Sonntagsgedanken: Lebenswege
Liebe Freunde,
kennen Sie auch die Geschichte vom Wunderknaben? Sie erzählt von einem kleinen Jungen, der schon als Kind so begabt war, dass die Menschen von überall kamen, um ihn reden zu hören. Eines Tages beschloss er, in die Welt hinauszugehen, um diese zu erkunden. Doch er kam immer wieder an Wegkreuzungen und musste sich für eine Richtung entscheiden. Dabei bemerkte er, dass er mit jeder Richtung, die er einschlug in eine bestimmte Bahn gedrängt wurde und dadurch seine Welt immer kleiner wurde. Am Ende war er müde und erschöpft, weil er so viele Möglichkeiten hatte hinter sich lassen müssen, und es kamen auch keine Menschen, die ihm zuhören wollten. Doch er wollte auch noch das letzte Stück seines Weges gehen, und als er sich umsah, bemerkte er, dass er auf einem Berg, ganz oben auf dem Gipfel, stand und das Tal in Terrassen unter ihm lag. Nun sah er auch die Täler, die er auslassen hatte müssen, und er erkannte, dass er im Kleiner- und Kürzerwerden ein Leben lang aufwärts gegangen war.
Fühlen Sie sich auch manchmal so wie der Wunderknabe? Mir geht es zumindest so. Da gehst du deinen Weg und merkst, dass du so viele Möglichkeiten auslassen musstet und somit viele Chancen verpasst hast.
Doch dann frage ich mich auch: „Ist es nicht gut gewesen, dass ich genau diesen Weg gegangen bin? Obwohl ich so viele Chancen und Möglichkeiten verpasst habe, bin ich nicht beim Gehen meines Weges dennoch reifer geworden?“
Leben, so glaube ich, heißt nicht nur gewinnen, sondern auch immer wieder loslassen und verzichten. Aber wo ich etwas weggebe, wo ich verzichte, kann ich offen sein für Neues. Wenn ich meinen Weg weitergehe, auch durch die Durststrecken hindurch, bleibe ich nicht länger am Oberflächlichen, sondern gelange eher immer mehr in die Tiefe und komme so schließlich auch zu mir selbst.
Genau darauf möchte ich immer wieder vertrauen, vertrauen darauf, dass das für jede Situation meines Lebens gilt: auch da, wo ich kein inneres Wachstum spüre, sondern nur Rückschläge hinnehmen muss, auch und gerade dort, wo alles abwärtszugehen scheint. Ich möchte darauf vertrauen, dass leben nicht nur eingeengt sein bedeutet, sondern vorwärtskommen, aufwärts gehen – auch wenn es scheinbar abwärts geht. Es ist so, wie bei dem Knaben in der Erzählung: Am Ende steht er auf dem Gipfel und kann das ganze Land, d.h. das ganze Leben überschauen.
Diese Erfahrung wünsche Ich Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie immer die Gewissheit haben, dass auch Sie, trotz mancher Talsohlen immer weiter aufwärts gehen.
Bleiben Sie gesund,
Ihr Klaus Weigand
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Infos zu Pfarrer Klaus Weigand
- Geboren 1966 in Erlenbach am Main (Unterfranken)
- Abitur am Theresianum in Bamberg 1989
- Studium der Kath. Theologie in Bamberg und Wien
- Priesterweihe 1998
- Tätigkeiten:
- Fürth, Christkönig von 1997 – 2010
- Buckenhofen als Pfarradministrator 2010 – 2015
- seit 2015 in Heroldsbach und Hausen
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