wird.
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