Bayreuther Wissenschaftler erkunden Wachstumsmöglichkeiten von Regionalvermarktern

Kann das Einbinden von nicht professionellen Fahrer*innen, also Menschen, die einfach auf ihrem Weg zur Arbeit oder zum Supermarkt ein Paket mitnehmen, die Reichweite von regionalen Lebensmittelerzeuger*innen und Kleinbauern erhöhen? Mit dieser Frage haben sich Forscher an der Fakultät für Lebenswissenschaften: Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit der Universität Bayreuth in Kulmbach beschäftigt.

Regionale Produkte einzukaufen, ist für viele Menschen das Gebot der Stunde, da kurze Lebensmittellieferketten zu weniger CO2-Ausstoß führen können und die Nachhaltigkeit stärken. Denn: Lokale Vermarkter schaffen Beschäftigung und sind für ihre Gemeinden besonders wertvoll. Doch das stellt kleine Produzenten vor spezielle Herausforderungen: Während die großen Lebensmittellieferanten und Handelsketten über ausgefeilte Logistiksysteme verfügen, tun sich gerade Kleinbauern und Familienbetriebe schwer, ihre regional und nicht selten bio produzierten Lebensmittel auch in der näheren Umgebung an die Kund*innen zu bringen.

Think global, buy local

„Eine Möglichkeit, um die Marktreichweite der Landwirte ohne umfangreiche Investitionen zu erhöhen, ist die Verwendung von Crowd-Logistik“, sagt Florian Cramer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Food Supply Chain Management von Prof. Dr. Christian Fikar in Kulmbach. Bei Crowd Logistik handelt es sich um die Verlagerung von Transporttätigkeiten von klassischen Logistikdienstleistern auf Privatpersonen, die über freie Kapazitäten verfügen, organisiert über eine App, in der Fahrer*innen und Anbieter*innen sich vernetzen. Fahrer*innen sind dann zum Beispiel Berufspendler, die ohnehin von A nach B fahren und auf dem Weg (ggf. mit einem kurzen Umweg) Lebensmittel mitnehmen und ausliefern.

Wie solche kurzen Lieferketten-Plattformen eingeführt werden können, das haben Cramer und Fikar zwischen August 2021 und Juni 2022 untersucht. Dazu wurde eine Simulationsstudie durchgeführt, um das das Verhalten der Kunden und die Vertriebsprozesse in den Verkaufsstellen nachzubilden. Und es wurden verschiedene Szenarien untersucht, um das Potenzial von Crowd Logistik in ländlichen und städtischen Gebieten am Beispiel von unterschiedlichen Regionen – Oberfranken und München – zu bewerten. Die Forscher haben insgesamt 83 Märkte und Bauernläden im ländlichen und 131 im urbanen Raum identifiziert. Sie haben untersucht, wie sich die Marktreichweite erhöhen würde, wenn ein gewisser Anteil der Gesamtbevölkerung im Untersuchungsraum teilnehmen würde (von 0-100%). Zusätzlich haben sie herausgearbeitet, wie sich eine steigende Präferenz für Onlinekäufe und das Platzieren von 24/7h Abholstationen an den Marktstandorten auswirken würde.

Die Bereitschaft, als Verbraucher*in auch Fahrer*in zu sein, also für andere Menschen Pakete mitzunehmen, kann regionalen Erzeugern immens helfen. „Es ist schwer, solche Fahrer zu finden, aber unsere Studie zeigt, dass eine Bereitschaft zur Teilnahme hier großes Potenzial zur grundsätzlichen Unterstützung von regionalen Erzeugern birgt. Solche Initiativen müssen nicht immer von der Wirtschaft getrieben werden – es können auch die Verbraucher proaktiv zur Reichweitenerhöhung der regionalen Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung beitragen“, sagt Cramer. Er hat dabei auch Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Gebieten festgestellt: Ein urbanes Szenario erfordert weniger Investitionen in die Fahrerbasis, denn auf dem Land sind wegen größere Distanzen und weniger Besiedelung schlicht mehr Fahrer*innen nötig. Aber das ländliche Szenario weist auf Grund der geringeren Einzelhandelsdichte ein höheres Potenzial zur Erhöhung der Marktreichweite auf.

Ideal für mehr Reichweite

Cramer erklärt: „Unsere Forschung zeigt, dass Plattformdienste wie Crowd Logstik zur Unterstützung der lokalen Landwirtschaft und regionalen Lebensmittelerzeugern und zur Erleichterung des Vertriebs von verderblichen Lebensmitteln gut eingesetzt werden können.“ Das Ergebnis: Crowd Logistik ist ideal, um die Reichweite von kleinen und mittelständischen Lebensmittelerzeugern zu erhöhen, mit nur geringen Abstrichen – zum Beispiel bei Lebensmitteln, die gekühlt werden müssen.

Die Forscher hoffen, dass diese Ergebnisse Regionalvermarkter ermutigen, sich alternative Logistikkonzepte zunutze zu machen. Auch in Richtung Politik wird ein Signal ausgesendet: „Wenn es seitens der Entscheider Anreize für die Nutzung solcher Crowd Logistik Systeme gäbe, wäre ein großer Schritt hin zu nachhaltigeren Lebensmittelsystemen gemacht.“