Strafverfahren wg. Straßenblockade und Nötigung gegen P. Dr. Jörg Alt SJ, Dr. Cornelia Huth und Luca Thomas: Revision eingelegt
Pressemitteilung der drei Angeklagten und ihrer drei Verteidiger:
Am 16. Mai 2023 wurden der in Nürnberg wohnende Jesuitenpater und Wissenschaftler Dr. Jörg Alt, sowie die in Bayreuth wohnende Wissenschaftlerin Dr. Cornelia Huth und Geoökologie-Student Luca Thomas vom Amtsgericht München wegen Nötigung schuldig gesprochen und zu je zehn Tagessätzen Strafe in unterschiedlicher Höhe verurteilt. Sie hatten mit einer Straßenblockade auf die Klimakrise aufmerksam gemacht.
Dagegen gehen die Betroffenen jetzt in Revision. Denn auch wenn die Geldstrafen gering sind, handelt es sich um einen Schuldspruch, während sie sich nach wie vor als unschuldig und ihr Tun als gerechtfertigt und angemessen betrachten.
Begründet wird die Revision mit Fehlern bei der Prüfung des rechtfertigenden Notstands (§ 34 Strafgesetzbuch). Danach können Straftaten gerechtfertigt werden, die Gefahren abwenden sollen.
Das Amtsgericht geht in seinem Urteil davon aus, dass die gesamte menschliche Zivilisation gefährdet ist. Es nimmt auch an, dass mildere Mittel wie Demonstrationen und Petitionen nicht so geeignet sind wie Straßenblockaden, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Trotzdem lehnt es die Rechtfertigung ab. Ziviler Ungehorsam könne auch in der Klimakrise kein angemessenes Mittel sein. Begründet hat das Amtsgericht seine Auffassung damit, dass ansonsten alle politischen Straftaten gerechtfertigt werden müssten.
„Rechtlich trifft das nicht zu. Nach § 34 StGB muss im Einzelfall geprüft werden, ob das Interesse an der Gefahrenabwehr wesentlich überwiegt. Der Notstand kann also nicht jede politische motivierte Straftat rechtfertigen. Wenn aber die menschliche Zivilisation auf dem Spiel steht, liegt eine Rechtfertigung von Straßenblockaden nahe.“ erläutert Verteidiger Dr. Mathis Bönte.
„Das Amtsgericht meint also, dass wir das Ende der Zivilisation einfach hinnehmen müssen, wenn Demonstrationen, Offene Briefe, Diskussionen und Petitionen nicht ausreichen. Das habe ich nachweislich lange genug ohne Erfolg versucht, das kommt deshalb für mich nicht länger in Betracht,“ stellt Angeklagter Jörg Alt dar.
Die Angeklagte Cornelia Huth ergänzt: „Ich kann nachvollziehen, dass es für die Autofahrer ärgerlich ist, wenn sie im Stau stehen. Mich hat das auch einiges an Überwindung gekostet. Aber ich halte es für wichtiger, dass wir zum Wohle unserer Kinder und Kindeskinder jetzt entschlossene Maßnahmen ergreifen, unsere Treibhausgasemissionen zu senken und dadurch den Klimakollaps vermeiden.“
Über die Revision wird das Bayerische Oberste Landesgericht entscheiden. Das hatte im April eine Rechtfertigung wegen Notstands abgelehnt, weil mildere Mittel wie Demonstrationen und Petition zur Verfügung stehen, nähere Informationen siehe https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/bayerisches-oberstes-landesgericht/presse/2023/5.php. Zu den Angeklagten des damaligen Verfahrens gehörte auch Luca Thomas, den diese Argumentation nach wie vor fassungslos macht:
„Ich war bei Fridays for Future und habe da schon all das probiert, worauf das Bayerische Oberste Landesgericht uns hingewiesen hat. Zur Letzten Generation bin ich erst gegangen, als ich festgestellt habe, dass das nicht ausreicht. Machen sich die Richter Gedanken darüber, wie solche Hinweise für uns klingen?“
Jedenfalls wird das Bayerische Oberste Landesgericht jetzt die Möglichkeit haben, die eigene Entscheidung zu korrigieren.
