„Philosophischer Blick auf wirtschaftliche Themen“ an der Universität Bayreuth

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Die Inflation ist nicht nur eine Zahl. Die Bayreuther Philosophin Prof. Dr. Johanna Thoma plädiert dafür, dass in den Sozialwissenschaften zur gleichen Zeit auf der Grundlage von verschiedenen Werteorientierungen geforscht werden soll – auch weil dies für die Demokratie wichtig ist.

Philosophie muss vor allem zum Nachdenken anregen. Aber philosophische Forschung hat besonderen Wert, wenn sie an den öffentlichen Diskurs anknüpft. Dieser ist derzeit oft geprägt von einer Tendenz der Politik, Entscheidungen wissenschaftlich zu rechtfertigen, und gleichzeitig wachsender Skepsis an sowohl wissenschaftlicher Expertise als auch dem Funktionieren unserer Demokratie. Prof. Dr. Johanna Thoma, neue Lehrstuhlinhaberin für Ethik an der Universität Bayreuth, hat einen Aufsatz geschrieben, der dazu aufruft, die Rolle der Wissenschaft in der Entscheidungsfindung in Demokratien besser zu gestalten. Er ist in der Zeitschrift Philosophy and Public Affairs mit dem Titel „Social Science, Policy and Democracy“ erschienen. Der Aufsatz ist auch repräsentativ für das Forschungsfeld an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Wirtschaftswissenschaften, auf das sich die Bayreuther Philosophie durch den Studienbereich „Philosophy & Economics“ spezialisiert hat.

Prof. Dr. Johanna Thoma. Foto: UBT

Prof. Dr. Johanna Thoma. Foto: UBT

„Die Sozialwissenschaften müssen Wertannahmen machen, wenn sie für die Politik relevante Fragen erforschen, und die Politik verlässt sich oft auf die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung“, sagt Thoma. „Wer zum Beispiel Wirtschaftswachstum oder Inflation messen will, muss festlegen, was einen guten Lebensstandard ausmacht und wessen Lebensstandard wie wichtig ist.“ Dazu treffen Ökonom*innen Entscheidungen in ihrer Forschung, die wiederum oft höchstrelevant für politische Entscheidungen sind. Die Bayreuther Philosophin Thoma fragt daher in ihrem Beitrag, wie das mit der Demokratie vereinbar ist.

„Lösungsvorschlage betonen meist, dass die Wissenschaft selbst demokratischer werden soll, dass die Wertannahmen, die sie machen muss, denen der Bevölkerung entsprechen soll. Doch die Bevölkerung ist sich selbst meist bei grundlegenden Fragen zu Wohlfahrt und Verteilungsgerechtigkeit uneins“, sagt Thoma. Sie argumentiert, dass die größte Gefahr eher Mangel an parallel existierenden, verschiedenen Werteorientierungen in den Sozialwissenschaften ist: „Wenn die wissenschaftliche Forschung und öffentliche Berichterstattung ausschließlich auf ein bestimmtes Maß der Inflation fokussiert sind, spiegelt die Forschung eine einseitige gesellschaftliche Realität wider. Dadurch entsteht kein für alle gleichermaßen zuverlässiges, informatives und praktisch relevantes Bild.“

Prof. Dr. Johanna Thoma kommt deshalb zum Schluss: „Ein größerer Wertepluralismus, wenn und wo er möglich ist, ohne andere wichtige Werte zu untergraben, ist aus demokratischen Gründen eindeutig wünschenswert.“

DOI: Thoma, J. (2023), Social Science, Policy and Democracy. Philos Public Aff. https://doi.org/10.1111/papa.12250

Zur Person:

Prof. Dr. Johanna Thoma ist seit März 2023 an der Universität Bayreuth als Professorin für Ethik tätig. Zuvor war sie an der London School of Economics im Department of Philosophy, Logic and Scientifc Method. Am 13. Dezember 2023 wurde sie auch zur Präsidentin des International Network for Economic Method gewählt.