50 Jahre Jazz-Club Bamberg
Das alte Gemäuer des Jazzkellers strahlt eine behagliche Wärme aus. Mit den ersten Takten der Musik verstummen die Gespräche im Publikum. Das Becken zischt, Tonschlieren des Saxophons steigen auf, der Bass summt. Bühne frei für den Jazz.
Gewölbekeller sind seit jeher ein Heimathafen des Jazz. In Jazzkellern lebt eine lange Tradition fort. Sie beginnt in den 1940er Jahren in Paris, wo sich insbesondere im Viertel Saint-Germain eine Reihe von Jazzkellern etabliert hat, setzt sich fort über die ersten deutschen Jazzkeller, die 1952 in Frankfurt und 1954 in Nürnberg ihre Türen öffneten, und geht weiter bis zu Kellern, die in Deutschland später hinzukamen und die Geschichte fortschreiben.
Jazzkeller ähneln sich und doch hat jeder Keller durch das Programm seines Clubs, den Ausbau und seine Ausstattung eine unverwechselbare Atmosphäre.
Befragt man Jazzmusiker, die auf vielen Bühnen landauf, landab zu Gast waren, nach der besonderen Qualität des Jazzkellers Bamberg, kommen sie immer wieder auf die Nähe zum Publikum zu sprechen. Die Musiker stehen hier oft nur einen Meter von der ersten Stuhlreihe entfernt auf einer Bühne, die gerade einmal knapp über den Knöchel reicht. „Live und hautnah“ lautet denn auch der treffende Slogan des Jazzclubs Bamberg, der heuer sein 50jähriges Bestehen feiert.
Die Wurzeln der Bamberger Jazzszene reichen zurück in die 1950er Jahre. Ohne die US-Kaserne, die einheimischen Musikern damals die Gelegenheit bot, sich über Rock and Roll und Schlager hinaus auch mit Jazz zu erproben, wäre die lokale Geschichte sicher anders verlaufen. In der Kaserne hatten viele deutsche Jazzmusiker, so auch die Lokalmatadore Tex Döring und Otto Herzog, gemeinsam mit ihren Bands das nötige Handwerk erlernt.
Angewandt haben sie es auch außerhalb der Kaserne, in Spielstätten wie dem „La Paloma“ (Obere Königstraße, im Keller des ehemaligen Luli-Kinos), dem Café Stadelmann (FranzLudwig-Straße) und dessen Nachfolgern, der „Atlantik-Bar“ und dem „Coupe“. Zu den verblassten Clubs gehören auch das Café Jägerlein (Pödeldorfer Straße) und das Elefantenhaus (Generalsgasse) sowie das Café Haas in der Sandstraße, Wegbereiter der heutigen Haas-Säle.
Es mangelte also auch in Bamberg nicht an fähigen Musikern und einem jazzbegeisterten Publikum. Viel schwieriger war es, eine dauerhafte Spielstätte in der Stadt zu finden, die für einen Jazzclub komfortabel genug und zugleich bezahlbar war. Daher nomadisierten Jazzenthusiasten auf der Suche nach einer Bleibe noch in den frühen 1970er Jahren ziellos umher. Ein Inserat in der Lokalzeitung „Fränkischer Tag“ mit dem Aufruf „Freunde des Jazz, bitte melden“ setzte 1973 einen ersten Impuls zur Gründung eines Jazzclubs. Es waren schließlich Jazzhörer, keine ausgewiesenen Jazzmusiker, die sich im August 1974 spontan entschlossen, den Jazzclub Bamberg zu gründen. Die Gründung fand in einem denkwürdigen Rahmen statt: in einem barocken Feldhüterhäuschen auf dem Stephansberg. Dort betrieb Horst de Parade einen selbst ernannten „Keller“ mit eigenen Bierkrügen und Servietten, die so genannte „Villa Emma“. Auf einer dieser Papierservietten wurde die Gründung festgehalten. Die Dreifaltigkeit von Bier, Keller und Jazz war damit beschlossene Sache. Die Satzung wurde am 1. Oktober 1974 bei der ersten Mitgliederversammlung vor 100 Teilnehmern im Luitpoldkeller (ehemaliges La Paloma!) verabschiedet.
Gasthäuser dienten anfangs als Provisorium für Konzerte: die Krugbräu Stegaurach, das Mahrs-Bräu auf dem Stephansberg, ein Keller im Stephansberger Stollen, das „Einhorn“ (damals noch in der Sandstraße) und ein Hinterhof in der Oberen Sandstraße. Auf das heutige Domizil in der Oberen Sandstraße 18 stieß man erst 1977. Ein Keller war nach den Worten von Peter Funk, einem Gründungsmitglied des Clubs, die erste Wahl, da man „so ein bisschen Underground-Charakter“ angestrebt habe. Aber was für ein Keller das war! Laut den Berichten der Bamberger Jazzclub-Pioniere musste sich der Spürtrupp, ausgerüstet wie Bergarbeiter, zunächst ein Loch freischlagen, um hinein zu kommen. Die Räume, die heute zur Verfügung stehen, wurden in unzähligen ehrenamtlichen Arbeitsstunden erschlossen, ausgebaut, klimatisiert, verschönert und zuletzt sogar um eine Galerie für Ausstellungen erweitert.