„Das halte ich aus rechtlichen Gründen für dringend geboten,“ erläutert Verteidiger Dr. Mathis Bönte. „Denn mildere Mittel schließen den rechtfertigenden Notstand nur dann zwingend aus, wenn sie mindestens gleich geeignet sind. Das lernen Jurastudierende schon im ersten Semester.“
Der jetzige Bundesfinanzminister hatte die Demonstrationen, welche Fridays for Future initiiert hatte, dahingehend kommentiert: Man solle das Thema „Klimaschutz“ doch bitte den Fachleuten überlassen. Hierauf reagierte eine große Zahl der einschlägigen Wissenschaftler/innen mit dem Hinweis, ihre Warnungen würden bereits seit langem seitens der Politik ignoriert. Sie sprachen damit auch einer großen Zahl in Umwelt- und Naturschutz engagierter Menschen aus der Seele, die in den vergangenen Jahrzehnten neben Ignoranz vielfache Diffamierungen und Beschimpfungen erfahren haben.
Das Bundesverfassungsgericht als höchstes Organ der deutschen Rechtsprechung hat entschieden, die Politik tue zu wenig für den Klimaschutz und gerfährde so die Zukunftsaussichten der jungen Generation. Doch gerade die in der Politik, welche noch immer versuchen, wirksame Maßnahmen zu behindern, zu verzögern, zu verteufeln, rufen am lautesten nach härteren Strafen für die, welche sie durch Überschreitung rechtlicher Grenzen auf ihr eigenes, vom Verfassungsgericht als rechtswidrig eingestuftes Verhalten hinweisen und eine zukunftsfähige Politik einfordern.
Die Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ sind sicherlich nicht immer die intelligentesten und in ihrer Wirkung so manches Mal eher als kontraproduktiv einzustufen. Als kriminell zu bewerten aber ist zuvorderst das zukunftsvergessene Verhalten der für die Klima- und Umweltkrise Verantwortlichen.
Muß man sowas wirklich in kauf nehmen?
Pressebericht des Fränkischen Tages: „Schwerer Unfall nach Klimakleber-Blockade auf A73: Droht den Aktivisten jetzt Gefängnis? Am Freitag (14. Juli 2023) klebten sich vier Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ am Frankenschnellweg fest. Kurz darauf ereignete sich auf der A73 ein schwerer Unfall. Die Polizei informiert, welche Strafen drohen können.“
Dem Pressebericht zu Folge haben die Aktivist/inn/en mit ihrer Blockade einen Stau verursacht. Da nicht berichtet wird, sie hätten durch urplötzliches Auftauchen auf der Fahrbahn plotzliche Brems- oder Ausweichreaktionen mit entsprechenden Folgen verursacht, darf davon ausgegangen weren, daß sie ein deutlich und rechtzeitig erkennbares Hindernis bildeten. Folge war der Stau. In diesen fuhr dann der Unfallverursacher mit hoher Geschwindigkeit hinein.
Die Straßenverkehrs-Ordnung schreibt unmißverständlich vor, es dürfe nur so schnell gefahren werden, daß Anhalten innerhalb des übersehbaren Bereichs möglich ist. Den Blockierer/inne/n kann die unerlaubte Blockade des Verkehrswegs angelastet werden, nicht jedoch die Folge des sich regelwidrig verhalten habenden Unfallfahrers, der offensichtlich unaufmerksam mit nicht angemessener Geschwindigkeit unterwegs gewesen war.
Unbeschadet der Tatsache, daß solche Blockadeaktionen alles andere als intelligent und zielführend sind, darf nicht der Anlaß aus dem Blick geraten: das unzureichende Handeln der Politik, der Wirtschaft, aber auch vieler einzelner angesichts der seit langem absehbaren und längst zu verspürenden Klimaänderung. Lesen wir lieber die zahlreichen Meldungen über immer häufigere und heftigere Wetterextrema (Hitze, Dürre, Stürme, Starkregen, Überflutungen) und deren Folgen (Abschmelzen der Gletscher und Pole, Hunger, Ertrinkende, Erdrutsche …)?