Der Bamberger Gartenbau-Unternehmer Randolf John prägte als Vorstand in den Anfangsjahren die musikalische Ausrichtung des Clubs. Mit Auftritten von Dixie-Bands verdiente der Club Geld, das er bei Free-Jazz-Konzerten wieder ausgab. 1983 übernahm Georg Fößel die Programmleitung und erweiterte in kluger Voraussicht das Angebot um Blues, Soul, Funk, Jazz-Rock und Fusion. „Ich war überzeugt, dass ein Club in einer kleinen Stadt wie Bamberg mit Jazz allein auf Dauer nicht hätte überleben können“, so sein Credo.
Da es im Bamberg der 1980er Jahre sonst kaum vergleichbare Musikangebote gab, wurde der Club zu einem Dreh- und Angelpunkt der „Subkultur“: als Bühne für einen Filmclub, als Auftrittsort für die Bamberger Kabarettszene und Club für DJs, die hier bis Mitte der 1990er Jahre Studenten-Partys organisierten. Der Jazz stand stets im Mittelpunkt, wobei im Programm neben renommierten Größen lokale Jazzmusiker nicht zu kurz kamen. Zahlreiche Stars hinterließen ihre Visitenkarte: Elvin Jones, Till Brönner, Larry Coryell, Klaus Doldinger, Lee Konitz, Albert Mangelsdorff, Katie Webster, Jimmy Woode. Dazu etliche Musiker, die später ihren internationalen Durchbruch erlebten: Dusko Goykovich, Chico Freeman, Apla Zoller, Hendrik Meurkens, Vijay Iyer…
Eine jahrzehntelange Freundschaft pflegt der Club mit tschechischen Musikern, allen voran Laco Deczi und Emil Viklický, sowie mit dem Alexander von Schlippenbach Trio. Zu den regelmäßigen Gästen gehörten lange auch drei Bamberger Urgesteine, der Geiger Max Kienastl, der Pianist Tex Döring und der Trompeter Otto Herzog (89), der bereits in den frühen 1950er Jahren in der hiesigen US-Kaserne auf der Bühne stand. Nicht zu vergessen unter den Lokalmatadoren ist auch Johanna Schneider. Die Sängerin, die sich als Vorstandsmitglied der Deutschen Jazz Union u.a. für eine faire Bezahlung von Jazzmusikern engagiert, machte hier ihre ersten Schritte und bezeichnet den Jazzkeller als „mein zweites Wohnzimmer“.
Die familiäre Atmosphäre des Clubs ist bei Musikern und Gästen gleichermaßen beliebt. Die Vorstandschaft zeichnet sich durch hohe Kontinuität und demokratische Entscheidungsfindung aus. Marianne Benz leitet den Club seit 1989. Der Programm-Macher Roland Fuchs löste Georg Fößel im Jahr 2020 ab und setzt mit einer spannenden Mischung aus renommierten Größen und Newcomern Akzente. Das Programm kann sich dabei mit Spielorten in weit größeren Städten messen. Der Verein zählt über 500 Mitglieder und gehört so zu den größeren Jazzclubs der Republik. Er ist zudem der einzige Jazzclub in Oberfranken mit einem festen Domizil. Konzerte werden von September bis Mai veranstaltet, in der Regel jeweils freitags oder samstags. An jedem ersten Mittwoch des Monats findet von Oktober bis Mai eine Jazzclub-Session mit freiem Eintritt statt.
Für das Jubiläumsjahr 2024 hat sich der Club einige Highlights einfallen lassen. Während der Jazzclub-Saison steht jeden Monat ein Jubiläumskonzert mit vielversprechenden Gästen auf dem Programm. Einen Höhepunkt werden die Jubiläumsveranstaltungen im Oktober 2024 erreichen. Hierfür sind eine Jubiläumsfeier und ein mehrtägiges Live-Programm geplant, das alle Sparten und Altersgruppen abdecken soll. Über alle aktuellen Entwicklungen informieren die Webseite www.jcabmberg.de und der Newsletter des Vereins. Der Programm-Macher Roland Fuchs fasst seine Begeisterung in folgende Worte: „50 Jahre sind ein schönes Jubiläum. Sie stehen für ein Jahr voller Highlights. Aber wir machen weiter. Ich wünsche dem Jazzkeller, dass er das bleibt, was er ist: ein echtes Kleinod in der Bamberger Kulturlandschaft.“
Oliver v. Essenberg
Das Programm im Jubiläumsjahr
Zum Herunterladen: Das komplette Programm „50 Jahre Jazzclub Bamberg“ (PDF, 1MB)
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